Wegen Dieselaffäre Dicke Luft auf der Hauptversammlung
Schick und edel hat sich Volkswagen heute auf seiner Hauptversammlung präsentiert. Doch der Frust der Aktionäre sitzt wegen der Abgasaffäre tief. Zum Auftakt der Hauptversammlung entschuldigte sich Aufsichtsratschef Pötsch bei den Anteilseignern für den Skandal.
Klaus Nieding, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz VW, muss aufhören mit der Wagenburgmentalität, muss sich öffnen. Spätestens seitdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen hat auf Hinweis der Bafin gibt es sehr drängende Fragen, denen sich der Vorstand heute hier stellen muss.
Bitte um Vertrauen
Dass bei den rund 3.000 Aktionären auf der Hauptversammlung dicke Luft herrschte, war nicht zu übersehen. Keine Entlastung für Umweltverbrecher. Die Aktionäre sind wegen der Diesel-Abgasaffäre frustriert.
Doch der Wunsch vieler Kleinanleger Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten dürfte ins Leere gehen. Denn knapp 90 Prozent der Stimmrechte entfallen auf Großaktionäre wie das Land Niedersachsen oder die Gründerfamilien Porsche und Piech. Und die sind eng mit dem Unternehmen verbunden und stehen hinter der Führungsspitze. VW-Chef Matthias Müller entschuldigte sich für die Affäre und bat darum dem Konzern das Vertrauen zu schenken.
"Kein Geschäft dieser Welt ist es wert gegen geltendes Recht zu verstoßen. Verstöße gegen diesen Grundsatz werde wir nicht tolerieren."
Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender Volkswagen
Harter Gegenwind
Vorstand und Aufsichtsrat von Volkswagen müssen sich bei der Hauptversammlung in Hannover erwartungsgemäß heftige Kritik anhören. Dem amtierenden Aufsichtsratschef und ehemaligen VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch schlug von Anfang an harter Gegenwind entgegen. Noch vor Beginn der Aussprache der Aktionäre wurden Forderungen laut, Pötsch sowohl die Leitung der Versammlung als auch dessen Platz im obersten Kontrollgremium zu entziehen.
"Der Bock soll hier unseren Garten pflegen."
VW-Aktionär Manfred Klein auf der Hauptversammlung
Ex-Finanzchef soll jetzt die Affäre aufklären
Pötsch habe als ehemaliger Vorstand eine Mitverantwortung an der Krise und sei ungeeignet, nun dessen Aufklärung voranzutreiben. Die Kritiker bemängelten zudem, dass Pötsch unmittelbar vom Vorstand in den Aufsichtsrat gewechselt ist. Von diesem - früher üblichen - Verfahren sind seit einiger Zeit die meisten großen Unternehmen abgerückt. Inzwischen ist eine sogenannte "Abkühlungsphase" von ein bis zwei Jahren Standard.
Großaktionäre stützen Aufsichtsrat
Pötsch war im vergangenen Oktober zunächst per Gericht in das Gremium berufen worden. Seine Wahl soll an diesem Mittwoch nachträglich erfolgen. Allzu große Sorgen muss er sich um seinen Wahl wohl nicht machen: Der Antrag zur Abwahl von Pötsch als Versammlungsleiter bekam nun 0,02 Prozent der Stimmen - das entspricht einem Anteil von knapp 50.000 Stammaktien. Gestützt wurde Pötsch mit den Stimmen von über 270 Millionen Stammaktien - den Großaktionären.
Protest vor dem Versammlungsort
Vor dem Veranstaltungsort auf dem Messegelände hatten sich am Morgen zwei Dutzend Demonstranten versammelt. Auf einem Transparent stand: "Keine Entlastung für Umweltverbrecher! Die Verantwortlichen und Profiteure sollen zahlen." Vor dem Betreten der Halle müssen die Aktionäre erst eine Sicherheitskontrolle über sich ergehen lassen. Rund 3.000 Kleinaktionäre werden erwartet.
Viele von ihnen melden auch ihren Redewunsch an. 40 werden zugelassen, ihre Sprechzeit auf fünf Minuten beschränkt. Was wieder für Ärger sorgt. Doch es bleibt bei der Zeitbeschränkung. Der Vertreter des Pensionsfonds Hermes, Hans-Christoph Hirt, plädiert dafür, Aufsichtsrat und Vorstand die Entlastung wegen der noch laufenden Untersuchungen der Dieselaffäre zu verweigern.
"Das ist ein klares Signal an den Aufsichtsrat, dass weitere Veränderungen der Unternehmensführung notwendig sind."
Fondsvertreter Hans-Christoph Hirt
Der Fonds unterstützt den Antrag der Deutschen Schutzverreinigung für Wertpapierbesitz, einen unabhängigen Sonderprüfer einzusetzen. Der neue Aufsichtsratschef Pötsch könne nicht unabhängig sein, weil er als ehemaliger VW-Finanzvorstand potenziell hafte und damit ein Interessenkonflikt bei der Aufklärung des Skandals bestehe.
Kritik an Bonuszahlungen für den Vorstand
Hans Dieter Pötsch verteidigt die umstrittenen Bonuszahlungen an das Management. Der negative Einfluss der Dieselaffäre habe sich in den Vergütungen niedergeschlagen: Die Vorstände bekämen 57 Prozent weniger als im Vorjahr. "Mir ist bekannt, dass einige von Ihnen diesen Beitrag der Vorstandsmitglieder für nicht hinreichend halten", sagt Pötsch. Davon bekommt er zwar Applaus - aber zufrieden sind vor allem die Kleinaktionäre mit dieser Bonusreduzierung nicht.
Immerhin kündigt Pötsch an, dass der Aufsichtsrat "ohne Ansehen der Person" Schadensersatzansprüche gegen ehemalige und amtierende Vorstandsmitglieder prüfen will. Trotzdem bleibt es bei dem Vorschlag, beiden Gremien die Entlastung zu erteilen. Juristen zufolge gebe es trotz der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Marktmanipulation keine schwere Pflichtverletzung der Führungskräfte, die dagegen spräche, so Pötsch.
Neue Strategie
Derweil kommt VW beim Aufarbeiten der Dieselaffäre voran. Das Kraftfahrtbundesamt hat grünes Licht für das Nachrüsten von einer Million Dieselautos gegeben. Vertrauen will das Unternehmen auch mit seiner neuen Zukunftsstrategie aufbauen. Bis 2025 möchte VW einen zweistelligen Milliardenbetrag investieren, unter anderem in die Entwicklung von Elektroautos und dazu passenden Batterien. Ob das den Konzern wieder auf Kurs bringt und die Aktionäre glücklich macht, bleibt abzuwarten.