NSU-Prozess


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NSU-Prozess: 210. Verhandlungstag Als ob nichts geschehen wäre

Der NSU-Prozess wird trotz der Differenzen zwischen der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und ihrer Pflichtverteidigerin Anja Sturm fortgesetzt. Zschäpe möchte nicht mehr von Sturm verteidigt werden.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 16.06.2015 | Archiv

Anja Sturm und Beate Zschäpe stehen nebeneinander | Bild: dpa-Bildfunk

Als ob nichts geschehen wäre, betritt Beate Zschäpe um 9:44 Uhr den Gerichtssaal. Sie schaut weder nach rechts noch nach links, sondern richtet ihren Blick stur geradeaus. Sie wirkt extrem angespannt. Neben ihr haben Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl Platz genommen. Einen Stuhl weiter sitzt Anja Sturm. Alle drei sind Zschäpes Pflichtverteidiger. Letztere möchte die Hauptangeklagte im NSU-Prozess loswerden.

Die Angeklagte Beate Zschäpe betritt zum Prozessauftakt am 06.05.2013 den Gerichtssaal in München | Bild: picture-alliance/dpa zur Übersicht NSU-Prozess: Überblick Das Geschehen im Gerichtssaal

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Vor genau einer Woche hat Beate Zschäpe einen außergerichtlichen Antrag gestellt. In einem vierseitigen, handschriftlichen Brief an das Gericht legte sie dar, warum sie nicht länger von Anja Sturm verteidigt werden will. Zwischen ihr und der Kölner Anwältin sei das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört. Die Verteidigerin habe bei einer Befragung Interna verraten. Um welche es sich handle, hat Zschäpe offenbar nicht notiert. Die Hauptangeklagte wirft ihrer Verteidigerin darüber hinaus vor, sich schlecht auf die Prozesstage vorzubereiten.

Entscheidung frühestens nächste Woche

Das Gericht hat Beate Zschäpe aufgefordert, die Begründung ihres Antrages konkreter zu formulieren und ihre ein Frist bis Mittwoch Mittag eingeräumt. Die Strafprozessordnung sieht für die Bewilligung solcher Anträge hohe Hürden vor. Fälle, bei denen Pflichtverteidiger ihrer Aufgabe entbunden werden, sind extrem selten. Andrea Titz, die Pressesprecherin des OLG München hält es für ausgeschlossen, dass der Senat bereits am Mittwoch über den Antrag entscheidet. Am Donnerstag entfällt der Prozess wegen des Gesundheitszustandes von Zschäpe. Daher wird frühestens nächste Woche bekannt gegeben, wie die Entscheidung der Richter ausfällt. Allerdings nur von der Pressestelle, denn eine Entscheidung über einen außergerichtlichen Antrag hat in der Hauptverhandlung nichts zu suchen.

Prozess nach Programm

Der Senat betritt drei Minuten nach Beate Zschäpe den Gerichtssaal 101 und setzt die Hauptverhandlung fort. Am Vormittag sagt ein Kriminalhauptkommissar über einen Banküberfall in Zwickau im Jahr 2002 aus. Er hatte die Asservate aus dem Brandschutt der Frühlingsstraße in Zwickau und des ausgebrannten Wohnmobils in Eisenach mit den Bildaufnahmen des Sparkassenüberfalls verglichen. Am Anschluss folgt die Befragung eines Neonazi aus Dessau, der Beate Zschäpe kennen soll.

Am Nachmittag war ein Kriminalhauptkommissar vom BKA geladen. Er berichtete über seine Auswertung von selbst geschnittenen Videodateien, die auf Datenträgern im Brandschutt der Frühlingsstraße gefunden wurden. Zwischen Zschäpe und Uwe Böhnhardt habe es Anfang 2005 eine Wettvereinbarung gegeben: Wer sein eigenes Körpergewicht bis Ende Mai nicht entsprechend verringert, wird „mit Wohnungsputz, Stube reinigen oder mit 200mal Videoclip schneiden“ bestraft. Der Ermittler gab zu Protokoll, dass er zahlreiche Indizien gefunden habe, die darauf schließen lassen, dass es sich dabei um Schnitte am sogenannten Bekennervideo des mutmaßlichen NSU-Trios gehandelt hat.

Kein Ende wie immer

Am frühen Nachmittag beendet der Vorsitzende Richter die Sitzung. Beate Zschäpe packt ihre Sachen. Sie steht auf und wendet sich an Michaela Odersky, eine der Richterinnen des Senats. Circa 30 Sekunden sprechen die beiden miteinander. Der Gestik zufolge verlief das Gespräch angeregt-freundlich. Dann verlässt Zschäpe den Saal und lässt ihre drei Pflichtverteidiger grußlos und verwundert sitzen.


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