324. Verhandlungstag, 23.11.2016 Profis mit Erinnerungslücken
Ein selbstbewusstes Auftreten hatte gereicht: Zeuge Jens S. hatte vor 16 Jahren eine Zeugenaussage zu Beate Zschäpe aufgenommen. Nun hat der Polizist dazu ausgesagt - und bei der Verteidigung Fragen aufgeworfen.
23. November
Mittwoch, 23. November 2016
Ein Kriminalpolizist nahm die Aussage eines Kollegen auf - vor 16 Jahren. Heute kann er sich kaum noch daran erinnern. Er weiß nur noch, dass sich der Kollege damals ziemlich sicher war. Er hatte die untergetauchte Beate Zschäpe in Berlin vor einer Synagoge beobachtet. Zschäpe kündigte unterdessen an, weitere Fragen zu beantworten. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
"Ich muss ehrlich gestehen, ich hatte bis zum Tag meiner Ladung keine Erinnerung an die Geschichte. Es ist sechzehn Jahre her. Ich kann mich erinnern, dass er sich sicher war, er war sich in den Personen sehr sicher."
Jens S., Berliner Kripobeamte im NSU-Prozess
Jens S. hatte am 8. Mai 2000 die Aussage seines Kollegen Frank G. aufgenommen und war heute als Zeuge im NSU-Prozess geladen. Frank G., heute 66 Jahre alt, war zum Schutz der Berliner Synagoge in der Rykestraße eingesetzt und hatte seine Beobachtungen bereits im NSU-Prozess geschildert.
Von der attraktiven Frau zur gesuchten Person
Am 7. Mai 2000 hatte er vor der Synagoge eine Frau beobachtet, die ihm gut gefiel. Sie saß vor einem Restaurant an einem Tisch mit zwei Männern, einer anderen Frau und zwei Kindern. Sie fiel ihm auf, weil sie im Stil der 60ger Jahre gekleidet war, also ganz anders als die Studenten die dort üblicherweise verkehrten. Als sie ihn bemerkte, warf sie ihm einen giftigen Blick zu. Die Frau war mit ihren Begleitern über einen Stadtplan gebeugt. Am Abend entdeckte er ihr Fahndungsfoto in der mdr-Sendung "Kripo live" - dort wurde nach den untergetauchten Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gesucht. Er meldete sich sofort beim LKA Thüringen. Am nächsten Tag wurde seine Aussage in Berlin aufgenommen - von Jens S.
Der legte ihm Lichtbilder vor. Sein Kollege erkannte Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt eindeutig und gab an, sie jederzeit wiederzuerkennen.
Der Kollege war sich seiner Sache sicher
Oft würden Zeugen im Laufe der Vernehmung kippen, erklärt Jens S. Gerade bei Lichtbildvorlagen würden sie unsicher, weil sie die verdächtigen Personen meistens nur kurz gesehen haben. Dieser Zeuge aber war sich sicher, daran könne er sich erinnern. Er habe Zschäpe ja auch über einen längeren Zeitpunkt im Auge gehabt.
Anja Sturm, die Verteidigerin von Beate Zschäpe erklärte nach der Aussage von Jens S., die Aussage des Polizisten Frank G. sei nicht verwertbar. Nur weil er selbstsicher aufgetreten sei, habe man seine Aussage nicht hinterfragt. Zschäpe hatte Ende Oktober ausgesagt, dass sie mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Frühjahr oder Sommer 2000 in Berlin gewesen sei. Sie habe aber zu keinem Zeitpunkt eine Synagoge besucht oder gar ausgespäht, wie es etwa der Nebenklage-Anwalt Yavuz Narin vermutet.
Zschäpe nimmt in zwei Wochen Stellung
Zschäpes Anwalt Mathias Grasel kündigte an, dass seine Mandantin sich in zwei Wochen zum Fall Peggy äußern werde. Das Gericht hatte ihr dazu Fragen gestellt, nachdem eine DNA-Spur von Uwe Böhnhardt am Fundort der Leiche von Peggy Knobloch entdeckt worden war. Inzwischen gehen die Ermittler davon aus, dass der DNA-Fund mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einem Fehler beruht. Die Ankündigung, dass Zschäpe die Fragen des Gerichts beantworten wird, heißt noch nicht, dass sie etwas Substanzielles zum Fall Peggy zu sagen hat.
Für den Prozess wird wichtiger sein, was Beate Zschäpe zu dem vorläufigen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Henning Saß mitzuteilen hat. Auch hierzu kündigte Verteidiger Mathias Grasel eine Stellungnahme in zwei Wochen an. In dem Gutachten kommt Henning Saß laut Prozessbeteiligten zu dem Schluss, dass Beate Zschäpe voll schuldfähig ist und außerdem im Falle einer Verurteilung eine Sicherungsverwahrung nicht ausgeschlossen ist.