357. Verhandlungstag, 6.4.2017 Die Frage: Wie lange noch?
357 Verhandlungstage und noch kein Ende in Sicht. Klar, dass sich immer mehr Journalisten, Anwälte, aber auch Unbeteiligte die Frage stellen, wie lange dieser Prozess wohl noch dauern wird. Zu recht?
06. April
Donnerstag, 06. April 2017
"Und wie lange geht das noch"? Diese Frage kennen die Gerichtsreporter schon, wenn sie nach einem Verhandlungstag im Münchner NSU-Prozess zurück in die Redaktionen kommen. Die Antworten sind dann immer die gleichen: Der angeklagte Sachverhalt ist komplex, die Taten des rechten Terror-Trios liegen schon Jahre zurück, die beiden mutmaßlichen Haupttäter sind tot und können nicht mehr befragt werden, die fünf Angeklagten werden mittlerweile von einem Dutzend Verteidiger vertreten und es gibt über 70 Nebenkläger, die sich von rund 60 Anwälten vertreten lassen.
Rechtsanwälte, Rechtssystem, Rechtsstreitereien
Die meisten kämpfen wacker für die Rechte ihrer Mandanten, andere versuchen staatlichen Behörden, wie dem Verfassungsschutz, eine Mitschuld an der Mordserie des NSU nachzuweisen oder zumindest eine zweifelhafte Kumpanei mit den Neonazis in den neuen Bundesländern. Und für alle Varianten gibt das vor einigen Jahren geänderte Strafprozessrecht den Nebenklägern breiten Raum. Allerdings gibt es auch da Grenzen, meinte heute Herbert Diemer, einer der Bundesanwälte im NSU-Verfahren.
In zehn Minuten fasste Diemer zusammen, warum aus Sicht der Karlsruher Anklagebehörde der Nebenklage nicht das Recht zusteht, auch noch selbstständig Zeugen oder gar Sachverständige zum Prozess zu laden. Dies ist und bleibt das Recht des Gerichtsvorsitzenden. Geboten, so Diemer, sei das nicht etwa um den Prozess nicht ausufern zu lassen, sondern um die Rechte der Angeklagten zu sichern. Denn, deren Anwälte können auch nicht einfach einen Zeugen laden, den sie für wichtig halten, sondern müssen dessen Befragung schon in einen Beweisantrag kleiden über den das Gericht entscheidet.
Also: wie lange noch?
Entscheiden muss der Strafsenat des Münchner Oberlandesgerichts demnächst auch über eine ganze Serie von Beweisanträgen, die von den Anwälten von Ralf Wohleben gestellt wurden, also den Verteidigern des zweiten Hauptangeklagten in diesem Mammutprozess. Dabei geht es um die Präsentation weiterer Mitglieder der rechten Szene in Thüringen, hauptsächlich aus dem "Nationalen Widerstand", die Wohleben ebenso nahe standen, wie Beate Zschäpe und den beiden Uwes.
Sie alle würden bekunden, so die Verteidiger, dass Wohleben kein Ausländerfeind war, sondern, im Gegenteil, ein friedliebender Mensch, der sich für ein geordnetes Miteinander der Völker eingesetzt und nie die Idee vertreten habe, gegen in Deutschland lebende Ausländer gewaltsam vorzugehen. Dass sich das Gericht die Entlastungsshow in den letzten Tagen der Beweisaufnahme noch antun will, erscheint den meisten Prozessbeobachtern allerdings unwahrscheinlich. Auf die Frage "wie lange noch?" könnte es doch bald eine schlüssige Antwort geben.