Edward Snowdens Vorläufer Doku-Thriller "A Good American"
Die meisten überlassen ihre persönlichen Nachrichten WhatsApp, ihre Fotos Instagram und ihre Ansichten Facebook. Wie wichtig der Datenschutz für unsere Demokratie ist, zeigt der Dokumentarfilm "A Good American".
Die zentrale Figur dieses Films ist Mathematiker Bill Binney, der seit den 60er Jahren für verschiedene Geheimdienste der USA arbeitete. Binney war also schon im Kalten Krieg im Einsatz, vor allen Dingen als Kryptologe. Er entschlüsselte geheime Codes der Russen und Chinesen, war immer patriotisch bei der Sache. Und: Binney war eine echte Koryphäe in seinem Fach, ein Mathegenie, der immer wieder einfache Lösungen für komplexe Aufgaben fand. Der erste Teil des Films bemüht sich darum, dieses Image aufzubauen. Also kommt nicht nur er selbst zu Wort, sondern auch diverse Kollegen, die den Mann und seine Fähigkeiten preisen. Binney steigt allmählich auf in der NSA-Hierarchie, seine große Stunde kommt allerdings erst in den 90er Jahren.
"Der erste Anschlag auf das World Trade Center 1993 war ein Weckruf für alle hinsichtlich der Terrorgefahr. Die Terroristen brachten Autobomben in die Tiefgarage und positionierten sie neben den tragenden Pfeilern. Dann zündeten sie die Bomben, um das Gebäude zum Einsturz zu bringen. Technisch hat das nicht funktioniert, aber es wurden eine Menge Menschen getötet. Darauf hat die CIA bei allen Geheimdiensten mächtigen Wirbel gemacht, den Terror zu verfolgen. Und das taten wir bei der NSA."
Bill Binney, ehemaliger Technischer Direktor der NSA und Whistleblower
Das mächtigste Analyse-Tool der Welt
Erst zu dieser Zeit beginnt die amerikanische Politik damit, das Internet als Kommunikationsmittel von Terroristen ernst zu nehmen, sagt uns dieser Film. Der österreichische Regisseur Friedrich Moser zeigt uns viele „Talking Heads“, gelegentlich aufgelockert durch historisches Material. Wenn an Bill Binneys Geheimdienst-Karriere erinnert wird, sehen wir einen Schauspieler, der sich vor Computern sitzend den Kopf zerbricht. Die eigentliche Geschichte der NSA wurde halt nicht in Bildern dokumentiert. Moser behilft sich hier oft mit dramatischer Hintergrundmusik à la „House of Cards“ und Schaubildern, die z.B. zeigen, wie wir inzwischen vernetzt sind. Binney und sein Team jedenfalls entwickeln ein Programm namens ThinThread, das den Datendschungel im Sinne der NSA durchleuchtet.
"Wir waren dabei, das mächtigste Analyse-Tool, das je entwickelt wurde, zu erschaffen, um damit im Grunde die ganze Welt zu überwachen, fast in Echtzeit. Das war eine automatische Überwachung der gesamten Bevölkerung. Man dringt in die Privatsphäre eines jeden ein. Und das ist einfach unvereinbar mit der Demokratie. Es ist wie eine Turbo-Stasi oder der KGB auf Stereoiden. Davon hätten die nicht einmal träumen können."
Diane Roark, ehemalige Abgeordnete im Geheimdienstausschuss und Whistleblowerin
Ethische Prinzipien über Bord
KGB auf Stereoiden - davor schreckt Binney jedoch zurück. Als Verfechter der demokratischen Grundrechte anonymisiert er die Daten, die ThinThread erhebt. Deswegen heißt der Film „A Good American“, auch wenn es fragwürdig erscheint, ob man als ranghoher US-Geheimdienstler überhaupt an moralischen Prinzipien festhalten kann. Zuviel wird es Binney jedenfalls, als im Januar George W. Bush US-Präsident wird. Die Bush-Administration wirft im Anti-Terror-Kampf bald alle ethischen Prinzipien über Bord, also auch Binneys Anonymisierungs-Programm.
"Das erste was sie taten: Sie entfernten die Verschlüsselungen, die wir eingebaut hatten, zum Schutz der Privatsphäre von US-Bürgern oder anderen Bürgern innerhalb der Datenstruktur. Als ich erfuhr, dass sie all diese Daten sammelten und all diejenigen aufzeichneten, die ein Telefon benutzen oder irgendein anderes elektronisches Gerät, war klar: Ich muss die NSA verlassen. Ich musste so schnell wie möglich aussteigen."
Bill Binney, ehemaliger Technischer Direktor der NSA und Whistleblower
ThinThread wird schon am Anfang des Jahres 2001 durch das wesentlich teurere, aber ineffektivere Trailblazer Project ersetzt. Drei Wochen nach Binneys Ausstieg bei der NSA zeigt der 11. September, dass das ein Fehler war. Seitdem wird Binney nicht müde, als Whistleblower vor den antidemokratischen Aktionen der Geheimdienste zu warnen. Doch erst durch Edward Snowden wird die Weltöffentlichkeit wirklich aufmerksam. „A Good American“ ist insofern politischer und technologischer Geschichtsunterricht. Und man lernt hier eindringlich, dass es oft noch immer einzelne Menschen sind und nicht „Systeme“, die die Welt verändern.