NSU-Prozess


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172. Tag im NSU-Prozess Sprengsatz in Nürnberg sollte töten

Es war vermutlich der erste Bombenanschlag des NSU: Im Juni 1999 deponierten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos eine als Taschenlampe getarnte Rohrbombe in der Toilette einer Nürnberger Gaststätte. Der Sprengsatz explodierte, als ein Putzmann den Schalter drückte.

Von: Thies Marsen

Stand: 17.12.2014 | Archiv

Justizbeamte, die Angeklagte Zschäpe und deren Verteidiger im Gerichtssaal des NSU-Prozesses (Archiv) | Bild: dpa-Bildfunk

Das Opfer wurde im Gesicht, an den Armen und am Oberkörper verletzt. Wie die Aussage eines LKA-Ermittlers heute im NSU-Prozess ergab, sollte die Bombe wohl töten. Denn das mit Schwarzpulver gefüllte Metallrohr war extra angesägt worden, damit bei einer Explosion möglichst viele Splitter entstehen. Diese hätten schwere Verletzungen bis zur Todesfolge verursachen können, so der Ermittler. Allerdings war die Sprengkraft zu schwach.

Dennoch habe sich ihm ein Bild der Verwüstung gezeigt, als er den Tatort einen Tag nach der Explosion besichtigt habe, erklärte der LKA-Beamte. Überall seien Plastikteile herumgelegen, es habe immer noch nach Schwarzpulver gerochen. Die Bombe hätten die Attentäter aus einem handelsübliches dreiviertel Zoll Wasserrohr gebastelt. Das Schwarzpulver sei vermutlich aus Chinaböllern herausgepuhlt worden. Gezündet wurde der Sprengsatz wohl durch eine Glühbirne.

Einseitige Ermittlungen von Anfang an

Bei der Befragung heute wurde zudem deutlich, dass die Polizei einen möglichen terroristischen Hintergrund von Anfang an ausschloss - es gebe keine Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche Tat, hieß es schon in der ersten Meldung der Nürnberger Polizei. Stattdessen wurde zeitweise gegen das Opfer selbst ermittelt, da dieser mit kleineren Rauschgiftdelikten aufgefallen war. Nachdem diese Ermittlungen nichts ergaben, wurden sie eingestellt und der Fall zu den Akten gelegt.

Ein glaubwürdiger Angeklagter

Dass die Tat überhaupt dem NSU zugeordnet werden konnte, ist dem Angeklagten Carsten S. zu verdanken. Zu Prozessbeginn hatte er ausgesagt, dass Böhnhardt und Mundlos ihm von dem Attentat erzählt hätten, als er ihnen die mutmaßliche Tatwaffe in einem Chemnitzer Café übergab. Einige Nebenklagevertreter betonten denn auch nach der heutigen Zeugenaussage, dass sich die Glaubwürdigkeit von Carsten S. bestätigt habe. Selbst die Zschäpe-Verteidigung erklärte, dass die Angaben von Carsten S. wohl richtig seien. Sie verwiesen jedoch darauf, dass er auch ausgesagt habe, dass Böhnhardt und Mundlos verstummt seien, als Beate Zschäpe damals den Raum betreten habe. Dies sei ein Hinweis darauf, dass Zschäpe keine Mitwisserin der Tat gewesen sei.

Anleitungen zum Untergrundkampf

Im Anschluss an die Zeugenaussage de LKA-Ermittlers verlas das Gericht Ausschnitte aus der Neonazizeitschrift "Sonnenbanner", die 1998 in einer von Zschäpe angemieteten Garage in Jena gefunden worden war. In der Zeitschrift, die von dem Verfassungsspitzel Michael S. herausgegeben wurde, werden ausführliche Anleitungen zum Untergrundkampf gegeben - von der Zellenbildung bis zu konspirativem Verhalten. Auch Passagen aus dem extrem rechten Fanzine "Der Weiße Wolf" wurden verlesen, darunter ein Liedtext des Neonazibarden Frank Rennicke und das Gedicht "Der Asylbetrüger in Deutschland", das dem Münchner Neonazi-Stadtrat Karl Richter zugeschrieben wird. Er wurde jedenfalls für die Veröffentlichung des Gedichts in der Coburger Zeitschrift "Nation Europa" rechtskräftig verurteilt.

Der "Weiße  Wolf" war übrigens die Publikation, in der das Kürzel "NSU" als erstes auftauchte, und zwar schon im Jahr 2002.  Seitdem muss in Teilen der Neonaziszene also bekannt gewesen sein, dass es eine Organisation dieses Namens gab.


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