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Keilerplage Auf Wildschweinjagd in Unterfranken

Sie pflügen über Nacht Wiesen um, schlagen Schneisen durch Maisfelder, tauchen manchmal sogar im eigenen Garten auf und sorgen für Angst und Schrecken: Wildschweine sind auch in Unterfranken nach wie vor ein Problem.

Von: Jürgen Gläser

Stand: 22.10.2017 | Archiv

Keilerplage: Auf Wildschweinjagd in Unterfranken

Seit jeher machen wir Menschen Jagd auf die Sauen. Schon in der griechischen Mythologie berichtet Homer, wie die Göttin der Jagd Artemis aus Rache ein Wildschwein auf die Erde schickt, das die Felder und Weingärten verwüstet. Die Römer, Germanen und auch die Inder – sie alle jagen Wildschweine. Mit Spießen, Hunden, Pfeil und Bogen. Und die Abenteuer von Asterix und Obelix sind undenkbar ohne Wildschwein.

Wildschweine – ein Ärgernis für Landwirte und Winzer

Jäger Gerhard Poor begutachtet Schaden in einem Maisfeld

Heute vergeht Landwirten und Winzern der Spaß, wenn Wildschweinrotten über Nacht Wiesen aufbrechen, Felder kahl fressen oder im Weinberg wüten. 85.000 Wildschweine wurden in Bayern im Jahr 2015/2016 geschossen – das ist die mit Abstand höchste Jagdstrecke, die es je im Freistaat gab. Was aber nicht bedeutet, dass die Population dadurch spürbar dezimiert wurde. Auch nicht in Unterfranken, dem waldreichsten Regierungsbezirk in Bayern.

Schäfer und Jäger einigen sich gütlich

Beispiel Partenstein, mitten im Spessart: Auf den Wiesentälern grast die Schafherde von Werner Müller. Die Wiesen sind wichtig – zum Fressen für die Tiere und für das Winterfutter. Doch bereits Mitte August stellt Werner Müller die ersten Wildschwein-Schäden fest – die Sauen haben über Nacht eine Wiese aufgebrochen. Familie Müller schützt ihre besten Wiesen mit Elektrozäunen gegen die Wildschweine. Das ist ein immenser Aufwand.

"Das Aufstellen kostet natürlich Zeit. Dann müssen wir außen herum mähen, dass der Zaun nicht einwächst. Es müssen wöchentlich die Batterien gewechselt werden. Manchmal hilft es, manchmal nicht – das ist ganz unterschiedlich."

Kerstin Müller, Schäferin

"Dieses Jahr haben wir circa 100 Hektar Wildschaden in drei Gemarkungen. Wenn man das umrechnet, ist man da ruck-zuck auf 30.000, 40.000 Euro. Aber wir haben mit den Jägern immer eine gütliche Einigung gefunden, miteinander, so soll's auch weiter gehen."

Werner Müller, Schäfer

Jagd ist schwierig und aufwändig

Die Jagd auf Schwarzwild ist schwierig und aufwändig. Oft sind Jäger nächtelang auf Ansitz, bis sie überhaupt mal Schwarzwild sehen. Die Tiere sind schlau. Bei Vollmond nutzen Wildschweinrotten geschickt den Schattenwurf von Bäumen. Die Wildschweine erkennen sogar die Autos der Jäger am jeweiligen Geräusch.

Mit Käfigen und Nachtzielgeräten jagen – eine umstrittene Sache

Im Herbst werden in Unterfranken auch Maisfelder mit Elektrozäunen geschützt. An den Ecken der Felder stehen Radios – mit Klassik, Rock und Nachrichtenkanälen sollen die Wildschweine verjagt werden. Im Spessart, wo noch immer die meisten Wildschweine in Unterfranken vorkommen, haben erste Jagdpächter nun sogar Saufänge beantragt. Die Jagd mit solchen Käfigen ist allerdings umstritten, ebenso wie der Einsatz von Nachtzielgeräten, also Gewehren mit fest montiertem Nachsichtgerät, die dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen und bislang als Einzelversuch in Bayern bei der Wildschweinjagd  schon getestet wurden.

Wildschweine im eigenen Garten

Und manchmal steht so eine Sau auch direkt im Garten und läuft dem Jäger quasi vors Gewehr. So geschehen in Wiesen, einem Ort im Hochspessart. Dort wohnt Stefan Köhler – und dort trauen sich die Wildschweine nachts bis an den Ortsrand und in die Gärten. Köhler ist Jäger, Landwirt und seit Mai Präsident des Bauernverbandes in Unterfranken. Er kennt die Probleme, die entstehen, wenn Wildschweine Schäden anrichten.

