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Religion als Politik

Von: Simon Demmelhuber / Sendung: Christian Feldmann

Stand: 30.03.2015 | Archiv

Konstantin der Große: Religion als Politik

GeschichteMS, RS, Gy

Warum so spät? Wieso lässt er sich erst auf dem Sterbebett taufen? War seine Frömmigkeit nur geschicktes 'Kaiser-Marketing'? Niemand weiß, was Konstantin wirklich glaubte - fest steht nur eins: Er hat die Welt verändert.

Wie konstruiert man eine Zeitenwende? Wie stilisiert man einen Machtmenschen zum Auserwählten des Herrn? Wie etikettiert man eine illegitime Herrschaft zum Beginn des Gottesreichs auf Erden? Bischof Eusebius von Cäsarea weiß, wie es geht. Seine noch zu Lebzeiten Konstantins begonnene Biografie des Kaisers ist ein Meisterwerk politischer Propaganda. Ein Abschnitt dieser Lebensgeschichte hat selbst Geschichte geschrieben.

Ein profanes Gemetzel und der Sieg Christi

Das Kapitel zeigt den späteren Kaiser an einem Wendepunkt seiner politischen Karriere: Konstantin steht mit einem Heer vor den Toren Roms. Er belagert seinen Rivalen Maxentius, den seine Soldaten widerrechtlich zum Kaiser ausgerufen haben. Das Aufeinanderprallen der beiden Gegner am 28. Oktober 312 hat durchaus pikante Züge: Auch Konstantin wurde von den Truppen seines verstorbenen Vaters zum Kaiser erhoben, im Grunde stehen sich an der Milvischen Brücke also zwei Usurpatoren gegenüber, die jetzt um die Herrschaft über den Westen des Römerreichs kämpfen. Konstantin macht das Rennen, Maxentius ertrinkt auf der Flucht im Tiber.

"Ein ganz unglaubliches Gotteszeichen"

Im Bericht des Eusebius wird das Gemetzel, mit dem Konstantin seinen Widersacher ausschaltet, zum himmlischen Schiedsspruch und Gottesurteil. Während der Kaiser vor der Schlacht betet, erscheint ihm nämlich "ein ganz unglaubliches Gotteszeichen. Um die Stunde der Mittagzeit, da sich der Tag schon neigte, habe er, so sagte der Kaiser, mit eigenen Augen oben am Himmel über der Sonne das Siegeszeichen des Kreuzes, aus Licht gebildet, und dabei die Worte gesehen: "Durch dieses siege!" Zunächst kann Konstantin diese Vision nicht deuten. Er grübelt, denkt nach, rätselt. Erst ein Traum bringt Gewissheit: "Da habe sich ihm nun im Schlafe der Christus Gottes mit dem am Himmel erschienenen Zeichen gezeigt und ihm aufgetragen, das am Himmel geschaute Zeichen nachzubilden und es bei seinen Kämpfen mit den Feinden als Schutzpanier zu gebrauchen." So geschieht es. Der Legende nach lässt Konstantin das Christusmonogramm auf den Schilden befestigen und gewinnt dadurch die Schlacht.

Siehe, der Auserwählte des Herrn!

Hinter dieser Darstellung scheint ein Muster durch, das Eusebius seiner Erzählung ganz bewusst unterlegt: Gott hat sich sein Werkzeug durch ein himmlisches Zeichen selbst auserkoren. So, wie er einst Mose zum Führer wählte, so erwählt er nun Konstantin. Die Ähnlichkeit der beiden Geschichten und Gestalten ist kein Zufall, dahinter waltet ein göttlicher Wille und Heilsplan. Mose war dazu ausersehen, das Volk Gottes aus pharaonischer Knechtschaft zu erretten. Konstantin, der zweite, der neue Mose soll das junge Christentum aus der Verfolgung in eine strahlende Zukunft führen. So will es der Herr, so hat er es an der Milvischen Brücke bekundet.

Der erste christliche Kaiser?

Eusebius verfasst seine Vita wohl um 330, also ein gutes Vierteljahrhundert nach diesem Ereignis. Da ist Konstantin schon lange alleiniger Herrscher im gesamten Römischen Reich. Er hat nicht nur alle Gegner aus dem Weg geräumt, er hat auch das von Diokletian eingeführte Vierkaisersystem beseitigt. Statt vier gleichberechtigter Herrscher gibt es nur noch den einen allmächtigen, allein regierenden Kaiser. Und tatsächlich hat Konstantin vieles zugunsten der Christen verändert. Sie werden nicht mehr verfolgt, dürfen ihre Religion frei ausüben, haben Zugang zu allen Ämtern und Ehrungen. Konstantin hat den Bischöfen weitgehende Kompetenzen in der Rechtsprechung eingeräumt, nutzt sie als Ratgeber, zahlreiche neue Gesetze zeigen klar einen christlichen Hintergrund. Darüber hinaus baut der Kaiser Kirchen, bestätigt das Christusmonogramm als Feldzeichen der römischen Legionen. Schließlich ruft er das erste ökumenische Konzil der Kirchengeschichte ein und leitet die Versammlung als Bischof unter Bischöfen.

Die theologische Legitimation der Herrschaft

Wenn das nicht fromm ist, was ist es dann? "Propaganda und politisches Kalkül", antworten Historiker, die dem Kaiserjubel des Eusebius und seiner Nachfolger misstrauen. Von einer Bekehrung und gläubigen Annahme des Christentums kann keine Rede sein. Konstantin hat das Christentum nicht auf Kosten tradierter römischer Kulte und Riten gefördert oder gar bevorzugt. Er hat es lediglich allen anderen Religionen gleichgestellt, um die Christen in den Staatsverband zu integrieren und sein übergeordnetes Ziel der Reichseinheit zu fördern. Abgesehen davon dient die Stilisierung zum Auserwählten Gottes auch der eigenen Legitimation. Welcher Mensch dürfte an der Rechtmäßigkeit einer Herrschaft zweifeln, die der Himmel bezeugt, die dadurch geheiligt und als Gottesgnadentum ausgewiesen ist? Kritik verbietet sich, wenn Gott selbst gesprochen und gehandelt hat. Konstantin dürfte die Vorteile dieser Sichtweise erkannt und für sich ausgenutzt haben. Das Hoheitszeichen des Erwählten übertünchte den Makel seiner doppelt illegitimen Herkunft - er war der uneheliche Sohn einer Magd oder Dirne und von Soldaten widerrechtlich erhoben worden -, es rechtfertigte zudem die Ausschaltung seiner Konkurrenten und schließlich auch die Übernahme der Alleinherrschaft. Solche offenkundigen Annehmlichkeiten sind ein bisschen christliche Heuchelei und das Pinseln bischöflicher Bäuche allemal wert!

Das Rätsel bleibt

Was stimmt, wie Konstantin tickte, ob sein Christentum ein Fake und nur Kalkül war, oder ob er sich doch allmählich zum gläubigen Christen entwickelte, lässt sich nicht mehr klären. Er hat kein persönliches Bekenntnis hinterlassen, er schreckte vor Bluttaten und Verwandtenmord nicht zurück, die Taufe empfing er vielleicht als Versicherung für alle Fälle, erst auf dem Totenbett. Was ihn wirklich persönlich bewegte, wovon er im Innersten ergriffen und überzeugt war, bleibt sein Geheimnis. Aber möglicherweise war ihm das auch alles selbst nicht so klar.


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