Klimaneutral Bedeutung Urteil: Diese dm-Produkte sind nicht klimaneutral
Die Drogeriemarktkette dm darf ihre Eigenmarken nicht länger als "umweltneutral" oder "klimaneutral" bewerben. Das hat das Landgericht Karlsruhe entschieden.
In Zukunft dürften sich einige Unternehmen genauer überlegen, ob sie ihre Produkte leichtfertig als "klimaneutral" ausweisen. Das Landgericht Karlsruhe hat entschieden, dass die Drogeriemarktkette dm ihre Eigenmarken nicht länger als "umweltneutral" oder "klimaneutral" bewerben darf. In der Klage der Deutschen Umwelthilfe (Az. 13 O 46/22 KfH) ging es um Produkte wie Flüssigseife, Sonnenmilch oder Cremedusche aus dem Eigenmarkensortiment. Alle wurden als "klimaneutral" und das Spülmittel als "umweltneutral" bezeichnet werden.
Die Umwelthilfe bemängelte, dass auf den Produkten keine klaren Hinweise darauf zu finden seien, worin die Klima- oder Umweltneutralität genau besteht. Als Reaktion auf die Klage hat dm bereits vor einigen Monaten beschlossen, das Label "klimaneutral" nicht mehr zu verwenden und die entsprechenden Produkte werden derzeit "abverkauft".
Das Urteil dürfte der Auftakt zu einer ganzen Reihe ähnlicher Prozesse sein. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt aktuell gegen mehr als 20 Unternehmen wegen der Verwendung des Etiketts "Klimaneutralität".
Kann man CO2 neutral produzieren?
Grundsätzlich ist jede Anstrengung zu begrüßen, wenn sich Unternehmen bemühen, weniger Treibhausgase bei der Produktion freizusetzen - entweder durch die Verwendung und Verschwendung von weniger Ressourcen oder durch den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien. Schließlich sind Methan, Stickstoff oder Kohlendioxid – zusammengefasst in so genannten CO2-Äquivalenten – maßgeblich für die Erderwärmung verantwortlich. Gänzlich ohne die Freisetzung von schädlichen Treibhausgasen zu produzieren, sollte aber für die Wirtschaft mehr als eine reine CO2-Rechenübung auf dem Papier sein. Und: Die Rechnung sollte auch stimmen. Hier das Thema im Podcast "Besser leben" nachhören (und hier den Podcast in der ARD Audiothek kostenlos downloaden und abonnieren):
https://www.ardaudiothek.de/episode/besser-leben-der-bayern-1-nachhaltigkeitspodcast/was-bedeutet-eigentlich-klimaneutral-11/bayern-1/12139973/
Ist das Produkt wirklich klimaneutral?
Es gibt kaum noch ein Produkt im Supermarkt, Discounter oder Drogeriemarkt, auf dem nicht irgendwo "klimaneutral" steht oder "klimaneutral produziert". Das gibt den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein gutes Gefühl, beeinflusst möglicherweise sogar die Kaufentscheidung.
Tudor Vlah von der deutschen Wettbewerbszentrale, der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg, reicht ein einfaches Logo oder ein Internetlink aber nicht, um die Werbeaussage plausibel zu machen: "Wir haben tatsächlich mehrere Beschwerden zum Thema ‚klimaneutral‘ erhalten. Bei den Beschwerden wurde der Begriff nicht aufgeklärt, das heißt, es wurde nur ‚klimaneutral‘ angegeben. Wir sind der Auffassung, dass das wettbewerbswidrig ist."
Laut Wettbewerbsrecht muss nämlich mit transparenten Angaben geworben werden. Das heißt, wenn der Hersteller mit einem unbestimmten Begriff wirbt, dann muss er auch mehr Informationen darüber liefern, was genau damit gemeint ist.
Was versteht man unter klimaneutral?
Allerdings, das macht die Sache etwas verzwickt: Es gibt keine Definition von klimaneutral, die für das Wettbewerbsrecht wirklich verbindlich wäre. Auch keine Spezialgesetze, die in dieser Hinsicht mehr Sicherheit böten. Grundlage der staatlich vergebenen Bio-Siegel, sind wenigstens vereinbarte Mindeststandards und Kriterien. Bei den teils willkürlichen Klimalabels, die sich jedes Unternehmen – vergleichsweise günstig – zusammenkaufen kann, sind oft noch nicht mal die Berechnungen der Emissionen einheitlich und damit vergleichbar.
