Garmisch-Partenkirchen Ortsgeschichte im Nationalsozialismus
Mit der Austragung der IV. Olympischen Winterspiele im Jahr 1936 kam Garmisch-Partenkirchen zur Zeit des Nationalsozialismus eine besondere Bedeutung zu. Schülerinnen und Schüler vom Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen setzen sich im Rahmen eines P-Seminars mit der Geschichte ihres Heimatortes in den Jahren der faschistischen Diktatur unter Hitler auseinander. Produziert wurden die Audioguides, die allen Interessierten zur Verfügung stehen, unter Anleitung der BR-Journalistinnen Angela Braun und Annette Kugler in den Studios des Bayerischen Rundfunks.
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Das Bunte Haus und seine dunkle Vergangenheit
Im sog. Bunten Haus spielte sich das Drama um Hedwig und Fritz Staackmann ab, die eine Leihbücherei betrieben. Im gleichen Haus wohnten die Eltern des 1929 in Garmisch geborenen Schriftstellers Michael Ende. Hedy Staackmann war jüdischer Herkunft, ihr Mann Fritz litt aufgrund einer Verletzung im Ersten Weltkrieg an Epilepsie.
Nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 mussten auch die Staackmanns, wie alle anderen Garmischer Juden, den Ort verlassen. Michael Ende nahm die menschenverachtenden Geschehnisse zum Anlass für seine "Ballade vom Heldentod eines deutschen Offiziers".Quelle: Audioguide "Garmisch-Partenkirchen zur Zeit des Nationalsozialismus", Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen.
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Symbolhafte Zwangsvereinigung
1935 erzwangen die Nazis die Vereinigung der Nachbarorte Garmisch und Partenkirchen. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Olympischen Spiele stilisierten sie die Zwangsheirat zum Symbol für die Einheit des Deutschen Reichs.
Bei der Bevölkerung war die Vereinigung, die schon unter König Ludwig III. erwogen worden war, äußerst unbeliebt. Die Verantwortlichen setzten den Zusammenschluss der beiden Orte schließlich mit der Drohung durch, sonst alle Garmischer und Partenkirchener Gemeinderäte in das KZ Dachau zu sperren.Quelle: Audioguide "Garmisch-Partenkirchen zur Zeit des Nationalsozialismus", Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen.
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Das Gebäude beherbergte den Festsaal der Nationalsozialisten in Garmisch-Partenkirchen.
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Per Beschluss "Jüdische Kurgäste unerwünscht!"
Dort, wo heute das Kongresshaus von Garmisch-Partenkirchen steht, befand sich früher der Festsaal der Nationalsozialisten. Er diente als repräsentativer Versammlungsort. Hier wurde laut und deutlich propagiert, dass Kurgäste jüdischer Abstammung in Garmisch-Partenkirchen nicht mehr erwünscht seien.
In den 70er Jahren wurde das Gebäude abgerissen. An gleicher Stelle baute die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen das heutige Kongresshaus. -
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In 24 Stunden "judenfrei"
"Nun sind wir wieder unter uns", schrieb die Lokalpresse nach dem Pogrom vom 9. November 1938. Garmisch-Partenkirchen wurde "judenfrei" - in nur 24 Stunden.
Die jüdischen Bürger mussten eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass sie Garmisch-Partenkirchen mit dem nächstmöglichen Zug verlassen würden. Sie mussten sich außerdem verpflichten, ihren Besitz in Garmisch-Partenkirchen an Arier zu verkaufen.Quelle: Audioguide "Garmisch-Partenkirchen zur Zeit des Nationalsozialismus", Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen.
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Das Ehepaar Lipffert - als Seelsorger für Arier nicht mehr tragbar!
Klementine Lipffert war die halbjüdische Frau des evangelischen Pfarrers Ernst Lipffert, der in der Gemeinde Partenkirchen tätig war. Nach vielen Schikanen, die in einem Hetzartikel im antisemitischen Kampfblatt "Der Stürmer" gipfelten, musste das Ehepaar Partenkirchen 1935 endgültig verlassen - nach 20 Jahren Seelsorge.
