Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Anselm Grün Gedanken zum Tag

Versöhnung mit sich selbst heißt zuerst, sich mit seiner eigenen Geschichte auszusöhnen.

Stand: 18.04.2024

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

18 April

Donnerstag, 18. April 2024

Versöhnung mit sich selbst heißt zuerst, sich mit seiner eigenen Geschichte auszusöhnen. Ganz gleich, in welcher Zeit wir geboren wurden, es gibt immer Situationen, denen wir gerne ausgewichen wären. Es gibt nie die ideale Zeit, in die wir hineingeboren werden. Und es gibt nie die idealen Eltern, die wir uns gewünscht hätten. Auch wenn die Eltern es noch so gut meinen, werden wir als Kinder verletzt. Wir können uns unsere Kindheit nicht aussuchen. Aber irgendwann einmal müssen wir die Verantwortung für unsere Kindheit übernehmen. Wir müssen uns aussöhnen mit allem, was wir erlebt und erlitten haben. Nur wenn wir bereit sind, uns auch mit unseren Wunden auszusöhnen, können sie sich wandeln. Für Hildegard von Bingen ist es die eigentliche Aufgabe des Menschen, seine Wunden in Perlen zu verwandeln. Das gelingt aber nur, wenn ich Ja sage zu meinen Wunden, wenn ich aufhöre, andere dafür verantwortlich zu machen. Denn verwandelt werden kann nur das, was ich angenommen habe. Die Versöhnung mit meinen Wunden geht allerdings erst einmal über das Zulassen des Schmerzes und der Wut denen gegenüber, die mich verletzt haben. Die Versöhnung mit meinen Verletzungen bedeutet dann zugleich, dass ich denen, die mich verletzt haben, vergebe.

Entnommen aus: Anselm Grün "Zeit für Versöhnung. Spaltung überwinden, Begegnung wagen", Herder Verlag, Freiburg 2023


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