Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Dezember 1946 Christian Dior richtet sein Atelier in Paris ein

In der eleganten Pariser Avenue Montaigne eröffnete 1946, kurz nach dem Krieg ein neues Haute-Couture-Atelier. Amerikanische Journalisten feierten die erste Modekollektion des neuen Ateliers als New Look. Es war die Geburtsstunde einer der bekanntesten französischen Modemarken: Christian Dior.

Stand: 15.12.2023 | Archiv

15 Dezember

Freitag, 15. Dezember 2023

Autor(in): Julia Zöller

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Die Gäste haben sich schick gemacht. Locken gedreht, die Blazer und Kleider aufgebügelt, und dann vorsichtig die guten Seidenstrümpfe übers Knie gezogen. Jetzt sitzen die Damen im Februar 1947 in einem Pariser Salon unter Kronleuchtern, Schulter an Schulter auf edlen Stühlen. Da drehen alle die Köpfe: Ein Mannequin hat den Raum betreten. Aber, Mon Dieu !? Was ist das? Hat die keinen Bauch? Die cremefarbene Jacke ist um die Taille schmal wie eine Sanduhr geschnitten. Dafür nimmt sich der Rock umso mehr Freiheit. Eine, zwei, drei, unzählige Lagen, 13 Meter Stoff. Plus Futter UND Tüll! Was für eine Verschwendung. Was für ein eleganter Traum von Kostüm.

Retro oder Avantgarde?

Für die meisten Pariserinnen bleibt es ein Traum, jemals ein Kleid des Modeschöpfers Christian Dior zu tragen, der in diesem Nachkriegswinter 47 seine erste Kollektion präsentiert. In ihren Kleiderschränken hängen noch Röcke und Blusen, die der Mangel designt hat: schlicht und effizient, mehr Uniform als Mode. 

Allein in dem berühmten - für Diors Verhältnisse schlichten - Kostüm "Bar" stecken 150 Arbeitsstunden der "petits mains". Kleine Hände, so werden die Schneiderinnen und Assistentinnen genannt, die bis in die Abendstunden zuschneiden, nähen und sticken. Christian Dior findet: es ist ein Look für die neue, friedliche Zeit. Christian schon 42, der Krieg hat seine Kreativität ausgebremst, erst seit wenigen Wochen, seit dem 15. Dezember 1946, hat er überhaupt die Verkaufs-Räume und die Werkstatt in der Avenue Montaigne im 8. Arrondissement.
Langsam erwacht die Modestadt Paris wieder. Stolz zeigen sich die Kundinnen bei Parties und Soireen in Dior.

Dass es Stunden dauert, bis die vielen Häkchen geschlossen, der Stoff drapiert, das Dekolleté perfekt ist? Geschenkt. Dass sogar Feministinnen in den USA gegen den New Look demonstrieren? Verhallt. "Wie lächerlich sind diese Frauen", empört sich auch Christian Diors Konkurrentin Coco Chanel. In den 20ern hat sie mit dem "Kleinen Schwarzen" die Abendmode revolutioniert, jetzt trägt die Dame von Welt wieder ausladende, bestickte Roben, die in keinen Koffer passen?

Dior und ein Frauenteam

Christian Dior bleibt unbeeindruckt: er zeichnet und entwirft am laufenden Band. Mit 85 Mitarbeiterinnen hat er angefangen - sieben Jahre später sind es über 1000. Der Chef gilt als produktiv und aufmerksam. Einer, der am Aufzug mit einer kleinen Verbeugung zurücktritt, um Lehrmädchen den Vortritt zu lassen. Auf vielen historischen Fotos sind auch seine Abteilungsleiterinnen mit im Bild: Madame Raymonde von der Design-Abteilung, Madame Marguerite, die die Werkstätten leitet, und die stilsichere und exzentrische Madame Bricard.
Die Arbeitsteilung bewährt sich, denn als Christian Dior schon zehn Jahre nach seiner ersten Kollektion stirbt, mit nur 52 Jahren, läuft der Betrieb weiter. Für’s Geschäft ist die Marke Dior mit Parfums, Strümpfen und Handtaschen mittlerweile wichtiger als die Haute-Couture-Entwürfe des Gründers. Den ersetzt der junge Assistent Yves Saint Laurent.


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