NSU-Prozess


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240. Verhandlungstag, 22.10.2015 Die Spuren der Stadtpläne

In der NSU-Hinterlassenschaft fanden sich Stadtpläne, auf denen Tatorte markiert waren. Dennoch fanden die Ermittler oft nicht heraus, was die Ausspähnotizen der Rechtsterroristen bedeuteten.

Von: Eckhart Querner

Stand: 22.10.2015 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR/Julia Müller

22 Oktober

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Die Ermittlungen liefen monatelang auf Hochtouren, aber trotz des massiven Einsatzes von Beamten konnte das Bundeskriminalamt (BKA) in vielen Fällen nicht herausfinden, was die Ausspähnotizen bedeuteten, die im Brandschutt der Zwickauer Wohnung des NSU gefunden wurden. Auf den Plänen waren viele Tattorte markiert, aber auch Orte, die keinen offensichtlichen Bezug zu den rassistischen und fremdenfeindlichen Morden des NSU haben.

Zahlreiche Beamte des BKA untersuchten nach dem Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße im November 2011 Stadtpläne, die in der ausgebrannten Wohnung gefunden wurden. Darunter waren Karten von Chemnitz, Stuttgart, Ludwigsburg, Dortmund und Kiel. Zwei der Wiesbadener Kriminalbeamten waren heute als Zeugen geladen. So analysierte die Polizistin K. Ausschnittspläne von Chemnitz: die Markierungen bezogen sich auf ein Gewerbegebiet, eine Kleingartenkolonie, eine Wohnstraße mit einer kleinen Eisdiele und Bankfilialen. Zeigten die in den Plänen eingezeichneten Kreuze Tatorte, die observiert wurden oder noch werden sollten? Hatten markierte Punkte mit der Ausspähung einer Bankfiliale zu tun? Bedeuteten mit farbigem Stift markierte Linien den möglichen Fluchtweg?

Ärger mit der Bananenschale

K. reiste sogar nach Chemnitz, suchte vor Ort nach Bezügen zum NSU. In zahlreichen Fällen lautete ihr Fazit aber: Viele Markierungen blieben unerklärlich. Auch die Befragung von Anwohnern führte meist nicht weiter. Bei einer Besichtigung warf die BKA-Beamtin die Schale ihrer Banane in die Mülltonne vor einem Haus. Ein Bewohner ermahnte sie darauf hin, dies zu unterlassen.

Bei anderen Markierungen, zum Beispiel auf den Ausschnittskarten von Dortmund, ergaben sich allerdings Übereinstimmungen mit möglichen Anschlagszielen: türkische Vereine, der CDU-Kreisverband, das Büro einer CDU-Landtagsabgeordneten. Auf einem Plan findet sich neben einer Markierung die Notiz: "Gutes Objekt, geeigneter Inhaber". Einige Kreuze auf den Stadtplänen befanden sich ganz in der Nähe der Dortmunder Malinckrodtstraße, wo im April 2006 der türkisch-stämmige Kioskbesitzer Mehmet Kubasik ermordet wurde - vermutlich von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.

Auch Kiel wurde ausgespäht

Der frühere BKA-Beamte Detlef K. berichtete von 19 handschriftlichen Ziffern auf einem Stadtplan der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel. Die Suche nach möglicherweise rechtsmotivierten Straftaten an diesen Orten verlief offenbar negativ, eine rechtsextremistisch motivierte Tat des NSU in Kiel ist nicht bekannt. Bei seiner Vernehmung sorgte der Zeuge K. allerdings für Unmut, als er von "islamistischen" Kulturvereinen und von "Mitbürgern anderer Herkunft als des deutschen Volkes" redete. Mangelndes Sprachgefühl oder etwas anderes: Nicht nur der Nebenkläger-Anwalt Mehmet Daimagüler empörte sich: K. sei im Staatsschutz tätig gewesen. Dass er nicht zwischen "islamisch" und "islamistisch" unterscheiden könne, habe Daimagüler verwundert.


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