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Interview mit Mathias Rohe Islamwissenschafler über Grenzen muslimischer Seelsorge

Die muslimische Seelsorge im Gefängnis steckt noch in den Kinderschuhen, sagt Islamwissenschaftler Professor Mathias Rohe von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Wie kann die Situation aus seiner Sicht verbessert werden?

Stand: 23.11.2016 | Archiv

Mathias Rohe | Bild: pa/dpa/Michael Kappeler

BR: Sie haben sich die Antwort auf die Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Georg Rosenthal zur Situation der Muslime in Haft angeschaut. Wie ist Ihr Eindruck?

Rohe: Wichtig ist schon einmal, dass man sich der Problematik sehr bewusst ist, dass es Dinge geben kann wie Radikalisierung in Justizvollzugsanstalten. Und dass ganz allgemein für die muslimischen Insassen eine adäquate Seelsorgeversorgung notwendig ist. Wir reden ja von einem Anteil von rund 15 Prozent in den Justizvollzugsanstalten. Wir stehen noch ziemlich am Anfang mit so spezifischen Projekten, aber das ist bundesweit so. Es fehlt noch an ein paar Punkten.

Es fehlt beispielsweise am qualifizierten Personal. Es fehlt an Leuten, die die entsprechenden sprachlichen Kompetenzen haben.

Und wir haben noch nicht die Rahmenbedingungen, die spezielle Zugangsmöglichkeiten erlauben. Beispielsweise ist es in manchen Justizvollzugsanstalten so, dass der Imam, der dort Seelsorge betreibt, nur hinein kann, wenn ihn sein christlicher Kollege mitnimmt. Das heißt, wenn der christliche Kollege Urlaub hat, dann gibt es keine muslimische Seelsorge. Das ist natürlich wenig befriedigend auf die Dauer.

BR: Manche Anstalten haben ja keine eigenen Seelsorger.

Rohe: Ich habe gerade eine Masterarbeit auf dem Tisch liegen, die sich mit der muslimischen Seelsorge in bayerischen Gefängnissen befasst. Es läuft  zum Teil noch sehr improvisiert. Und man muss sagen, dass in manchen Justizvollzugsanstalten nur jemand zum Beten kommt. Das ist religiöse Grundversorgung. Aber das ersetzt natürlich noch nicht das seelsorgerische Gespräch, das oft noch wichtig ist.

Diejenigen, die diese muslimische Seelsorge betreiben, haben zum Teil nur wenige Stunden. Sie versorgen mehrere Anstalten gleichzeitig. Das ist definitiv zu wenig, um den Gesamtbedarf zu decken.

Manchen Häftlingen reicht auch der christliche Seelsorger. Aber muss auch dazu sagen, in manchen Anstalten gäbe es sicherlich einen größeren Bedarf. Nur es gibt nicht die Leute, die in derzeit decken können.

Die meisten machen das ja ehrenamtlich. Das ist ja eines der Hauptprobleme, dass wir in keinster Weise vergleichbare Verhältnisse mit den großen christlichen Kirchen haben. Wo Leute Stellen haben, die dann auch entsprechend bezahlt werden und ausgestattet sind. Daran fehlt es hinten und vorne.

BR: Gibt es zu wenig Gefängnis-Seelsorger, wird die Radikalisierung in Haft nicht gestoppt. Für Sie nachvollziehbar?

Rohe: Wenn man das als Apell nimmt, bitte dafür zu sorgen, dass in allen Anstalten ein adäquates Angebot bereitgestellt wird, dann ist das nachvollziehbar. Es ist in der Tat notwendig – als Radikalisierungsprävention und auch für die Grundversorgung. Da gibt es fließende Übergänge. Das sind Menschen in Grenzsituationen. Und wir wissen, dass in der einen oder anderen Anstalt auch Menschen einsitzen, die bereits radikalisiert sind.

Die sitzen da Tag und Nacht. Wir wissen, nicht aus Bayern, aber aus anderen Bundesländern, dass da solche Leute ein hohes Ansehen genießen. Das sind die harten Jungs, die haben schon gezeigt, dass sie zuschlagen können. Dieser Resonanz muss man etwas entgegensetzen, um auch zu verhindern, dass die Probleme größer werden.

Was es schon gibt, sind Ritualangelegenheiten, also gemeinsames Gebet und ähnliche Dinge. Das eigentliche seelsorgerische Gespräch steckt noch in den Kinderschuhen. Gerade bei Leuten, die vielleicht radikalisiert worden sind, wäre es schon wichtig, dass sie mit Leuten reden, die auch theologisch argumentieren können. Da stehen wir noch am Anfang. 

BR: Es gibt auch die Forderung, dass man sich von der türkischen DITIB lösen sollte. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag? Er erscheint ja nicht ganz unberechtigt, weil es zwischen türkischem Staat und Verband enge Verbindungen gibt: 

Rohe: Es ist nicht wirklich neu, dass es diese engen Verbindungen gibt. Das hat keine Regierung daran gehindert, in geeigneten Fällen mit DITIB zusammenzuarbeiten. Ich denke, das sollte der Maßstab sein.

Die Leute von DITIB, die in Bayern tätig sind, machen ihre Arbeit anscheinend zur Zufriedenheit. Aber sie erreichen nicht alle. Zum Teil beherrschen die DITIB-Imame die deutsche Sprache nicht. Zudem beherrschen türkische Häftlinge häufig nicht mehr die türkische Sprache.

Auch das muslimische Spektrum ist ja breit gefächert. Deswegen wäre es sicherlich sinnvoll, das Spektrum zu erweitern.

BR: Gibt es denn Projekte, die das Spektrum erweitern?

Rohe: Wir haben in Augsburg ein sehr vielversprechendes Projekt Musa, dessen Betreiberinnen und Betreiber schon gute Anfangsarbeit geleistet haben, die dann auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbilden. Sie sagen aber auch, dass man von Augsburg aus nicht einen so großen Flächenstaat wie Bayern abdecken kann. Da würde es sich wirklich lohnen zu überlegen, wie man solche guten Projekte in anderen Teilen Bayerns so etabliert, dass man den gesamten Freistaat abdecken kann.

BR: Gibt es den mehrere solche Projekte?

Rohe: Nicht sehr viele. Es gibt noch gute Ansätze in Ingolstadt beispielsweise. Dieses Augsburger Projekt Musa hat ja auch schon gelernt von einem Vorläuferprojekt in Wiesbaden.


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