NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 301. Verhandlungstag Stundenlanges Gezerre um einen Zeugen mit Erinnerungskratern

Beate Zschäpe wird vor der Sommerpause wohl nicht mehr auf die zahlreichen Fragen der Nebenkläger antworten. Das teilte ihr Anwalt heute, am 301. Verhandlungstag des NSU-Prozesses, auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl mit. Ansonsten standen die Angeklagten Carsten S. und Ralf Wohlleben heute im Fokus.

Von: Thies Marsen

Stand: 21.07.2016 | Archiv

Das Ortsschild von "Winzerla" weist am Mittwoch (16.11.2011) auf das gleichnamige Wohngebiet in Jena hin. Die einer Mordserie verdächtigen Rechtsradikalen der NSU sind in Jena aufgewachsen und haben hier offenbar ihre Terrorzelle gegründet.  | Bild: picture-alliance/dpa

Der Zschäpe-Anwalt teilte auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl mit, man sei noch nicht dazu gekommen, die Fragen ausreichend zu besprechen. Offen blieb allerdings, ob Zschäpe die über 300 Fragen überhaupt beantworten will.

So standen die Angeklagten Carsten S. und Ralf Wohlleben heute im Fokus, und das Gericht machte einmal mehr einen Ausflug in das Jena der Jahrtausendwende, in eine Zeit, da das NSU-Kerntrio bereits untergetaucht war und – laut Anklage - S. und Wohlleben den Kontakt zu ihnen hielten.

Wie glaubwürdig sind die Angeklagten?

NSU-Prozess Rechtsradikaler als Zeuge im NSU-Prozess

Zwei Zeugen, die damals in der Neonaziszene rund um den sogenannten Winzer-Club in Jena-Winzerla verkehrten, wurden heute ausführlich von Richter Manfred Götzl befragt. Einem dritten Zeugen, einstiger Neonazi-Liedermacher, konnte die Ladung nicht zugestellt werden. Im Zentrum stand die Frage, inwieweit S. und Wohlleben in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt waren – insbesondere in eine Schlägerei an einer Trambahnendhaltestelle in Winzerla, die Carsten S. in seiner Aussage erwähnt hatte. Und über allem stand die Frage: Wie glaubwürdig ist Carsten S. bzw. wie glaubwürdig ist Ralf Wohlleben, die sich in ihren Aussagen vor dem Oberlandesgericht gegenseitig belastet haben. Wohlleben hat zudem angegeben, nie gewalttätig gewesen zu sein.

Schlägereien an der Tagesordnung

Beide Zeugen konnten sich heute allerdings nicht an einen konkreten Vorfall erinnern, sagten aber aus, dass die Neonaziszene um den Winzer-Club damals höchst gewalttätig war und körperliche Auseinandersetzungen quasi an der Tagesordnung waren.

"Es gab keine gesunde Streitkultur. In jedem steckte wohl ein sehr hohes aggressives Potential."

Zeuge

Besonders ausführlich widmete sich der Senat der Befragung des zweiten Zeugen, eines ehemaligen Rechtsrockmusikers mit dem Spitznamen "Torte", der aber schon vor rund 15 Jahren der Szene den Rücken gekehrt hat. Er war nach eigenen Angaben gut mit Carsten S. befreundet und soll ihm – wie er bei der polizeilichen Vernehmung vor drei Jahren einräumte – auch bei einem Einbruch in Beate Zschäpes Wohnung geholfen haben.

Erinnerungslücken auch beim Zeugen "Torte"

Vor Gericht zeigte er allerdings große Erinnerungslücken, um nicht zu sagen: regelrechte Erinnerungskrater, die er unter anderem auf seinen früheren exzessiven Konsum von Cannabis und anderen Drogen wie Speed und Kokain schob. Immerhin scheinen ihm die Drogen auch den Weg aus der Neonaziszene gewiesen haben. Sie hätten seinen Blick für andere Sichtweisen geöffnet und seien zudem mit dem Selbstverständnis eines Neonazis nicht vereinbar gewesen. Deshalb sei er ausgestiegen. Der Zeuge gab an, auch nach seinem Ausstieg mit Carsten S. zu tun gehabt zu haben. Nach einigen Jahren der Funkstille sei man 2007 wieder in Kontakt getreten. Auf die Frage von Richter Götzl, ob er denn jetzt noch Kontakt mit dem Angeklagten habe, antwortete der Zeuge: "Nein, leider nicht mehr."

"Ich kann mich nicht mehr erinnern."

Rechtsrocker Torte

Viel Neues hatte der Zeuge heute nicht zu bieten, zu den allermeisten Fragen hatte er nicht mehr zu sagen als "Ich kann mich nicht mehr erinnern." Dabei hätte er vermutlich Interessantes zu berichten gehabt. So soll er ausweislich einer Mitteilung des Thüringer Verfassungsschutzes dabei gewesen sein, als der Jenaer Neonazi André K. bei dem bayerischen Verleger Dehoust in Coburg Geld für die drei Untergetauchten besorgte. Mit dem Geld sollten demnach Reisepässe für die Flucht ins Ausland gekauft werden. Doch auch daran konnte oder wollte sich der Zeuge nicht erinnern.

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Dennoch wurde er über Stunden von den Prozessbeteiligten gelöchert, insbesondere von der Verteidigung Wohlleben, der es besonders darum ging, anhand der Befragung des Zeugen die Glaubwürdigkeit von Carsten S. und nebenbei auch der Vernehmungspraktiken des BKA anzuzweifeln. Selbst der Angeklagte Carsten S. meldete sich zu Wort und richtete persönlich einige Nachfragen an seinen früheren Freund. Doch auch hier lautete die Antwort meist: "Ich weiß es nicht mehr."

Als anschließend noch die Nebenklage Fragen an den Zeugen richtete, schritt Wohlleben-Verteidiger Olaf Klemke wiederholt ein, woraufhin sich ein stundenlanges Hin und Her mit mehreren Gerichtbeschlüssen über die Zulässigkeit von einzelnen Fragen entwickelte.


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