Bayerischer Kabarettpreis Hauptpreis für Helmut Schleich
In diesem Jahr verleiht der Bayerische Rundfunk gemeinsam mit dem Münchner Lustspielhaus zum 17. Mal den "Bayerischen Kabarettpreis". Mit dem Hauptpreis wird Helmut Schleich geehrt, mit dem Ehrenpreis Lisa Fitz, den Musikpreis erhält das Duo Pigor & Eichhorn und den Senkrechstarterpreis Abdelkarim. Die Aufzeichnung der Preisverleihung findet am Montag, 20. Juli 2015, im Münchner Lustspielhaus statt und wird am Freitag, 24. Juli 2015, im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt. Luise Kinseher führt als Moderatorin durch den Abend.
Senkrechtstarter-Preis: Abdelkarim
Laudator: Claus von Wagner, Kabarettist und Moderator der ZDF-Kabarett-Sendung „Die Anstalt“, wurde 2007 selbst mit dem Bayerischen Kabarettpreis in der Kategorie Senkrechtstarter ausgezeichnet. Neben seiner Solokarriere bildet von Wagner mit Mathias Tretter und Phillip Weber das „Erste Deutsche Zwangsensemble“.
Jurybegründung: "Gesellschaftliche Ängste und Tabus auf den Punkt bringen - das ist die Devise von Abdelkarim. Dabei verliert er sich nicht in gängigen Klischees, sondern trifft mit seinen Pointen den Kern unserer multikulturellen Gesellschaft. Sein Blick auf die Welt offenbart die Massenperspektive und gleichzeitig die Sicht des Außenseiters. In seinem Solo-Programm ‚Zwischen Ghetto und Germanen' präsentiert der deutsch-marokkanische Bielefelder nicht nur die Lebenswirklichkeit der gefürchteten Parallelgesellschaften, sondern auch deren Humor. Das bunte Publikum in seiner Sendung ‚StandUpMigranten' weiß dies zu schätzen. Abdelkarim beschreibt meist eigenwillige Figuren und schöpft dabei aus der ganzen Bandbreite der Emotionen: Furcht und Verständnis liegen bei ihm immer ganz nah beieinander, so dass dem Zuschauer das ausgelassene Lachen schon im nächsten Moment im Halse stecken bleibt. Der Sprung vom Gemeinplatz zur individuellen Lebenserfahrung gelingt ihm mit erstaunlicher Leichtigkeit, oft bereits mit einem Halbsatz. Abdelkarims Stimme öffnet und bereichert die deutsche Kabarett-Landschaft!"
"Ein in Bielefeld geborener Marokkaner bekommt den Bayerischen Kabarettpreis. Das ist eine Ansage, die erst noch verarbeitet werden muss. Auch von mir. Als ich gehört habe, welche Kabarettisten die letzten Jahre Preisträger waren und dieses Jahr sind, war mir sofort klar, dass das hier irgendwas Wertvolles sein muss. Daher werfe ich ein großes und wertvolles ‚Danke‘ in den Raum. Ich freue mich sehr über diese tolle Auszeichnung. Der Preis bekommt einen Ehrenplatz auf meinem Röhrenfernseher."
Abdelkarim
Musikpreis: Pigor & Eichhorn
Laudator: Jürgen Trittin (Bundestagsabgeordneter) ist bekennender Kleinkunst- und Theaterfreund. Als langjähriger Fan von Pigor & Eichhorn besucht er immer wieder ihre Auftritte rund um Berlin.
Jurybegründung: "Als sich Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn 1995 aufmachten, die Kabarettbühnen musikalisch zu erobern, vereinten sich zwei Genies zu einem Duo, das süchtig macht. Heute, 20 Jahre und acht gemeinsame Programme später, begeistern sie noch immer mit musikalischer Genialität und bitterbösen satirischen Texten. An ‚Pigor singt, Benedikt Eichhorn muss begleiten', wie das Ensemble im Original heißt, kommt der Kabarettfan nicht vorbei.
Wenn Thomas Pigor sein rollendes R in die Mikrofone presst, nebenbei Benedikt Eichhorn am Klavier beleidigt und mit stoischer Miene Gedanken von Heidegger oder die Wartezeiten an der Wursttheke besingt, wenn sich die beiden Herren auf der Bühne bekriegen, sich mit- und aneinander messen, um dabei immer wieder Benedikt Eichhorn verlieren zu lassen, dann liegt ihnen das Publikum zu Füßen.
