NSU-Prozess


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207. Verhandlungstag, 20.05.2015 Wiederauflage eines skurrilen Auftritts

Der einstmals ranghohe Rechtsextremist Marcel D. war heute zum zweiten Mal zum NSU-Prozess geladen. Die Befragung wurde abgebrochen, da Marcel D. weiterhin abstreitet, V-Mann gewesen zu sein. Von Thies Marsen

Stand: 20.05.2015 | Archiv

Thies Marsen | Bild: BR/Theresa Högner

20 Mai

Mittwoch, 20. Mai 2015

Der letzte Tag vor der mehr als zweiwöchigen Pfingstpause, nur ein Zeuge auf dem Programm und dann auch noch einer, der schon bei seinem ersten Auftritt im NSU-Prozess nicht gerade mit Liebe zur Wahrheit und Willen zur Aufklärung geglänzt hatte – kein Wunder, dass die Reihen der Nebenkläger heute recht licht und auch die Medienvertreter eher spärlich erschienen waren.

Trotzdem war der Tribünenbereich im Saal A101 randvoll, was wohl auch mit den nahenden Ferien liegt: Gleich mehrere Schulklassen drängten sich heute mit ihren Lehrerinnen und Lehrern auf den rund 100 Zuschauer- und Presseplätzen, was man halt so macht, wenn sich das Schuljahr dem Ende zuneigt, die wichtigsten Proben geschrieben sind und langsam der Stoff ausgeht.

Spitzel oder nicht?

Viel bekamen die Schülerinnen und Schüler allerdings nicht geboten, nur die Wiederauflage eines der bislang skurrilsten Auftritte im NSU-Prozess: Der einstmals ranghohe Rechtsextremist Marcel D., bis zum Verbot des Neonazinetzwerks Blood and Honour Sektionschef in Thüringen, war erneut geladen. Bei seiner ersten Vernehmung im Prozess im März hatte Richter Manfred Götzl gleich zu Beginn eine Aussagegenehmigung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz vorgetragen – schließlich war Marcel D., so die bis dahin einhellige Auffassung, Spitzel des Verfassungsschutzes, was mit Erteilung der Aussagegenehmigung sozusagen amtlich bestätigt wurde. Denn das Thüringer Landesamt stellt eine solche Genehmigung logischerweise nur für Leute aus, die in seinem Sold stehen oder standen.

Doch Marcel D. begann seine Vernehmung mit der für alle Prozessbeteiligten und Beobachter überraschenden Feststellung, er sei niemals Spitzel des Verfassungsschutzes gewesen, das werde vom Geheimdienst nur behauptet, um ihn in der Neonaziszene zu diskreditieren. Und bei  dieser Behauptung blieb er auch heute, obwohl in der Zwischenzeit ein einstiger Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzes im NSU-Prozess ausdrücklich bestätigt hatte, dass Marcel D. V-Mann gewesen sei. "Ich bleibe dabei", war seine einzige Aussage heute. Woraufhin die Nebenkläger die Befragung als sinnlos abbrachen.

Juristische Diskussion auf höchstem Niveau

Was nun folgte war eine umfassende juristische Diskussion auf höchstem Niveau: Einige Opferanwälte forderten, Zwangsmaßnahmen gegen den Zeugen zu verhängen, die Verteidigung widersprach, die Bundesanwaltschaft kündigte an, Marcel D. eventuell in einem Extraverfahren wegen Falschaussage zu verfolgen. Dabei wurde mit Paragrafen aus diversen Gesetzbüchern von der StPO bis zum StGB hantiert, wurde eifrig darüber debattiert, was denn nun eine Falschaussage sei und was eine Aussageverweigerung.

Für Juristen eine hochspannende Angelegenheit. Für Schüler eher nicht. Die erfreuten sich stattdessen daran, dass sie auf der Nebenklagebank ein Fernsehgesicht erkannten: Stefan Lucas, der gern mal in Gerichtsshows des Privatfernsehens Staatsanwälte mimt. Im Fernsehen geht es meistens einfach spannender zu als im realen Juristenleben.


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