Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. Dezember 1877 Linksherum: Erster Wiener Opernball

Schwarzer Frack, weiße Weste, weißes Mascherl – die Kleidervorschriften für Debütanten auf dem Wiener Opernball sind heute so lang wie die Geschichte der Veranstaltung. Ursprünglich will Kaiser Franz Josef I. damit nur dem neureichen Bürgertum gefallen, um selbst an der Macht zu bleiben. Autorin: Susi Weichselbaumer

Stand: 11.12.2023 | Archiv

11 Dezember

Montag, 11. Dezember 2023

Autor(in): Susi Weichselbaumer

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Frank Halbach

Die Bands heißen "Spotlight" oder "Alive Cräcker". An der "BungoDungo-Bar" gibt es Rüscherl und Ramazotti. Weil er beeindrucken will, aber nichts ausgeben, zeigt der Typ, der sich als Duschkabine verkleidet hat, wie tatsächlich Wasser aus seinem Duschkopf ... Ein anderer im Feenkostüm haut einem den Zauberstab ans Hirn und plärrt: "Wünsch Dir was!!!!!" Okay - Gewünscht: Nie wieder als gelb-oranges Glitzerbonbon gehen. "Nimm 2" verstehen echt alle falsch. Und Bonuswunsch: Nie wieder Dorffasching.

Walzerrausch

Opernball. Das wär´s! Rauschende Kleider, stilvolle Anzüge, Häppchen und Champagner. Statt Polonäse durch die muffige Gemeindehalle: "Alles Walzer!" Statt dilettieren, debütieren! Und das geschichtsträchtig - wie einst bei Kaiser Franz Josef I. Der lädt am 11. Dezember 1877 in der Hofoper an der Ringstraße zur festlichen Soiree. Diesmal - Achtung: neu - dürfen alle kommen. Ob adelig oder bürgerlich. Leisten muss man es sich können. Freilich ;o)) Eine halbe Stunde nach Veranstaltungsbeginn ist es brechend voll. Funkelnde Diamanten, zartfließende Stoffe, glänzende Lackschuhe treten auf bodenlange Schleppen. Johann Strauß dirigiert das Orchester, sein Bruder Eduard die Straußkapelle. Tanz hat der Kaiser verboten, er fürchtet Tumult. Nach Mitternacht gibt es trotzdem kein Halten mehr: Die eigens komponierte Straußsche Opern-Soiree-Polka reißt aus den Sesseln. Das Opernhaus wogt bis in die Morgenstunden. Selbstredend links herum. 

A ball is born

Die Zeitungen schwärmen, in der Hofburg ist man zufrieden. Schließlich lädt man nicht einfach so Pichler, Mooser, Gruber und den neureichen Rest ein.
Die politische Strategie dahinter: Darf das Geld-Bürgertum ein wenig dazugehören zu den erlauchten Kreisen, belässt es den Herrschaftsadel an der Macht. Das klappt. Zumindest für eine Weile. Jedenfalls: Die Soiree im Dezember 1877 gilt heute als der erste Wiener Opernball. Offiziell bekommt die Veranstaltung den Namen erst später. Und behält ihn bis heute. Auch die Konzeptidee ist geblieben: Jedes Jahr trifft sich Wohlhabend und Prominent und Politisch-Einflussreich, oder wer sich dafür hält, am Faschingsdonnerstag mit etwa 5000 auch Geldigen, Schönen - also mit 5000 anderen Gästen in der Staatsoper. Zuverlässig wird abgefragt: Wer begleitet wen? Wer turtelt im Laufe des Abends fremd? Irgendein Experte bei der Live-Übertragung im Fernsehen erkennt im Opernball an sich Österreichs schwelenden Phantomschmerz nach der Monarchie. Und Unternehmer Mörtel Lugner stürmt ständig aus seiner Loge, um den zig Klatschreportern davor noch Neueres zu berichten über die Hollywood-Diva, das Musiksternchen, die Reality-Show-Queen, Hotelerbin - über seine aktuelle Damenwahl eben.

Im Grunde ist es damit fast wie Dorffasching: Jeder kennt jeden und alle wissen was, wenn nicht voneinander, doch wenigstens übereinander. Kann man gleich daheimbleiben in der Mehrzweckhalle. Was im Übrigen auch den Vorteil hat, dass man als Duschkabine, Wunschfee oder Knallbonbon willkommen ist. Die Vorschriftenliste für Debütantinnen und Debütanten auf dem Wiener Opernball ist länger als jede Ballkleidschleppe. "Weißes Mascherl für die Herren" ... nah bitte, danke ...  


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