report MÜNCHEN NATO-Übungen sollen Flugverkehr gefährdet haben
Nach Recherchen des ARD-Politmagazins report MÜNCHEN gibt es deutliche Hinweise, dass die NATO durch elektronische Waffen-Übungen die Flugsicherheit in Europa gefährdet. Störsignale legten zeitweise das Sekundärradar lahm – Fluglotsen in bis zu fünf europäischen Ländern konnten wichtige Angaben nicht abrufen.
Eine Recherche des ARD-Politikmagazins report MÜNCHEN hat neue Indizien ergeben, dass die NATO durch militärische Übungen die Flugsicherheit in Deutschland, Österreich und weiteren europäischen Ländern gefährdet hat. Am 5. Juni und am 10. Juni dieses Jahres fiel in bis zu fünf europäischen Ländern stellenweise das sogenannte Sekundärradar zeitweise aus – Informationen wie Höhe, Geschwindigkeit und Flugrichtung verschwanden von den Bildschirmen der Flugsicherungen. Allein in Deutschland waren am 5. Juni davon 17 Flugzeuge, am 10. Juni sogar 37 Flugzeuge betroffen. Die Störungen traten im Bereich der Flugsicherungen München und Karlsruhe auf.
Einer internen Prüfung der Deutschen Flugsicherung DFS zufolge arbeiteten die Sekundärradar-Stationen der Flugsicherungen ordnungsgemäß. Die Transpondersignale, die von den Flugzeugen gesendet werden, waren dagegen gestört.
Auf eine Anfrage von report MÜNCHEN kommt die europäische Flugsicherungsbehörde Eurocontrol, die die Vorfälle untersucht, zu dem Schluss, dass die Beeinträchtigung der Radarsignale "durch eine militärische Übung (beispielsweise elektronische Störung)" ausgelöst worden sein könnte. Deshalb habe Eurocontrol "die NATO kontaktiert", von dort aber noch "keine verlässliche Information erhalten". Die alternative Erklärung, dass das Sekundärradar durch ein Wetterphänomen gestört wurde, schließt Eurocontrol in seiner Antwort an report MÜNCHEN dezidiert aus.
Die NATO räumt gegenüber report MÜNCHEN ein, dass sie am 5. Juni eine Übung in Ungarn und am 10. Juni eine Übung in Italien durchgeführt hat, bei der "das Stören von Frequenzen" geübt wurde. Sie hält es aber für unwahrscheinlich, dass dadurch die zivile Flugsicherung gestört wurde.
Während die Deutsche Flugsicherung und andere betroffene Flugsicherungen zu einem Interview nicht bereit waren, betonte Mathias Burtscher, Leiter des Standorts der Schweizer Flugsicherung in Zürich, dass eine Störung des Sekundärradars ein "erhöhtes Risiko" mit sich bringe. "Ohne die Kennung, die Flugfläche etc. dieselbe Arbeit fortzuführen, ist eigentlich unmöglich", sagte er.
Markus Wahl, Sprecher der Pilotengewerkschaft Cockpit, kritisiert die NATO-Übungen deutlich: "Militärische Manöver mögen ihre Berechtigung haben, aber sie dürfen niemals auf Kosten der Sicherheit gehen. Und so ein Fall reduziert die Sicherheit schon deutlich und das geht nicht." Für ihn besonders bedrohlich: Auch das Anti-Kollisions-System basiert auf den Transpondersignalen und war folglich außer Kraft gesetzt. "Die Gefahr einer Kollision steigt in jedem Fall", sagt er und fordert nun Aufklärung von der NATO. "Es darf nicht sein, dass solche Übungen unangekündigt stattfinden. Das ist ein Eingriff in die Flugsicherheit, speziell über europäischem Luftraum und da muss demnächst alles getan werden, damit so etwas nicht noch mal passiert."
Report München berichtet über diese Recherchen heute, Dienstag 19. August, um 21.45 Uhr im Ersten.
Zur Veröffentlichung frei bei vollständiger Quellenangabe: ARD-Politmagazin report München.