Belastende Auseinandersetzungen Der NSU-Prozess aus Sicht der Opferfamilien
Der NSU-Prozess ging Anfang der Woche in die Sommerpause. Viel wurde über den Stand des Prozesses berichtet. Vor allem ging es dabei um das Zerwürfnis zwischen der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und ihren ursprünglich drei Verteidigern. Inzwischen hat Zschäpe einen vierten Pflichtverteidiger. Der Prozess kam dadurch mehrmals ins Stocken, drohte sogar zu platzen. Für die Nebenkläger im NSU-Prozess und die Familien der Opfer war das belastend.
Die letzten Verhandlungstage vor der Sommerpause konnte Mustafa Turgut nicht besuchen. Keine Zeit, er musste arbeiten. Jeden Tag jobbt er neun Stunden in einem Imbiss in der Münchner Innenstadt. So wie einst sein Bruder in Rostock in einem Döner-Imbiss aushalf und dort auf seine Mörder traf, die ihn am frühen Morgen des 24. Februar 2004 bei der Arbeit erschossen. Mustafa war damals noch ein Kind, heute ist der Anfang Zwanzigjährige Nebenkläger im NSU-Prozess. Er ist extra aus der Türkei nach Deutschland gezogen, um den Prozess beobachten zu können.
Kindisch anmutende Auseinandersetzungen eine Farce
Doch nun dauert das Verfahren schon fast zweieinhalb Jahre. An die lange Prozessdauer musste Turgut sich erst gewöhnen - und inzwischen interessiere er sich auch kaum mehr dafür, wie er sagt. Zumal es in den letzten Wochen kaum um die Sache ging, sondern die manchmal fast kindisch anmutende Auseinandersetzung um Beate Zschäpes Verteidigung die Verhandlungstage berherrschte. Für Mustafa Turgut eine Farce.
"Ich weiß nicht wieso sie das so geregelt haben. Ich kann das wirklich überhaupt nicht nachvollziehen. Nach meiner Auffassung geht das nicht mit rechten Dingen zu."
Mustafa Turgut, Nebenkläger im NSU-Prozess
Mehr offene Fragen als zu Beginn des Verfahrens
Die Einzelheiten des Mammutverfahrens sind für einen juristischen Laien oft schwer nachzuvollziehen. Zumal - wie im Fall von Mustafa Turgut - nicht nur der Mord an seinem Bruder, sondern neun weitere Morde verhandelt werden, außerdem zwei Bombenattentate, die Bildung einer terroristischen Vereinigung und vieles mehr. Und ständig kommen für die Angehörigen neue Fragen hinzu, so Mehmet Daimagüler, der mehrere Opferfamilien als Nebenkläger vertritt.
"Wir haben zwar sehr gut darlegen können, was die Rolle von Frau Zschäpe angeht - ich glaube dass sie zurecht als Mörderin angeklagt worden ist -, aber was lokale Helfershelfer angeht, was Unterstützer angeht, was die Rolle von Verfassungsschutzbehörden angeht, ich glaube da haben wir mehr Fragen, die nicht beantwortet worden sind, und ich glaube da haben wir mehr Fragen als zu Beginn des Verfahrens."
Mehmet Daimagüler, ein Anwalt der Nebenkläger im NSU-Prozess
Das Rätsel um die Hintermänner
Auch Mehmet Turgut beschäftigt vor allem die Frage nach den Hintermännern des NSU-Terrortrios, das laut Anklage einzig aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhard und Beate Zschäpe bestand.
"Man kann sich natürlich nicht sicher sein. Sie sind für mich so etwas wie die Bauern in einem Schachspiel. So sehe ich das. Diese Leute könnten so etwas großes nie alleine und auf eigene Faust durchziehen. Das ist unmöglich! Niemand könnte so viele Menschen ermorden ohne Unterstützung im Hintergrund zu haben."
Mustafa Turgut, Nebenkläger im NSU-Prozess
"Ich glaube, dass sie nicht sehr lange mit dieser Last leben können wird"
Der Schmerz, den seine ganze Familie durch den Mord an seinem Bruder erlitten hat, sagt Mustafa Turgut, sei unbeschreiblich. So etwas wünsche er nicht mal seinen Feinden. Von Beate Zschäpe, die mutmaßlich an dem Mord beteiligt war, hat er sich an zahlreichen Prozesstagen ein eigenes Bild gemacht.
"Ich weiß nicht, natürlich will ich dass sie eine harte, wenn nicht die härteste mögliche Bestrafung bekommt. Aber was soll ich sagen, letztendlich sind das auch alles nur Menschen. Manchmal wenn ich Frau Zschäpe angeschaut habe, hatte ich den Eindruck, dass sie sehr in sich zurückgezogen ist und sehr mitgenommen wirkt. Ich glaube, das zerfrisst sie innerlich so sehr, dass sie sowieso nicht sehr lange mit dieser Last leben können wird."
Mustafa Turgut, Nebenkläger im NSU-Prozess
Beate Zschäpe hat bereits mehrfach angedeutet, etwas aussagen zu wollen. Doch auch ihr neuer vierter Pflichtverteidiger sagte, Zschäpe werde vorerst weiter schweigen. Viele Fragen der Nebenkläger werden deshalb wohl weiter unbeantwortet bleiben.