NSU-Prozess







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Taschenlampen-Bombe Ermittlungspannen in Nürnberg

Im Jahr 1999 explodierte in einer Nürnberger Gaststätte eine Taschenlampen-Bombe. BR und SWR decken nun schwere Ermittlungsfehler auf: Verdächtigt wurde lange das Opfer, doch offenbar handelt es sich auch hier um eine Tat des NSU.

Stand: 04.10.2013 | Archiv |Bildnachweis

Die Pilsbar "Sonnenschein" in Nürnberg | Bild: picture-alliance/dpa

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth stufte den Fall zunächst als "fahrlässige Körperverletzung" ein und stellte das Verfahren nach sechsmonatigen Ermittlungen im Januar 2000 ein - obwohl das Bayerische Landeskriminalamt bei der Analyse des Sprengsatzes zur Einschätzung gekommen war, dass bei der Konstruktion der Bombe zwar Fehler gemacht, jedoch offenkundig eine besonders hohe Splitterwirkung beabsichtigt war. Die Polizei konzentrierte sich bei ihren Ermittlungen insbesondere auf das 18-jährige türkische Opfer und dessen Umfeld.

Wenig Interesse bei den Ermittlern

Bei der Rekonstruktion der Ereignisse erzählte das Opfer der Polizei, am Vorabend seien vier Gäste in der Gaststätte "Sonnenschein" im Nürnberger Stadtteil St. Peter gewesen. Drei Männer seien Türken, sagte der 18-jährige Serkan Y. der Polizei. Er kenne deren vollständige Namen jedoch nicht. Als es der Polizei nicht gelang, die Identität der drei Türken festzustellen, wurde der Fall eingestellt. Für den vierten Gast interessierte sich die Polizei offenkundig nicht. Es sei ein Deutscher gewesen, gab Serkan Y. zu Protokoll. Er sei zuvor schon einmal in der Gaststätte gewesen und habe das Lokal am Vorabend um 23:30 Uhr verlassen.

Böhnhardt und Mundlos beteiligt?

Aus heutiger Sicht spricht nach den Recherchen von SWR und BR viel dafür, dass es Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos gewesen sein könnten. Doch einen rassistischen Hintergrund der Tat zogen die Ermittler weder 1999, noch im Jahr 2000 in Betracht, als mit Enver Simsek ebenfalls in Nürnberg das erste Opfer in der "Ceska-Serie" erschossen wurde. Auch nach Entdeckung des NSU 2011 fiel der Fall "Taschenlampe" der Nürnberger Polizei nicht auf. Erst Angaben des Angeklagten Carsten S. während des "NSU-Prozesses" vor dem Oberlandesgericht München brachten den Fall zu Tage - 14 Jahre nach der Tat.

Dank neuer Untersuchungen zum Treffer

Neue kriminaltechnische Untersuchungen brachten die Ermittler jedoch nicht weiter. Nach SWR-Recherchen diente der Sprengsatz in den vergangenen Jahren der bayerischen Polizei als Schulungsobjekt. Eine DNA-Analyse brachte nur einen Treffer: Er führte zu einem Chemiker des Landeskriminalamts.

Panoptikum der Stümperei

Falsche Fährten

Von Anfang hatten die Ermittler bei der Mordserie die Möglichkeit eines rechtsterroristischen Hintergrunds völlig unterschätzt bzw. ausgeblendet - unter anderem, weil es keine Bekennerschreiben gab, obwohl bekannt ist, dass diese in der Neonazi-Szene nicht üblich sind. Stattdessen unterstellte man Kriminalität in Migrantenkreisen.

Alexander Horn, in die Ermittlungen einbezogener Fallanalytiker des Polizeipräsidiums München, war 2006 auf der richtigen Spur: Der Profiler vermutete, dass es sich um einen oder mehrere Rechtsextreme mit Zerstörungsmotiv handeln könnte, das sich gegen eine ethnische Minderheit richtet. Doch sein Ansatz wurde nicht verfolgt.

Am 9. Juni 2004 wurde in Köln-Mülheim eine Nagelbombe ferngezündet - in der vorwiegend von Türken und Kurden bewohnten Keupstraße. Bei dem Anschlag, der im November 2011 dem NSU zugeordnet werden konnte, wurden 22 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Bundesinnenminister Otto Schily schloss direkt nach der Tat einen terroristischen Hintergrund aus. Später bezeichnete der SPD-Politiker diese Einschätzung als "schwerwiegenden Irrtum".







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Artist, Samstag, 05.Oktober 2013, 07:29 Uhr

2. Strafverfolgung in Bayern

Nach den Fällen Mollath, Rupp und vielen anderen jetzt auch noch der Skandal bei den Nürnberger NSU Morden. Da fragt man sich schon wie unvoreingenommen da ermittelt wird. Erstaunlich,dass im Zusammenhang mit der Arbeit des NSU Untersuchungsausschusses der Bundesinnenminister zögert die Fakten auf den Tisch zu legen. Versagt hat er ja schon bei der NSA Affäre. Hoffentlich übernimmt bald ein fähiger Nicht CSUler das Innenministerium.
Zu hoffen, dass auch in Bayern ein vernünftiger Mann oder Frau die Zügel im Justizministerium in die Hand nimmt wag ich heut gar nicht mehr zu hoffen.

steamtrain, Freitag, 04.Oktober 2013, 10:57 Uhr

1. Bayern vs Braun

Während die Bevölkerung in Deutschland und so auch in Bayern politisch immer Bunter wird, scheint sich dieses nicht bis nach "oben" durchzusetzen. Schon beim Wiesenattentat hatte man sehr schnell einen rechten Hintergrund ausgeschlossen. Von "Oben" werden denn auch nur zu gerne Stammtischparolen unterstützt, wonach immer die "Ausländer" und die "Linken" an allem Schuld haben. Wer sich nun diesen Argumenten anschließt gehört zu den "Guten" und die machen ja nichts, auch wenn ihnen bei jedem Wort der Rassismus aus dem Mund tropft. Aber inzwischen ist man soweit, die NPD in einer Art Alibifunktion zu verbieten.