Bayern 2

     

Nachtstudio Der Heilige als Hooligan

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Dienstag, 06.06.2017
20:03 bis 21:00 Uhr

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BAYERN 2

Der Kult um das Opfer
Von Frank Halbach

Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Er verspricht Ansehen, er schafft Ansprüche und er entzieht sich jeglicher Kritik: der Status als Opfer. Deshalb lassen wir uns nicht nur zu Opfern erklären, sondern machen uns selbst zu Opfern. Die Welt ist klar unterteilbar in Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Eigenes und Fremdes und sie ist bedroht von finsteren Mächten.
Das Opfer verlangt nach "konservativer Revolution" - eine Reaktion auf Postkolonialismus, Globalisierung und gesellschaftliche Veränderungen, wie beispielsweise die Emanzipation der Frau. Der Verlust von Privilegien wird als Diskriminierung empfunden und mit "Selbstviktimisierung" begegnet - wir, der Mittelstand, der Steuerzahler, die westlichen Welt, die weißen Männer sind nichts mehr wert. Die Bevorzugten sehen sich als Opfer der Opfer.
Rivalität, Neid und Eifersucht sind ansteckend. Aber eine menschliche Gesellschaft erscheint nur dann als überlebensfähig, wenn sie die Gewaltausbreitung innerhalb der eigenen Gruppe unterbindet, so der Kulturanthropologe René Girard. Indem wir irgendjemanden zum Sündenbock machen, stiften wir Einheit. Den Schuldigen auszustoßen, ihn zu opfern, "reinigt" und stabilisiert die Gruppe.
Wie der Mythos an sich, spricht der Opfermythos stets im Postulat unbestreitbarer Tatsachen, als heilige Wahrheit. Als ein Apriori generiert er sich gewissermaßen "präfaktisch". Heute sprechen die Verfolgertexte in unhinterfragbarem Duktus - "postfaktisch".