"Ich bin selber Wildschadenschätzer, werde zu brisanten Fällen gerufen. Da steht der Rechtsanwalt mit am Feld. Da sieht man auch die Emotionen, denn wenn es richtig ins Geld geht, muss irgendwo das Geld herkommen. Da hat die Jägerschaft vor Jahren gefordert: Wir führen eine Deckelung ein. Das heißt, der Jäger steht nur bis zu einer gewissen Summe gerade. Was darüber geht, muss die Jagdgenossenschaft zahlen. Und gerade im Landkreis Miltenberg, wo das sehr oft gemacht wurde, haben wir jetzt das Problem, dass die Jagdgenossenschaften kein Geld mehr haben."

Stefan Köhler, Jäger und Landwirt

Steigerwald – ideales Terrain für Wildschweine

Ortswechsel – vom Spessart in den Steigerwald. Jäger Gerhard Poor ist auf Kontrollfahrt in seinem Jagdrevier bei Geiselwind im Landkreis Kitzingen. Es ist Ende August. Der Mais steht jetzt mehr als zwei Meter hoch, dazwischen liegen große Waldstücke. Für die Wildschweine ist das ein ideales Terrain. Im Wald finden sie Deckung – nachts laufen sie durch die Maisfelder und fressen sich satt.

Ob die Wildschweine schon im Mais waren, lässt sich von außen gar nicht feststellen. Die Maisschläge sehen zunächst unversehrt aus. Gerhard Poor bahnt sich durch die Maisreihen seinen Weg und wird mitten im Feld fündig. An einer Ecke des Maisfeldes steht eine 12-Volt-Autobatterie am Boden, daneben ein kleiner Kasten.

"Das ist der Geber. Der jagt dann einen Stromstoß durch, zwischen 9.000 und 12.000 Volt. Da würde ich also nicht an den Zaun langen."

Gerhard Poor, Jäger

So wie Schäfer Werner Müller auf seinen Spessartwiesen spannen auch die Jäger im Steigerwald stromführende Drähte rund um die großen Maisfelder, um die Wildschweine zu stoppen. Viel Arbeit, die am Ende Geld sparen soll. Sonst hilft nur schießen.

Zehn Wildschweine geschossen

660 Hektar – so groß ist das Jagdrevier, das sich Gerhard Poor mit sechs weiteren Jägern im Steigerwald teilt. Am 1. April hat das neue Jagdjahr begonnen. Seitdem haben die sieben Jäger zusammen gerade mal zehn Wildschweine geschossen. Seit Juni gab es keinen Abschuss mehr. Die Wildschweine finden in der Vegetationsphase genug Deckung – im Wald, im Getreide und vor allem in Maisfeldern.

Wildschweine – Publikumslieblinge im Tierpark Sommerhausen

Wildschweine aus nächster Nähe erleben – das geht im Tierpark Sommerhausen im Landkreis Würzburg. Dort sind ein stattlicher Eber, sechs Bachen und zwölf Frischlinge in einem Kiefernwald unterwegs. Keiler Eddi, 120 Kilo schwer, ist der ganze Stolz von Leiter Thomas Dodenhoff.  

"Der ist schon als Frischling zu uns gekommen, hat sich an Menschen sehr gewöhnt, und ist unser Publikumsliebling. Dann legt er sich auch mal hin und lässt sich am Bauch kraulen. Das empfehle ich den Besuchern natürlich nicht."

Thomas Dodenhoff, Leiter Tierpark Sommerhausen

Vor diesen Wildschweinen müssen die Besucher keine Angst haben, vor allem nicht vor den Frischlingen. Doch in der freien Wildbahn sind sie für viele ein Ärgernis. Soll man die Wildschweine in den Wäldern einfach dulden, sie als Teil der Natur akzeptieren? Oder müssen die Bestände durch massive Drückjagden nun im Winter dezimiert werden, um sie klein zu halten? Die Meinungen gehen derzeit auseinander. Ach wäre die Jagd auf Wildschweine doch so leicht wie bei den beiden Galliern Asterix und Obelix. Die gehen in den Wald und kommen mit zwei Keilern unter dem Arm wieder zurück.


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