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Protest in Bremen Pierre Vogel demonstriert gegen den IS

Islamischer Staat? Nein! Der Salafisten-Prediger Pierre Vogel nennt ihn idiotischer Staat. Er versammelte heute seine Anhänger in Bremen zu einer Anti-IS-Demo. Trotz der guten Absicht bleiben Zweifel.

Von: Joseph Röhmel

Stand: 03.09.2016 | Archiv

Abgeschirmt durch seine Begleiter verlässt der salafistische Prediger Pierre Vogel am Samstag (09.07.2011) am Bahnhof Dammtor in Hamburg eine Kundgebung. | Bild: picture-alliance/dpa/Bodo Marks

"Wenn nun die Schutzmonate abgelaufen sind, dann tötet die Verräter, wo immer ihr sie findet." Die Terrormiliz IS hat es unmissverständlich in einem Video formuliert, was sie von Pierre Vogel hält. Ein Verräter sei er, jemand, den man mit einem Messer oder was auch immer abschlachten sollte.    

"Ergreift, belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf."

Auszug aus IS-Drohvideo gegen Pierre Vogel

Polizei und Verfassungschutz warnen

Pierre Vogel hat den IS gereizt. Grund sind Aussagen nach den Anschlägen von Brüssel und Paris, die Deutschlands bekanntester Salafisten-Prediger stetig wiederholt: "An alle deutschsprachigen Muslime, die mit solchen Anschlägen sympathisieren: Ich bin davon überzeugt, dass solche Anschläge Haram, also Sünde sind." Vogel spricht in seinen Videobotschaften langsam, betont jedes Wort. Er hat sich wohl gut überlegt, was er sagt.

Es gibt nicht wenige, die von solchen Aussagen Vogels überrascht sind. Ist das wirklich der radikale Salafisten-Prediger? Polizei und Verfassungsschutz warnen seit Jahren vor ihm. Vogel, ein ehemaliger Boxer aus Frechen bei Köln, war Anfang 20, als er im Jahr 2001 zum Islam konvertierte. Seitdem hat er sich zu einem der bekanntesten Salafisten in Deutschland entwickelt. Viele sind seinem Beispiel gefolgt und ebenfalls konvertiert.

Der Prediger lehnt Demokratie ab, will einen weltweiten Gottesstaat. Ziele also, die gar nicht so weit vom IS entfernt sind. Warum will ihn die Terrormiliz trotzdem hinrichten, wie es im Propagandavideo formuliert wird? Vogel provoziert den IS, spricht vom idiotischen Staat.

150 Anhänger kamen zur Demo

Pierre Vogel war schon 2014 in Bremen. Im Hintergrund sein Freund Sven Lau.

In Bremen versammelte er heute seine Anhänger zu einer Anti-IS-Demo. Rund 150 Vogel-Anhänger waren am Hauptbahnhof. Zu Ausschreitungen kam es nicht.

"Bremen ist auch bekannt, dass dort viele Leute zum IS nach Syrien gereist sind. Es ist eine Salafisten-Hochburg", sagt Heiner Vogel, Politikwissenschaftler aus Freiburg. Als Verfasser des Fachblogs Erasmus Monitor beobachtet er schon länger die Salafisten-Szene in Deutschland.

Pierre Vogels heftiger Streit mit einem "Kollegen"

Die Konflikte werden vor allem im Internet ausgetragen - ein Krieg mit Hilfe von Youtube, Facebook und Messengerdiensten wie Telegram. Dort wird zur Tötung Pierre Vogels aufgefordert . Und der IS muss es nicht einmal selbst tun. Andere übernehmen das – IS-Anhänger verbreiten auf Chatkanälen ihre Hassbotschaften:

"Möge Allah diesen dreckigen Kreuzritter Pierre Vogel töten und die Gemeinschaft der Muslime vor diesem Hund schützen."

