Die Sprache und Gesellschaftskritik der "Sauwaldprosa"
So klar Uwe Dicks Sauwald topographisch zu verorten ist – er liegt im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet hinter Passau am Inn – so unergründbar ist er als Ort der Sagen, Mythen und der Vergangenheit. Und wie die Säue als sprachliche Spuren im Namen des Ortes weiterleben, so ist auch der Wald vor allem eins: ein Raum der Sprache und des Klangs – Sauwaldprosa.
work in progress
Die Sauwaldprosa von Uwe Dick erschien erstmals 1976 und wurde in den folgenden Jahren in sechs weiteren Ausgaben als work in progress vom Autor ständig erweitert und ausgebaut. Das Wortwurzelwerk eines poetischen Rebellen wider alle Hierarchien – Dichtung des Zorns und Lachstaunen, Grobiansidiotikon und subtile Wortkunst – speist eine Waldkabbala, deren Magischer Surrealismus das Innviertel zum Inniversum potenziert.
AudioVisionen
Uwe Dick steht für Sprache, nicht für Schreibe. Er glaubt an die Optimierung des Denkens durch Witz, sucht und erreicht – stets auf der Lauer nach dem Unvorhersehbaren – die Radikalisierung des Augenblicks, und denkt – bildmächtig von kindauf – in Stimmen. Insofern ist das Radio der ideale Raum für seine unverwechselbaren AudioVisionen. Dass die Sauwaldprosa so gut wie alle literarischen Genres – Roman, Essay, Krimi, Märchen, Reportage, Stachelrede, Poly-, Dia- und Monolog, Brief, Tag- und Nachtbuch, Epigramm pp. – vereinigt, ist eine Konsequenz der Maxime: "Vielfalt statt Einfalt, bitte!" Wem das – im Hörspiel wie im Buche – "zu viel" ist, dem gilt Uwe Dicks Zärtlichkeit:
"Jeder ist seines Glückes Hufeisen am eigenen Kopf.
Die wenigsten kommen blöde zur Welt.
Sie werdens dann nur.
Aus Bequemlichkeit."
– Uwe Dick
Nervenkunst
Dem Bürgerrechtler "Im Namen des Baumes / und seines eingeborenen Sohnes / des Buntspechts" ist Poesie eine Lebensweise. Sie ist – die zwölf Hörspiele des BR erweisen es – "Nervenkunst", Affektgewitter, Vokabelargwohn durch Spruch und Widerspruch, Biographie statt Karriere, Phantasie statt Extasy für hellwache Hörer … und setzt alles daran, dass ihn viele gut, wenngleich nicht immer gern verstehen. Aber der Partisan des Poetischen berücksichtigt: "Die Sprache weiß mehr als ein jeder. Und dennoch fasst sie nicht einen von uns. Es sei denn, er gebe ihr Wort".
Uwe Dick: Sauwaldprosa (1-12)
Mit Marisa Burger, Uwe Dick, Peter Fricke, Eisi Gulp, Hanns Zischler, Sophia Siebert, Branco Vukovic, Arnulf Schumacher, Jerzy May
Komposition: Gunnar Geisse
Regie: Michael Lentz
BR 2012