Mit dem Sexappeal einer spätpubertären Boygroup marschieren sie mit beeindruckender Eleganz durch alle Genres der Musik und verstehen es dabei, präzise und pointiert bösartige Sätze auf liebliche Melodien zu texten, um den Zuschauer und Hörer gekonnt vor den Kopf zu stoßen. Thomas Pigor, der Prinzregent des Chansons, und Benedikt Eichhorn, der Manuel Andrack des Klavierspiels - in der Summe: das Duo furioso des Musikkabaretts."
"Bayern ist, was das Kabarettgewerbe betrifft, ein unabhängiges, sich selbst versorgendes Land mit ganz eigenen handwerklichen Traditionen und Gesetzmäßigkeiten. Hier funktionieren Witze, die sonst nirgendwo funktionieren und umgekehrt.
Vor vielen Jahren habe ich, mit wenig mehr als einem rollenden R im Gepäck, dem heimatlichen Sendegebiet den Rücken gekehrt, um in der Fremde mein Glück zu suchen. Dass ich jetzt einen halben Bayerischen bekomme bedeutet mir enorm viel, sagt es mir doch, dass Mutter Bavaria (also Luise Kinseher) ihre verlorenen Söhne nicht aus den Augen verliert und ich trotz meiner unüberlegten Flucht teilhaben darf am großen Projekt des bayerischen Kabaretts des dritten Jahrtausends.
Warum der westfälische Pianist Benedikt Eichhorn die andere Hälfte meines BKP kriegt, ist mir allerdings unerklärlich."
Pigor
Hauptpreis: Helmut Schleich
Laudator: Andreas Rüttenauer, Journalist, Buchautor und Chefredakteur der Tageszeitung „taz“ war bis 1997 neben Helmut Schleich und Christian Springer das dritte Mitglied des Kleinkunstensembles „Kabarett Fernrohr“ und ist mit Helmut Schleich bis heute auch privat eng verbunden.
Jurybegründung: "Der Münchner Kabarettist Helmut Schleich ist eine der markantesten Größen der deutschsprachigen Kabarett-Landschaft. Seit über 30 Jahren kreiert er lebensechte, legendäre Bühnenfiguren wie den asthmatischen Stammtischbruder Heinzi (aus dem Bayern1-Duo ‚Heinzi & Kurti'), den Alt-Künstler mit Attitüde Heinrich von Horchen oder den verschwörerischen Kult-Reporter Hapflinger Sepp aus der Sendung ‚SchleichFernsehen'.
Aber auch echte Personen sind vor seiner Verwandlungskunst nicht sicher: Er parodiert meisterhaft u. a. Bundespräsident Joachim Gauck, den emeritierten Papst Benedikt XVI., Uli Hoeneß, Angela Merkel oder Franz Josef Strauß, dessen Darstellung mittlerweile Kultstatus genießt.
Mit seinem Typenkabarett ergründet Helmut Schleich die bayerische Volksseele, mit seinen Parodien gewährt er phantastische Einblicke in den Mythos der Mächtigen, entlarvt große Worte als kleinbürgerliche Haltung und versteht es immer wieder zu überraschen: Sein Franz Josef Strauß outet sich im aktuellen Bühnenprogramm bitterböse und posthum als bayerischer Maulheld und das großspurige ‚Mia san mia' als lautes Pfeifen im Walde. Große Leichtigkeit, brillante Spielfreude und eine faszinierende Verwandlungsfähigkeit zeichnen Helmut Schleichs Kunst aus. Ob mit intelligenten Pointen oder groteskem Unfug - immer verdreht, schräg und anarchisch gelingt es ihm treffsicher kraftvoll-komische Bilder zu zeichnen."
"Juristisch betrachtet handelt es sich um einen Präzedenzfall: 16 Jahre nach dem Förderpreis ‚Senkrechtstarter‘ erkennt mir die Jury des Bayerischen Kabarettpreises den Hauptpreis zu und zeichnet damit erstmalig einen Künstler zum zweiten Mal aus. Das ist doch aller Ehren wert!