Hassbotschaft gegen Pierre Vogel

Solche Nachrichten verschicken unter anderem Anhänger von Abu Walaa, einem Prediger, der bis vor kurzem noch in einer Moschee im niedersächsischen Hildesheim aktiv war. Inzwischen hat Walaa offenbar erklärt, er verzichte künftig auf Auftritte in der Moschee – und das hat wohl seine Gründe. Der Generalbundesanwalt ermittelt im Umfeld des Predigers, der aus dem Irak stammt, aber schon seit Jahren in Deutschland lebt. Kürzlich wurde in der Hildesheimer Moschee eine Razzia durchgeführt.

Walaa soll Kämpfer für den IS rekrutiert haben. Auch Salafisten aus Bayern haben laut bayerischem Verfassungsschutz schon Vorträge besucht. Walaa ist gefährlich. Er hetzt gegen Pierre Vogel, beschimpft ihn als Verräter. Der habe eine Mitschuld an der Razzia in der Hildesheimer Moschee: "Er hat mehrere Videos gemacht liebe Geschwister, wo er mich und die Hildesheimer Moschee direkt mit dem Islamischen Staat in Verbindung bringt", wettert Walaa in einem der Videos, vollgepackt mit Spezialeffekten.       

In der Tat bringt Pierre Vogel den "Kollegen" Abu Walaa mit der Terrormiliz in Verbindung. Zwar könnte man meinen, dass es sich bei Vogel unter den Internetpredigern um die Lightversion handelt, weil er nicht zum Dschihad aufruft. Aber auch ihn sollte man nicht unterschätzen. Vogel ist eine Art Einstiegsdroge in den Salafismus, gilt in Sicherheitskreisen als "geistiger Brandstifter". 

Der Fall Safia S.

Wer mit der ultrakonservativen Strömung Salafismus in Berührung kommt, kennt den Konvertiten und seine Videos. Auch so mancher IS-Anhänger hat Pierre Vogels Lehren früher gern auf Facebook gepostet. Der Prediger verstrickt sich ganz offensichtlich in Widersprüche.

Zum Beispiel gibt es Videos, die Vogel vor ein paar Jahren mit einem damals noch kleinen Mädchen zeigen, wie er mit ihr über den Islam spricht. Das Mädchen heißt Safia S. Sie war 15 Jahre alt, als sie im Februar dieses Jahres am Hauptbahnhof in Hannover einen Polizisten mit einem Messer angegriffen haben soll. Sie ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Laut Generalbundesanwaltschaft sympathisierte Safia S. zudem seit November 2015 mit dem sogenannten Islamischen Staat und wollte sich in Syrien der Terrormiliz anschließen.

Der beste Freund

Pierre Vogel ebnet den Weg manch eines Salafisten nach Syrien. Den IS lehnt er zwar ab. Aber: Sein bester Kumpel Sven Lau steht ab Dienstag in Düsseldorf vor Gericht. Lau soll einem Flügel der Terrororganisation Dschaisch al-Muhadschirin wal-Ansar (Jamwa) geholfen haben, der sich dem sogenannten "Islamischen Staat" angedient hatte. Fotos sollen Lau im Bürgerkriegsgebiet in Splitterschutzweste bei jener Organisation zeigen.  

Mit Hochglanzvideos lockt der IS – mit Versprechen auf Kameradschaft und der Aussicht auf Jungfrauen im Paradies nach dem Märtyrertod. Mit dieser Ideologie verpackt in Spezialeffekten will Pierre Vogel nichts zu tun haben. Er will zwar einen Gottesstaat, aber dieses Ziel ohne Gewalt erreichen. Vogel - ein Mann der Widersprüche. Viele seiner alten Anhänger und Weggefährten fühlen sich verstoßen und verraten. Haben sie doch eigentlich gemeinsame Ziele, sagt der Freiburger Politikwissenschaftler Heiner Vogel.

