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Der Strom I Walchensee - Oskar von Millers Traum

Oskar von Miller, der Erbauer des Deutschen Museums, hat einen Traum: die Elektrifizierung Bayerns. Sein Mittel dazu ist die Isar. Sie soll das Wasser für ein Megakraftwerk am Walchensee liefern. Doch nicht alle sind begeistert und dann kommt auch noch die Inflation.

Von: Maximilian Burkhart

Stand: 02.04.2012 | Archiv

Blick auf das Wasserkraftwerk Walchensee | Bild: SZ-Photo/Scherl

Die erste Idee zu einem Walchenseekraftwerk liefert ein Münchner Ingenieurbüro bereits 1897. Die Idee liegt in der Luft, schließlich soll nicht nur das immer schneller wachsende Schienennetz der Bahn elektrifiziert werden. Auch Gemeinden entdecken den elektrischen Strom als Energiequelle.

Zu wenig Wasser

1889 wird Berchtesgaden mit einem 60-PS-Kleinkraftwerk elektrifiziert, 1892 verhilft Oskar von Miller Fürstenfeldbruck zu elektrischem Strom. Schnell fällt der Blick der Ingenieure auf den Walchensee, denn der Höhenunterschied zum Kochelsee beträgt 200 Meter.

Das ungeheure Energiepotenzial zu nutzen, erweist sich jedoch als ausgesprochen schwierig, denn es fehlt am benötigten Wasser. Das kann nur die Isar liefern, die bei Krün 70 Meter höher liegt als der Walchensee.

Gegen die Privatisierung der Wasserkraft

Auf breites öffentliches Interesse stößt die Walchenseenutzung 1904, als ein privates Planungsbüro um Rudolph Schmick und Jean Jacquel eine Konzession beantragt. Die bayerische Regierung genehmigt den Plan allerdings genauso wenig wie einen ähnlichen Antrag von Major von Donat 1906.

Doch die Politik ist aufgeschreckt und befindet, dass Wasserkraft in staatliche Hand gehört. Am 6. März 1907 schlägt Baurat Oskar von Miller vor, das Isar-Wasser bei Wallgau zu stauen und über einen Tunnel in den Walchensee zu leiten. Das Wehr wird später bei Krün gebaut. Außerdem soll der Rißbach, der in Tirol entspringt, die Isar untertunneln und über einen Stollen bei Niedernach in den See umgeleitet werden.

Hyperinflation, mythische Monster und Naturschutz

In den 1920er-Jahren schlägt in Deutschland die Hyperinflation zu und das Geld verliert rasant an Wert.

1909 wird das Walchenseeprojekt öffentlich ausgeschrieben. 1914 beschließen Abgeordnetenkammer und Reichsräte den Bau und bestätigen die Entscheidung nach dem Ersten Weltkrieg am 21. Juni 1918. Obwohl zeitweise über 2.000 Arbeiter schuften, verzögert die Hyperinflation die Bauarbeiten erheblich: 1921 gibt der bayerische Staat eigene Walchenseeanleihen zur Finanzierung heraus, 1923 ist ein US-Dollar vier Billionen Reichsmark wert.

In der Bevölkerung werden die Pläne sehr kontrovers diskutiert. Manche Anwohner fürchten gar, ein mythisches Ungeheuer zu wecken: den "Walchensee-Waller". Der mächtige Fisch lauere am Grund des See und könne glatt mit seinem Schwanz den Kesselberg durchschlagen. So lautet jedenfalls die Sage.

"Das Wasser ihrer Flüße verwandelte sich in Elektrizität, schlanke Masten der Überlandleitungen schwangen sich, grauglänzend, filigranhaft klar, in die leichte Luft. Ihr schöner, finsterer Walchensee musste sich verschandeln lassen durch ein großes Werk, das Bogenlampen leuchten machen sollte und Wagen antreiben. Das Gesicht des Landes änderte sich."

(Lion Feuchtwanger: Erfolg. IV. Buch, Kapitel 4)

Aber auch Naturschützer haben Bedenken. So schreibt die Zeitung "Das Bayernland": "Der Walchensee mit dem Isarwinkel und der Jachenau sollten leichtfertig der Vernichtung preisgegeben werden." (Jg. 33, Nr. 7, 7.12.1921)

Die "Baraber vom Walchensee"

Am 30. Juni 1921 tritt Oskar von Miller aus Enttäuschung über die Geschäftspolitik vom Vorsitz der Walchenseewerk AG zurück, kurz darauf wird das Bayernwerk gegründet. Die Arbeiten gehen trotz der Querelen gut voran, am 26. November 1924 beginnt der Bau des eigentlichen Kraftwerks bei Urfeld und Kochel.

Sämtliche Maschinenteile für das Kraftwerk werden über ein extra gelegtes Bahngleis nach Kochel transportiert und dann über den Kesselberg zum Walchensee geschafft. Im Winter ist die schlechte Straße nur mit Schlitten zu benutzen. Die schwere Arbeit verrichten vor allem Gastarbeiter, die sogenannten Baraber vom Walchensee.

Zurück zur Isar

Am 24. Januar 1924 ist es soweit: Die erste Walchenseeturbine produziert Strom. Ein großer Schritt für Oskar von Millers Lebenstraum von der Elektrifizierung Bayerns. Das Isar-Wasser gelangt durch die Ableitung am Krüner Stausee über den Sachensee und einen 3,9 Kilometer langen Druckstollen in die Obernacher Bucht.

Technische Daten

Sechs Rohre à 450 Meter
200 Meter Gefälle
Acht Turbinen
124 Megawatt Strom
84 Kubikmeter Wasser pro Sekunde

Der Rißbach wird durch einen 6.960 Meter langen Stollen, der auch die Isar untertunnelt, in die Niedernacher Bucht geleitet. Über die Loisach gelangt das entnommene Wasser bei Wolfratshausen wieder zurück in die Isar.


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