179. Tag im NSU-Prozess Empörung über Rechtsterroristen als NSU-Zuhörer
Während der NSU-Prozess am seinem 179. Tag mit der Vernehmung weiterer Opfer des Bombenanschlags am 9.Juni 2004 in der Kölner Keupstraße fortgesetzt wurde, sorgten zwei Ereignisse am Rande des Verfahrens für Aufregung; das Erscheinen eines stadtbekannten Neonazi-Aktivisten und ein offensichtlich offener Streit unter den Nebenklageanwälten.
Die Anwesenheit eines verurteilten Rechtsterroristen auf der Zuhörerempore hat heute für Empörung und einen heftigen Wortwechsel in einer Gerichtspause gesorgt "Hau doch ab!" und "Wir wollen Euch hier nicht sehen" das musste sich Karl-Heinz Statzberger anhören - verurteilt weil er zusammen mit dem rechten Terroristen Martin Wiese vor zwölf Jahren einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegungsfeier der neuen Münchner Synagoge geplant hatte. Daß der stramme Neonazi mit zwei Gesinnungsgenossen ausgerechnet an dem Tag im Gerichtssaal erschien, an dem einige Opfer des rechten Bombenattentats in der Kölner Keupstraße als Zeugen gehört wurden, empfanden etliche Zuschauer als Provokation und Zumutung - unter ihnen auch der SPD-Landtagsabgeordnete Franz Schindler, der heute den Verhandlungsverlauf verfolgte.
Gehört wurde heute eine türkische Hausfrau, die den Anschlag am 9.Juni 2004 hautnah miterlebt hatte und die noch heute psychisch unten den Erlebnissen leidet. Im Zeugenstand waren heute auch ihre beiden erwachsenen Kinder. Ihre Tochter wäre um ein Haar vor einem Laden an der Keupstraße von den Eisennägel getroffen worden, die in der Bombe der NSU-Terroristen steckten. Ihr Bruder stand mit seinem Auto gerade an der nächsten Hausecke, als der Sprengkörper explodierte . Ihrer beider Sorge gilt der 64-jährigen Mutter. Sie davor zu bewahren an jedem Jahrestag alles noch einmal erleben zu müssen, sei ihr Ziel, sagte die Tochter heute - verbunden mit einem klaren Bekenntnis zu ihrem Heimatland: "Ich bin in Deutschland aufgewachsen und ich vertraue den deutschen Verfassungsorganen!"
Streit um Nebenklagerecht
Auch die Zeugenaussage des ebenfalls in Deutschland aufgewachsenen Bruders fiel klar aus – sorgte aber unter den über 60 Nebenklageanwälten für heftigen Gesprächsstoff. Im Grundsatz geht es um die Frage, ob eine Person, die bei dem Anschlag weder verletzt wurde noch einen dauerhaften psychischen Schaden davongetragen hat, tatsächlich ein Nebenklagerecht im Sinne der Strafprozessordnung hat. Das Gericht hatte dies zu Prozessbeginn bejaht. Jetzt allerdings beginnt eine Diskussion quer durch die Reihen der mehr als 60 Anwälte, die die Opfer des Nagelbombenattentats vertreten. Offensichtlich sind einige Anwälte, der Ansicht, die Stellung der Nebenkläger werde quasi verwässert. Dies nannte der Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann eine "sehr verstörende Debatte." Das Leid – so Hoffmann – sei nicht teilbar und auch nicht in Abstufungen zu qualifizieren.