"Das Ziel der Salafisten ist die Errichtung eines islamischen Staates auf Grundlage der Scharia. Und diese Leute, die sich auf Pierre Vogel berufen haben, und dann nach Syrien gereist sind, standen plötzlich ratlos da, weil sie sich Gruppen angeschlossen haben, die dafür gekämpft haben, aber plötzlich von Pierre Vogel als unislamisch bezeichnet wurden."

Heiner Vogel, Freiburger Politikwissenschaftler

Aus Sicht von Heiner Vogel "reicht es nicht, wenn er sich permanent vom Terror distanziert, wenn viele ehemalige Jünger als auch Leute, die in seinem unmittelbaren Umfeld standen, in Syrien für Angst und Schrecken sorgen". Eine Lösung für den Streit scheint nicht in Sicht, eher eine Verschärfung.


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Kommentieren

Matze, Montag, 05.September 2016, 21:33 Uhr

18. Pierre Verdeckter ermittler

Pierre Vogel ist ein V-Man

R.B., Sonntag, 04.September 2016, 12:34 Uhr

17. Salafistenprediger

Weshalb gibt man diesem "Wolf im Schafspelz" auch noch eine Meldung im BR? Für mich ist er ein Beispiel jener Menschen die in ihrer Jugend anscheinend zu wenig Beachtung erhielten und sich dann radikalisieren um diese Beachtung zu erhalten. Und Dank Facebook, Twitter, Youtube und anderen (a-)sozialen Medien funktioniert es leider auch. Wer anstatt der freiheitlichen Grundordnung, unserer Verfassung und unserer Art zu Leben die Sharia bevorzugt, sollte sich bitteschön nach einem Land seiner Gesinnung umsehen. Im übrigen Frage ich mich , weshalb er dann so Inkonsequent ist und die deutsche Staatsbürgerschaft gegen die arabische einzutauschen. Er hat ja die Wahl und in Saudi Arabien und/oder Qatar werden sie sicher froh sein, über so einen eifrigen Mitstreiter.

Heinz Hertlein, Sonntag, 04.September 2016, 00:35 Uhr

16. Nicht jeder Islamist ist ein Terrorist

Die Behauptung "Der Prediger verstrickt sich ganz offensichtlich in Widersprüche" ist nicht richtig. Pierre Vogel ist selbstverständlich kein Anhänger des IS, allerdings hat er ein Demokratieverständnis, das nicht auf rechtsstaatlichen Prinzipien basiert, sondern auf einer Art Mehrheitsdiktatur. In einer Gesellschaft, in der "sein" Islam mehrheitsfähig wäre, wären die Muslime verpflichtet dafür zu sorgen, dass eine fundamentalistische Sharia auch weltliches Gesetz würde. Da "sein" Islam in Deutschland aber nicht mehrheitsfähig ist, sondern "sein" Islam eine Minderheitenmeinung darstellt, interpretiert er die in Deutschland gültigen Gesetze, als einen Vertrag, der mit der islamischen Minderheit abgeschlossen wurde. Deutschland ist für ihn ein sogenanntes Gebiet des Vertrages (D?r-al-ahd).

Pierre Vogel hält sich an die in Deutschland gültigen Gesetze, aber nicht aus Überzeugung, sondern weil ihn der Islam dazu verpflichtet, sich im D?r-al-ahd an die Gesetze der Kafir zu halten.

David Darling, Sonntag, 04.September 2016, 00:34 Uhr

15. Pierre Vogel

ich wurde kein Wort von Ihn vertrauen. Wahrscheinlich a Trick! Vielleicht will er Bundeskanzler werden. (Witz) Alle Salafisten sind nicht zu vertrauen. Die sind alle ein Gefahr fuer ganz Deutschland und Europa!!!

Wanda, Sonntag, 04.September 2016, 00:22 Uhr

14. hirnrissig...

Wie können unsere Öffentlich-Rechtlichen nur solchen Idioten (ob Salafisten wie Pierre Vogel oder dem IS) noch eine mediale Plattform bieten ?