TTIP Heiße Diskussionen zum Freihandelsabkommen
Auch auf der re:publica regt sich gegen das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) massiver Widerstand – nicht nur, weil Netzthemen wie Datensicherheit und geistiges Eigentum davon betroffen sein könnten.
Gegen das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA gingen Anfang 2012 Hunderttausende auf die Straße. Das Abkommen scheiterte schließlich am Widerstand der EU. Mit dem Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) steht jetzt das nächste Handelsabkommen zwischen EU und USA ins Haus.
Massiver Widerstand gegen TTIP
Und es sieht so aus, als könnte sich die Geschichte wiederholen. Wieder gibt es massive Widerstände aus der Zivilgesellschaft. Die Kampagnenplattform "Campact" hat fast 500.000 Unterschriften gegen das Abkommen gesammelt.
Für den zuständigen EU-Handelskommissar de Gucht kein Grund irgendetwas zu hinterfragen: Er mache Politik für 500 Millionen, sagte de Gucht am Montag bei einer Veranstaltung, zu der Vizekanzler Gabriel eingeladen hatte. Das mag sein, doch für de Gucht als Verhandlungsführer hat sich keiner der 500 Millionen EU-Bürger entschieden.
Auch Netzthemen sind vom TTIP betroffen
Auch auf der Internetkonferenz re:publica ist das Abkommen ein heiß diskutiertes Thema. Nicht nur, weil Netzthemen wie Datensicherheit und geistiges Eigentum davon betroffen sein könnten – auch der Prozess, wie das TTIP ausgehandelt wird, stößt in der traditionell auf Transparenz bedachten Netz-Community auf Kritik. Ole Wintermann vom Thinktank "Future Challenges" der eher handelsfreundlichen Bertelsmann-Stiftung hat deshalb auf der re:publica eine Diskussionsrunde organisiert.
Glyn Moody zerpflückt das Handelsabkommen
Für den Überblick über das Thema wurde der englische Journalist Glyn Moody eingeladen, der auf opendotdotdot.blogspot.com seit Jahren zu den diversen Handelsabkommen bloggt. Moody zerpflückt erst einmal die finanziellen Verheißungen des Deals: "Die Studien, auf die sich die EU beruft, sagen: Im besten Fall führt das TTIP zu einer Steigerung des Bruttoinlandprodukts der Europäischen Union um 0,5 Prozent. Und zwar bis 2027. Das ist so gut wie nichts." Warum also brauchen wir dieses Abkommen?
Moody vermutet, dass es der Industrie eher um die zahlreichen sogenannten "nichttarifären Handelsbeschränkungen" geht. Das Abkommen könnte zum Beispiel die strengen Verbraucherschutzvorschriften in der EU unterwandern. Hier herrschen dies- und jenseits des Atlantiks ziemlich unvereinbare Ansichten. Ein Beispiel: Die EU verbietet etwa 1.300 Inhaltsstoffe in Kosmetika, weil sie diese für zu gefährlich hält. Die USA findet nur elf davon bedenklich.
Unterschiedliche Standards beim Datenschutz
Auch beim Datenschutz gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Das Problem: Die USA wollen keine strengeren Standards akzeptieren, die EU keine niedrigeren. Die Lösung: Beide Regelwerke sollen gelten, wenn sie zum gleichen Schutzniveau führen. Dann können amerikanische Produkte, die nach Regeln der USA hergestellt wurden, auch in der EU verkauft werden, ohne einen aufwendigen Zulassungsprozess zu durchlaufen. Doch für die Gegner des Abkommens ist das nur ein Trick. Denn wer entscheidet, ob die beiden Regelwerke zu den selben Standards führen? Im Endeffekt wäre die Folge wohl dieselbe: Nach amerikanischen Standards hergestellte Produkte könnten in Europa verkauft werden.
Schiedsgericht ist Super-GAU für Verbraucher
Ein weiterer Punkt, den die Amerikaner gern in dem Abkommen verankert sähen, sind Schiedsgerichte, die im Streit zwischen Unternehmen und Staaten Urteile fällen können. Wenn ein Staat strengere Regeln für ein Produkt durchsetzen will, oder es gar verbietet, dann könnten die Firmen vor diesem Gericht die entgangenen Gewinne von den Staaten einklagen. Das ist aus Unternehmenssicht verständlich, ein solches Verfahren würde ihre Investitionen beschützen. Für Verbraucherschützer ist das allerdings ein Super-GAU. Nicht nur, weil eventuelle Geldbußen der Staaten aus dem Portemonnaie der Steuerzahler bezahlt würden, sondern auch, weil dadurch zukünftiger Verbraucherschutz erschwert wird. Die Sorge: Regierungen könnten aus Angst vor Schadenersatzforderungen auf strengeren Verbraucherschutz verzichten.
Abkommen sollen demokratischem Prozess unterliegen
Das Panel auf der re:publica ist sich weitgehend einig: Das TTIP ist schlecht für die Bürger. Sogar der eigentlich als Pro-TTIP geladene Vertreter des IT-Branchenverbands Bitkom tut sich schwer, Argumente für das Abkommen zu finden. Wenigstens werde dann mal über Anliegen der hiesigen Internet-Branche gesprochen, findet er. Für Veranstalter Wintermann ist das TTIP bereits gescheitert: "Es gibt eine breite Allianz aus Bürgerrechtsorganisationen, den Grünen, den Piraten. Das TTIP ist in seiner jetzigen Form nicht durchzusetzen." Wintermann will aus dem Scheitern des TTIP für zukünftige Abkommen lernen. Wichtig sei in Zukunft vor allem, dass solche Abkommen in einem demokratischen Prozess zustande kommen. Die Internetgemeinde hat er mit dieser Forderung auf jeden Fall auf seiner Seite.