Gamesgott Molyneux im Shitstorm Ach Peter, du alter Dampfplauderer!
Peter Molyneux ist ein Star im Computerspielbusiness, aber gerade bricht ein gewaltiger Shitstorm über ihn herein. Unserem Autor tut es in der Seele weh, sein Idol leiden zu sehen. Trotzdem: Es ist Zeit für ein paar offene Worte.
"Natürlich sind Computerspiele Kunst! Wie kann man das nur leugnen?! Kunst hat etwas mit Emotionen zu tun. Sie lassen einen anders über die Dinge nachdenken. Und was anderes bitte tun Computerspiele? Natürlich sind Computerspiele Kunst! Und das macht mich zu einem Künstler!"
- Peter Molyneux
Fast sieben Jahre ist es jetzt her, dass du mir diese Sätze ins Mikrofon gesprochen hast. Du, der Star-Gamesdesigner! Du, der charismatische Computerspielvisionär! Du, der Held meiner Jugend! Du, Peter Molyneux , der du das Gamegenre der Göttersimulation erfunden hat!
Als Teenager habe ich Tage verbracht mit deinem Spiel "Populous", ach was, Wochen und Monate! Dort formte ich als allmächtiger Gott mit dem Mauszeiger eine klobige Welt nach meinen Vorstellungen - und machte mit diversen Katastrophen das Leben kleiner Pixelmännchen zu Hölle, wenn sie nicht an mich glauben wollten. Genau die richtige Art von Spiel also für ambitionierte High Potentials wie mich. Danach hast du mich in "Syndicate" in eine düstere Cyberpunk-Welt geschickt, mich in "Theme Park" Achterbahnen bauen und in "Dungeon Keeper" zum Gebieter über ein Verlies werden lassen, ein Verlies vollgestopft mit bösartigen Kreaturen.
Kaum jemand hatte so verrückte Ideen wie du. Deine Spiele konnte man sich blind kaufen, beziehungsweise konnte man sie sich blind "besorgen", du verstehst schon, was ich meine... Als ich dich dann damals in München traf, räumte mir deine Assistentin genau zehn Minuten Gesprächszeit ein. Ein Traum ging für mich in Erfüllung, und mit 28 hatte ich ihn also damit quasi schon erreicht: meinen beruflichen Höhepunkt.
"Viele Ideen kommen mir, wenn ich etwas erlebe. Viel Inspiration kommt auch über Musik. Wenn man Songs hört, die einen berühren, sei es, weil sie einen traurig machen, glücklich oder euphorisch, dann denke ich mir recht oft: Mein Gott, man stelle sich vor, ich könnte diese Gefühle mit einem Computerspiel erzeugen. Ein andere Inspiration ist mein kleiner Sohn: Wenn ich ihm dabei zusehe, wie er das erste Mal Dinge erlebt, dann ist das eine unglaubliche Inspiration."
- Peter Molyneux
Du konntest mitreißen, du konntest die Menschen begeistern, du warst eine kreative Naturgewalt, ein verrückter Maniac, für den sogar die taz eine ganze Seite freischaufelte. Dabei hieß es schon damals immer öfter: "Der Molyneux, der verbreitet doch nur heiße Luft!" Deine Spiele waren okay, aber Meisterwerke? Das waren sie schon damals nicht mehr. Trotzdem versprachst du mit jedem deiner Werke weiterhin mindestens die völlige Neudefinition dessen, was bisher nur als "Computerspiel" bekannt war.
"Ich habe nichts versprochen. Ich will liefern! Ich will die frühere Pracht auf neue Art in die Welt von heute übertragen. Und mit deiner Hilfe werden wir das schaffen!"
- Peter Molyneux im Pitchvideo zu Godus
Für dein neues Werk "Godus" hast du vor zwei Jahren über 700.000 Euro per Kickstarter gesammelt, aber die PC-Version wird und wird nicht fertig. Die Features, die du großspurig angekündigt hast, wird das Spiel wohl gar nicht enthalten. Und dann die Geschichte mit "Curiosity". Eine "lebensveränderte Erfahrung" hast du demjenigen versprochen, der es schafft, zum Kern deines virtuellen Würfel vorzudringen, nämlich ein Prozent der Umsätze, die du mit "Godus" erwirtschaftest. Aber der 20-Jährige, der den Würfel geknackt hat, wurde einfach vergessen. Nicht mal eine Mail hast du ihm geschickt.
Du hast auf ganzer Linie enttäuscht. Würdest du wirklich als Künstler gelten, man würde dir dein Verhalten vielleicht wohlwollend als Exzentrik auslegen. "Der Molyneux, der scheißt halt auf Businesspläne, Abgabetermine und Exeltabellen! Hach, was für eine coole Wurst!" Aber Computerspiele haben immer noch sehr viel mehr mit Big Business zu tun als mit Kunst. Und die Inverstoren, die an dich geglaubt haben, das sind eben keine Schlipsträger mit Rolex am Arm, sondern deine Fans. Und das, lieber Peter Molyneux, das ist ein Problem.
Das Interview, das ich damals in München mit dir geführt habe, ist nie gesendet worden. So wichtig warst du meiner Redaktion dann doch nicht. Aber ich habe es aufgehoben und die knapp zehn Megabyte große MP3-Datei abgespeichert. Auf einer externen Festplatte, zusätzlich auf drei Rechnern, dann noch auf Google Drive und in One Drive von Microsoft. Und zur Sicherheit habe ich das Ding dann nochmal in die Dropbox geschoben. Ich will es nicht verlieren, dieses Interview. Denn eines ist auch klar: Das Medium Computerspiel braucht sie, die Verrückten wie dich. Die Visionäre, die auch mal spektakulär scheitern. Aber bitte tue mir einen Gefallen: Nimm den Mund in Zukunft nicht mehr ganz so voll.