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Im Fadenkreuz Kommerzielle Fluchthelfer im Kalten Krieg

Selbstlose Helden oder Verbrecher? Von der Bundesrepublik wurden die kommerziellen Fluchthelfer offiziell geächtet – und doch heimlich unterstützt. Sie waren im Kalten Krieg diesseits und jenseits der Mauer Spielball von Politik und Geheimdiensten.

Stand: 22.01.2015 | Archiv

1965 gelang einem Mann aus Ostberlin die Flucht über die Mauer mit Hilfe einer Leiter | Bild: picture-alliance/dpa

Karsten Berndt wurde 1985 in Ostberlin zu zwöf Jahren Haft verurteilt: „Staatsfeindlicher Menschenhandel“, lautete die Anklage in der DDR. Im Westen sagte man dazu „Fluchthilfe“. Schleuser würde man ihn heute nennen. Wenn nicht gar einen „kriminellen Schlepper“. Eine Definitionssache. Je nach politischer Großwetterlage. Damals und heute.

Nach dem Mauerbau hatten Studenten voller politischer Ideale Menschen noch unentgeltlich aus der DDR geholt. In den 1980er Jahren war Fluchthilfe zur Sache kommerzieller Profis geworden. Noch fünf Jahre vor dem Mauerfall boomte das Geschäft.

"Insgesamt haben wir 50.000 Mark bekommen für die zwei Schleusungen - cash. War viel Geld für uns. Der alte Mann war mir in den Armen gelegen und hat geweint, ich habe noch eine kleine Freiheitsrede gehalten. Wir haben gedacht, jetzt geht es richtig los, wir holen die ganze DDR raus. Und werden dabei noch reich."

Karsten Berndt, Fluchthelfer

Fluchthilfe - ein dunkles Kapitel in der deutschen Geschichte. Zwischen offiziellen Verlautbarungen und der bitteren Realität liegen Welten. Die damals Verantwortlichen aus Ost und West verschanzen sich hinter einer Mauer des Schweigens.

Heimliche Unterstützung aus der BRD

So doppelzüngig westdeutsche Politik und Medien offiziell „Grenzverletzungen“ beurteilten, so umfangreich war die heimliche Unterstützung: Fluchthelfer profitierten von Geheimfonds des Gesamtdeutschen Ministeriums, kassierten Honorare von der Presse für gute Geschichten, bekamen Gasmasken von der Berliner Polizei oder wurden vom Verfassungsschutz gewarnt. Sie leisteten überdies gute Dienste, um CDU-Parteigenossen aus der DDR heraus zu holen. Stasi, Verfassungsschutz, BND und CIA wussten erstaunlich gut Bescheid über Fluchtwege, Fluchtorganisationen und geplante Schleusungen.

Ausflüchte, Schweigen und Lügen

Gabriele Knetsch stößt 25 Jahre nach dem Mauerfall immer noch auf Ausflüchte, Schweigen und Lügen. Die Autorin hat Akten des Stasi-Archivs, des BND und der CIA eingesehen und mit Zeitzeugen gesprochen. Ihre Recherchen ergaben: Westliche Geheimdienste nutzten die „Republikflucht“ als Strategie, um die DDR auszubluten, denn es waren gerade die Hochqualifizierten, die in den Westen wollten. Bundesdeutsche Politiker ließen ihre eigenen Leute aus der DDR herausholen – von professionellen Fluchthelfern, deren Existenz sie offiziell leugneten. Doch wie sehr bundesdeutsche Politiker unter dem Druck der Amerikaner standen, veranschaulicht Egon Bahr mit einer bis heute nicht offiziellen Anweisung: Die Alliierten forderten von der West-Berliner Polizei, die Mauer mit Waffengewalt zu schützen.

Sounddesign und technische Realisation: Fabian Zweck
Regie: Nikolai von Koslowski
Redaktion: Ulrike Ebenbeck
BR 2015

Die Autorin

Gabriele Knetsch arbeitet seit 1985 als Autorin und Radio-Journalistin überwiegend für den Bayerischen Rundfunk. Schon für ihr Feature „Handelseinig: DDR-Zwangsarbeit und die Verantwortung der Westbetriebe“ (Erstsendung: Bayerischer Rundfunk, 2013) bekam sie viel Anerkennung und wurde unter anderem für den Ernst-Schneider-Preis nominiert.

Literatur

  • Karsten Berndt: Der Rumtreiber, Eine deutsch-deutsche Grenzerfahrung 1976-1994, www.Der-Rumtreiber.net (Eigenverlag)
  • Klaus-M. v. Keussler/Peter Schulenburg: Fluchthelfer. Die Gruppe um Wolfgang Fuchs, Berlin Story Verlag
  • Marion Detjen: Ein Loch in der Mauer. Die Geschichte der Fluchthilfe im geteilten Deutschland 1961-1989, Siedler-Verlag
  • Diplomarbeit “Methoden des Zusammenwirkens der Geheimdienste und Menschenhändler-Zentralen bei der organisierten Abwerbung von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik nach dem 13.8.1961 und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für die politisch-operative Arbeit der Untersuchungsabteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit”, Berlin 1965. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Signatur: BSTU MfS JHS MF 173.

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