Aussage im NSU-Prozess Zschäpe gibt die naive Mitläuferin
Beate Zschäpe hat ihr Schweigen gebrochen. In einer von einem Anwalt verlesenen Erklärung bestritt sie, NSU-Mitglied gewesen zu sein. Auch an den Morden und Anschlägen sei sie nicht beteiligt gewesen. Die Nebenkläger sind von der Aussage enttäuscht.
Zschäpe sprach nicht selbst, sie ließ ihrem Pflichtverteidiger Mathias Grasel die umfangreiche Erklärung verlesen. "Ich weise den Vorwurf der Anklage, ich sei ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung namens NSU gewesen, zurück", hieß es im Wortlaut. Zschäpe behauptete, dass es den NSU eigentlich gar nicht gegeben habe. Er sei einzig und allein die Idee von Uwe Mundlos gewesen.
"Ich habe mich weder damals noch heute als Mitglied gesehen."
Beate Zschäpe, Hauptangeklagte im NSU-Prozess
Zschäpe: "Fassungslos" wegen Taten
Analyse
Zschäpe bestritt zudem, an den zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen zu sein, die die Bundesanwaltschaft dem NSU vorwirft. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hätten sie jeweils erst hinterher darüber informiert. Sie sei fassungslos gewesen, als sie davon erfahren habe. Das Handeln der Freunde sei für Zschäpe "unerträglich und inakzeptabel" gewesen. Doch wenn sie sich gestellt hätte, hätten sich Mundlos und Böhnhardt selbst getötet, deshalb habe sie sich gegen ein Aussteigen entschieden, so Zschäpe.
Brandstiftung eingeräumt
Die Brandstiftung in der Zwickauer Frühlingsstraße räumte die Hauptangeklagte allerdings ein. Doch sie wies den Anklagevorwurf des versuchten Mordes zurück: Sie sei sich sicher gewesen, dass weder ihre Nachbarin noch zwei Handwerker im Haus gewesen seien. Auch gab sie zu, von den Raubüberfällen gewusst zu haben, jedoch keine Einzelheiten.
Zschäpe: "Fühle mich moralisch schuldig“
Zschäpe entschuldigte sich bei den Opfern der Terrorgruppe.
"Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge nicht verhindern konnte (…) Ich entschuldige mich bei allen Opfern und Angehörigen der Opfer der von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Straftaten."
Beate Zschäpe
"Böhnhardt liebte ich"
Zschäpe schilderte in ihrer Aussage auch eine schwierige Kindheit und Jugend in der DDR. Ferner beschrieb sie die Beziehung zu Mundlos und Böhnhardt: "Ich musste feststellen, die beiden brauchten mich nicht, ich brauchte sie (...) Gegenüber Mundlos hatte ich große freundschaftliche Gefühle und Uwe Böhnhardt liebte ich." Sie sei eine Beziehung mit Böhnhardt eingegangen und stärker in Kontakt zu Böhnhardts Freunden gekommen, die nationalistischer eingestellt gewesen wären als die von Mundlos. Zschäpe betonte auch die zentrale Rolle des ehemaligen V-Manns Tino Brandt in der Jenaer Neonazi-Szene. Brandt war in den 90er Jahren ein aktiver Neonazi und Kopf eines Netzwerks, das sich "Kameradschaft Jena" nannte. Er sitzt seit einem Jahr im Gefängnis wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen.
"Tino Brandt war derjenige, der die Initiative ergriff, sei es durch Ideen, sei es durch Geld, das er zur Verfügung stellte oder durch Übergabe von Lesematerial mit nationalistischem Inhalt."
Beate Zschäpe
Nebenklage-Vertreter entsetzt
Nebenklage-Vertreter kritisierten Zschäpes Erklärung scharf. So sagte Rechtsanwalt Sebastian Scharmer: "Die Aussage ist konstruiert, ohne Belege und in sich widersprüchlich. Zschäpe wird sie nicht vor einer Verurteilung retten. Den Nebenklägern nützt sie nicht." Anwalt Stephan Lucas sagte, wenn das alles gewesen sei, was Zschäpe zu sagen habe, dann hätte sie besser geschwiegen. Entrüstet äußerte sich Gamze Kubasik, Tochter eines der Mordopfer: "Die angebliche 'Entschuldigung' für die Taten von Mundlos und Böhnhardt nehme ich nicht an: sie ist eine Frechheit."
Antrag, drei Verteidiger zu entpflichten
Zu Grasels Antrag, Zschäpes Altverteidiger zu entpflichten, meinte Nebenklage-Anwalt Bernd Behnke lakonisch: "Pflichtverteidiger Heer, Stahl und Sturm müssen durchhalten. Es ist auch gar nicht gesagt, dass deren Schweigestrategie schlechter als die heutige Erklärung war."
Zschäpe droht lebenslang Gefängnis
Zschäpe wird beschuldigt, unter anderem an zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen als Mittäterin beteiligt gewesen zu sein. Außerdem wird ihr Brandstiftung vorgeworfen. Der 40-Jährigen drohen eine lebenslange Freiheitsstrafe, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit
Die Nürnberger Sozialwissenschaftlerin Birgit Mair, die als Kennerin der rechtsextremen Szene in Franken gilt, bewertet die Zschäpe-Aussage als reine Prozesstaktik. "Sie ist 40 Jahre alt und hat eben noch die Hoffnung, vielleicht nach zehn Jahren aus dem Gefängnis zu kommen, wenn ihr die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nicht nachgewiesen wird. Sie hat es versucht und das nehme ich ihr nicht mal übel," so Mair im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.
Seit Mai 2013 steht die mutmaßliche Rechtsterroristin vor Gericht. Dem NSU, dem laut Bundesanwaltschaft Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt angehörten, werden neun Morde an Migranten und die Ermordung einer Polizistin vorgeworfen. Mundlos und Böhnhardt hatten sich im November 2011 nach einem missglückten Überfall mutmaßlich selbst getötet. Kurz darauf stellte sich Zschäpe der Polizei.
Fortsetzung der Verhandlung am Dienstag
Der morgige Verhandlungstag wurde abgesetzt, wie der Vorsitzende Richter Manfred Götzl bekannt gab. Es gehe jetzt darum, Zschäpes Einlassung aufzuarbeiten. Das Gericht hat die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Zschäpe soll laut Götzl nun prüfen, ob sie einen Teil der Fragen direkt beantworten könne. Ihr Anwalt Mathias Grasel hatte zuvor gesagt, dass voraussichtlich nicht Zschäpe selbst, sondern er und sein Kollege Hermann Borchert antworten werden. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.