Hochgerechnet darf ich vermutlich ab 2031 damit rechnen, eventuell als ‚Ehrenpreisträger‘ erneut zum Präzedenzfall zu werden: Als erster Kabarettkollege, der alle drei Preise bekommen hat. Die Tatsache, dass man mir heuer – trotz mittlerweile 31 Berufsjahren – noch nicht den Preis für das Lebenswerk gegeben hat, sondern den Hauptpreis, deute ich als eine mit der Auszeichnung verbundene Hoffnung, dass ich mein Lebenswerk noch möglichst lange fortsetzen werde und mich nicht darauf zurückziehe. Als tapferem Satire-Arbeiter im Kabarett-Theater des Herrn ist mir der außerordentliche Wert von Orden und Ehrenzeichen in jeder Form durchaus bewusst und daher freue ich mich – im Rahmen meiner Möglichkeiten – sehr."
Helmut Schleich
Ehrenpreis: Lisa Fitz
Laudator: Alfred Dorfer, österreichischer Kabarettist und Schauspieler, ist ebenfalls Träger des „Bayerischen Kabarettpreises“. Der promovierte Theaterwissenschaftler hat Lisa Fitz´ herausragende Kabarett-Karriere seit jeher verfolgt und ist ein großer Bewunderer ihres Lebenswerkes.
Jurybegründung: "Diese Frau hat Kabarett-Geschichte geschrieben: Als Spross der berühmten Künstlerdynastie Fitz startete Lisa Fitz ihre Karriere als Schauspielerin und Moderatorin der ‚Bayerischen Hitparade', damals in den 70ern noch resch im Dirndl. Doch bald schon bewegte sie sich mit satirischen Liedtexten in die Richtung, die ihr vorherbestimmt schien. 1983 stand sie mit ihrem ersten Kabarettprogramm auf der Bühne - als erste Frau in Deutschland mit eigenen Texten.
Sie polarisierte mit Titeln wie ‚Die heilige Hur', ‚Heil' oder ‚Ladyboss', sie provozierte das Establishment mit ihrem offensiven, manchmal aggressiven Auftreten und Eintreten für Themen, die ihr wichtig waren und bis heute sind: u. a. Glaube, Emanzipation und Altern. So wurde sie zum Inbegriff selbstbewusster und intelligenter Weiblichkeit.
Dem Risiko, Widerstand zu erregen und anzuecken, setzt sie sich stets aufs Neue aus - bewusst und streitbar zeigt sie ihre Lust, sich auseinanderzusetzen. Ihre Gesellschaftsanalyse ist mal historisch und mal aktuell, mal bitter und mal leicht, mal derb und mal poetisch, aber immer politisch - und immer getragen von tiefer Überzeugung. Ihr aktuelles Programm (in dem sie augenzwinkernd zum Dirndl zurückkehrt) heißt ‚Mut' - und dieser Titel ist Programm für ihr gesamtes Schaffen: Lisa Fitz macht Mut zum Selber-Denken und dazu, für die daraus gewonnene Haltung einzutreten."
"Der Kabarett-Ehrenpreis für mein Lebenswerk… wow! Das macht mich zwar gleich zehn Jahre älter, aber es ist so zeitlos wertvoll wie ein riesiger Sack voller Goldmünzen. Mein Leben und mein Lebenswerk wären nicht denkbar ohne den Bayerischen Rundfunk. Seit meinem 15. Lebensjahr hat mich der BR viele Jahrzehnte durch alle Auf und Abs meines künstlerischen Lebens begleitet, in guten und in schlechten Tagen. Aber wenn man ihn braucht, ist er da. Tiefe Dankbarkeit, stille, demütige und sehr große Freude!"
Lisa Fitz
"Es ist dem Bayerischen Rundfunk seit vielen Jahren ein Anliegen, das Kabarett zu fördern und Größen dieser Zunft auszuzeichnen. Es freut mich besonders, dass wir dieses Jahr fünf Künstler ehren können, die auf ganz besondere Art die große Bandbreite an kabarettistischen Herangehensweisen verdeutlichen: Lisa Fitz, Helmut Schleich, Pigor & Eichhorn und Abdelkarim sind sowohl unterhaltsam als auch gesellschaftlich bedeutsam. Ob mit schrägen Bühnenfiguren, einzigartigen Parodien, unerwarteten Blinkwinkeln, großer Musikalität und Haltung - sie alle nehmen Politisches, Alltägliches und Spektakuläres gleichermaßen ins Visier und setzen sich so auf unvergleichliche Art mit Realität und Missständen unserer Zeit auseinander."
Annette Siebenbürger, Leitung Programmbereich Bayern und Unterhaltung