Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. Mai 1869 Geisterfotograf William Mumler steht unter Betrugsverdacht

Er war der erste professionelle Geisterfotograf, mit Fotostudios in Boston und New York: William H. Mumler. 1869 stand er - und damit gewissermaßen der Spiritismus selbst - vor Gericht. Von der Anklage des Betrugs und wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 03.05.2024 | Archiv

03 Mai

Freitag, 03. Mai 2024

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Frank Halbach

Was ist das? Das da, die neblige Frau neben ihm? Durchsichtig wie ein Libellenflügel und ebenso zart. Wie kommt sie auf sein Selbstportrait? Er war doch allein im Studio! Auf dem Abzug aber, den William Mumler gerade entwickelt hat, ist die Rauchglasgestalt trotzdem da, zum Anfassen nah. "Pfusch", knurrt der Amateurfotograf und schüttelt ein Schaudern ab. "Einfach nur Pfusch"! Er hat wahrscheinlich eine ungereinigte Fotoplatte in die Kamera geschoben und ein zweites Mal belichtet. Ein echter Anfängermurks. Hoffentlich ist Hannah nicht sauer! Wenn er deshalb ihr Studio nicht mehr mitnutzen darf, war's das mit der Fotokarriere.

Geistreiches Potenzial

Aber Hannah Green ist überhaupt nicht sauer. "Sieht aus wie ein Geist", sagt sie nachdenklich und benagt ihre Unterlippe, "das hat Potenzial!" Damit liegt sie goldrichtig. Geister sind in den Vereinigten Staaten der 1850er Jahre schwer angesagt. Abermillionen Amerikaner suchen spiritistische Zirkel und Medien auf, um mit Verstorbenen zu plaudern. Weil ihr Studio nicht wirklich gut läuft, verdient sich auch Hannah gelegentlich ein Zubrot als Medium und Geistheilerin. Darum kennt sie sich aus mit den Trostnöten trauernder Menschen, die alle auf ein Zeichen hoffen, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist, dass der Kontakt nicht abreißt, dass es irgendwie doch weitergeht. "Wenn man es richtig anpackt", sagt Hannah, "lässt sich was draus machen"!
Und wieder hat Hannah recht. Sie spielt Mumlers Geisterbild einem spiritistischen Fachblatt zu, und kurz darauf sind sie und William nicht nur verheiratet, sondern auch richtig dick im Geschäft. Dafür sorgt vor allem Hannahs psychologisches Kundenmanagement: Während sie den Klienten vorn Details über den erhofften Fotogast ablauscht, bahnt William hinten den passenden Astralbesuch an.
Leider schleichen sich dabei nach und nach ein paar fatale Patzer ein. Manche Geister erscheinen auf mehreren Bildern, werden putzmunter in der Stadt gesichtet oder wecken sonstige Zweifel an ihrer Anreise aus der anderen Welt. Und damit auch an Mumlers Seriosität.

Keineswegs von allen guten Geistern verlassen

Wirklich beweisen, dass er trickst, kann aber niemand, nicht einmal Profis, die bald schon jedes Detail, jeden Schritt und Handgriff des suspekten Kollegen ausleuchten. Trotzdem ist Mumlers Renommee derart lädiert, dass er sein Studio nach New York verlegt. Dort machen ihn die trendigen Jenseits-Tête-à-têtes in kürzester Zeit zum bestbezahlten Medium der USA. Das wiederum fuchst die Konkurrenz gewaltig. So züngeln erst böse Gerüchte, dann ermittelt die Polizei, und am 3. Mai 1869 erhebt die Grand Jury formell Anklage wegen fortgesetzter erwerbsmäßiger Täuschung.

Der Prozess ist eine Sensation, die es bis in die europäischen Schlagzeilen schafft. Aber nicht einmal die gewieftesten Gutachter können den Geisterknipser überführen. Am Ende ist der Richter zwar überzeugt, dass Mumler mauschelt, muss ihn aber freisprechen. Mumler selbst beteuert weiterhin seine unbefleckte, blütenreine Redlichkeit. Warum er Jahre später kurz vor seinem Tod alle Negative vernichtet, ist daher nicht wirklich ganz klar.


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