Beten, kämpfen, arbeiten
Geschichte | MS, RS, Gy |
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Im Mittelalter sehen die Menschen die Welt als von Gott erschaffenes, geordnetes Ganzes. Die Ordnung der Gesellschaft in Stände spiegelt dieses göttliche System wider und sichert den sozialen Frieden.
Gottgewollte Ordnung
Das ständische System galt den Menschen im Mittelalter - und darüber hinaus - als feste, von Gott gegebene Ordnung. In diesem System nimmt jeder Mensch den ihm zugewiesenen Platz ein. Dies sichert den sozialen Frieden und entspricht dem göttlichen Willen und der göttlichen Schöpfung - so der vorherrschende Glaube. In den mittelalterlichen Quellen ist von drei Ständen die Rede. Auch die Zahl drei wurzelt im religiösen Denken, spielt sie doch in der christlichen Theologie in Form der Dreifaltigkeit (Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist) eine wesentliche Rolle.
Veränderungen des Begriffs "Stand" im Mittelalter
Den Begriff "Stand" zu definieren ist nicht einfach, da er in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wird. Im Frühmittelalter sind die Stände ("Ordines") sehr stark religiös geprägt, sie werden nach dem Heilswert, also wie nah sie dem Vorbild Christi kommen, definiert. So gliedert sich die Gesellschaft im Frühmittelalter in Mönche, Kleriker und Laien. Da die Mönche dem Vorbild Christi am nächsten kommen haben sie den höchsten Heilswert und bilden den ersten Stand, die Kleriker den zweiten Stand und die Laien den dritten Stand. Im 11. Jahrhundert kommt es zu einem großen Umbruch im Mittelalter. Eine funktionale Ordnung rückt in den Vordergrund und der Heilswert ist nicht mehr ausschlaggebend. Nun gliedert sich die Gesellschaft in die Betenden ("Oratores", Klerus), die Kämpfenden ("Bellatores", Adel) und die Arbeitenden ("Laboratores", Bauern). Während sich die Priester um das Seelenheil aller Menschen kümmern, übernimmt der Adel mit dem Waffendienst den Schutz der Gesellschaft, denn nur Reiche können sich das teure Kriegshandwerk im Mittelalter leisten. Zur Anschaffung von Waffen, Rüstungen, Pferden und Knappen ist der Ertrag aus Grundbesitz vonnöten. Die höfische Ritterkultur mit Turnieren und Minnesang, wie wir sie heute eng mit dem Mittelalter verbinden, hatte ihre Blütezeit im Hochmittelalter, also von Mitte des 11. bis Mitte des 13. Jahrhunderts. Den weitaus größten Stand, mit etwa 90 Prozent der Gesamtbevölkerung, bildeten allerdings die bäuerlich arbeitenden Menschen.
Politische Mitbestimmung durch Landstände
Seit dem 11. Jahrhundert bieten die aufblühenden Städte neue Chancen für einen sozialen Aufstieg. Wer Glück hat und über genügend Mittel verfügt kann sich das Bürgerrecht kaufen. In den Städten schließen sich Kaufleute zu mächtigen Zünften zusammen und Handwerker bilden Gilden. Diese Entwicklung trifft im Spätmittelalter auf die sich langsam ausbildenden Territorialstaaten. In diesen schließen sich geistliche und weltliche Herren zu Landständen zusammen, um ihre Rechte zu wahren. Nur gegen Mitspracherechte im Finanzwesen genehmigen sie dem jeweiligen Landesfürsten Geld für Hofhaltung und Kriegsführung. An der Schwelle zur Neuzeit befindet sich die ständische Macht auf dem Höhepunkt, die Landtage entstehen. In diesen sitzen Vertreter aus Adel, Geistlichkeit und Städten. Die Bauern spielen nur noch selten eine Rolle. Die Landtage können als eine Art vormoderne Vorstufe des parlamentarischen Systems gesehen werden.