Problematisch: Der Ball liegt beim Verbraucher
Das Verständnis des Verbrauchers ist letztlich derzeit die Messlatte, ob der Begriff klimaneutral noch durchgeht oder abgemahnt wird. Ob das Versprechen auch tatsächlich stimmt, lässt sich sowieso kaum belegen. Nur der Versuch, "schwefelarmes Premium-Heizöl"“ als klimaneutral zu bezeichnen, war dann doch etwas zu frech.
Tudor Vlah, von der Wettbewerbszentrale, hat im Einzelfall gar nicht so viele Möglichkeiten. "Die Gerichte haben dann zum Beispiel im Fall eines Geflügelprodukts - es wurde in einer Werbung als klimaneutrales Produkt bezeichnet - gesagt, dass man das mehr hätte aufklären müssen und zwar in der Werbung selbst. Da hätte das Unternehmen noch den Satz hinzuschreiben müssen ‚durch Kauf von Zertifikaten zur Unterstützung von Klimaschutzprojekten‘. Das hätte schon gereicht."
Wer darf sich klimaneutral nennen?
Unterm Strich passiert es immer wieder, dass bei klimaneutraler Werbung falsch gerechnet wird oder Angaben hinten und vorne irgendwie nicht recht passen, aber solange die Angaben für Verbraucher nachvollziehbar ist oder zumindest logisch klingt, ist der Transparenz genüge getan.
"Ich halte das, ehrlich gesagt, für hochproblematisch, weil diese Werbung mit ‚klimaneutral‘ ist ganz klar Verbrauchertäuschung. Das ist Greenwashing.", sagt Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Berlin, "fast jedes Produkt wird gerade klimaneutral, CO2-neutral beworben oder sogar klimapositiv, was im Umkehrschluss bedeuten würde: Wenn ich ganz besonders viel von diesem Produkt konsumiere, dann helfe ich dem Klima sogar. Und an der Stelle wird es natürlich ad absurdum geführt."
Was steckt hinter klimaneutral?
Natürlich gibt es auch in Deutschland zahlreiche Unternehmen, die Klimaschutz und CO2-Reduktion wirklich ernst nehmen. Das kostet immer auch Geld. Eine Investition in die Zukunft sozusagen. Aber auch wenn Unternehmen ihre Produkte sämtlich mit erneuerbaren Energien herstellen, auf Dienstreisen verzichten, den Fuhrpark elektrifizieren oder in der Firmenkantine nur noch Essen aus regionalen Produkten - emissionsfrei lässt sich nichts wirklich herstellen.
Um ohne Kompensation solche Emissionen ausgleichen zu können, haben Unternehmen letztlich also nur die Möglichkeit, durch Überschüsse - beispielsweise bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien – auf null zu kommen. Deshalb ist es im Wettbewerb auch umso ärgerlicher, wenn sich Firmen ihre Klimaneutralität auch durch billige Zertifikate im globalen Süden erkaufen könne.
Klimaneutral Lüge
Grundsätzlich ist gegen CO2-Kompensation nichts einzuwenden, wenn beispielsweise alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. In den meisten Fällen wird in der Wirtschaft dieser Versuch aber gar nicht erst gemacht, beklagt auch Jutta Paulus, grüne Abgeordnete des Europa-Parlaments: „Denn der beste Zertifikatehandel nützt mir nichts, wenn bestimmte Firmen die Dinger geschenkt bekommen.“ Tatsächlich werden derzeit nur wirklich dreiste Schummeleien im Wettbewerb geahndet.
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Letztlich müssen die Verbraucher ganz genau hinschauen und bewerten, wie sie Werbeversprechen auf den Produkten in Sachen Klimaneutralität einordnen. „Man kann sich ja mal die Mühe machen und bei dem ein oder anderen Produkt mal versuchen herauszufinden, in welche Projekte das eigentlich fließt“, sagt Barbara Metz von der DUH, „und dann wird man oft und schnell feststellen, dass das nicht leicht herauszufinden ist. Und das ist natürlich ein großes Problem.“
Klimaneutral leben
Auch ohne halbseidene Klimaversprechen, kann jeder für weniger CO2-Emissionen beim Einkauf sorgen.
- Mehrweg ist immer besser als Einweg.
- Langlebigkeit. Je länger ein Produkt in Benutzung ist, desto nachhaltiger sind dessen Ressourcen verarbeitet.
- Lebensmittel: Regional, frisch und in Bio-Qualität
- Weniger tierische und mehr pflanzliche Produkte
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