Quelle: Audioguide "Garmisch-Partenkirchen zur Zeit des Nationalsozialismus", Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen.
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"Haus der Nationalsozialisten"
Das ehemalige Kur- und Rathaus von Garmisch wurde ab 1936 zum Haus der Nationalsozialisten. Hier wurden die jüdischen Bewohner der Marktgemeinde am 10. November 1938 vor die "Wahl" gestellt: Aufgabe der Heimat oder KZ.
Nur wenige Meter von dem Gebäude entfernt steht heute das Denkmal, das an die Opfer der Judenverfolgung in Garmisch-Partenkirchen erinnert: 44 Stelen für 44 jüdische Schicksale. In acht dieser Stelen sind Namen eingraviert - die Namen derer, die die Verfolgung nicht überlebt haben. -
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Dr. Richard Ladenburg
Eine der Stelen des Denkmals auf dem Marienplatz in Garmisch-Partenkirchen erinnert an das Schicksal von Dr. Richard Ladenburg, der am 10. November 1938 von den Nazis abgeführt und unter dem Gegröle der Hitlerjugend ins "Haus der Nationalsozialisten" gebracht wurde.
Richard und Maud Ladenburg wurden gezwungen, Garmisch zu verlassen und ihren Besitz aufzugeben. Nur vier Tage später, am 14. November 1938, starb Richard Ladenburg in einem Krankenhaus, nachdem er vergeblich versucht hatte, über Holland nach England zu entkommen.Quelle: Audioguide "Garmisch-Partenkirchen zur Zeit des Nationalsozialismus", Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen.
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Olympische Winterspiele im Zeichen des Hakenkreuzes
"Ich erkläre die IV. Olympischen Winterspiele für eröffnet" - bei diesen Worten Adolf Hitlers im Skistadion von Garmisch-Partenkirchen begann es zu schneien - in einem bis dahin fast schneelosen Winter. Dieser Zufall wurde dann als "Wunder von Garmisch-Partenkirchen" propagandamäßig verherrlicht.
Alles schien perfekt zu laufen, vor allem für die nationalsozialistische Propaganda. Im Vorfeld gab es allerdings - vor allem aus den USA - Drohungen zum Boykott der Spiele, sofern die judenfeindliche Parolen nicht verschwänden. Vordergründig gab das Hitler-Regime dem nach. -
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Die Skisprungschanze
Eigens für die Olympischen Spiele 1936 wurde die Skisprungschanze erneuert und mit einem 43 Meter hohen Holzturm neu gebaut.
Am Gudi-Berg wurde 1904 erstmals eine Schanze gebaut. Seit 1921 findet hier das traditionelle Neujahrsspringen statt; seit 2008 auf der neuen Schanze. -
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Rudolf "Rudi" Ball - die Eishockey-Legende als "Vorzeige-Jude"
Der legendäre Eishockey-Spieler Rudolf "Rudi" Ball, gebürtiger Berliner und Halbjude, war schon im Ausland, als ihn die Nazis zurück nach Deutschland ins Nationalteam holten.
Der Eishockey-Spieler Rudi Ball, wie dann die halbjüdische Fechterin Helene Mayer bei den Olympischen Sommerspielen im gleichen Jahr in Berlin, waren die einzigen Juden in der Olympia-Mannschaft. Damit wollte das Regime den Vorwurf entkräften, man lasse keine Juden starten.
Rudi Ball konnte nach 1936 seine Karriere in Deutschland fortsetzen. Wie es dazu kam, erzählt das fiktive Interview.Quelle: Audioguide "Garmisch-Partenkirchen zur Zeit des Nationalsozialismus", Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen.
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Das Olympia-Eisstadion
Das Olympia-Eisstadion wurde eigens für die Olympischen Spiele 1936 in nur 106 Tagen errichtet. Das Freiluftstadion bot Platz für 8.644 Zuschauer. Hier gewann Sonja Henie aus Norwegen ihre dritte olympische Goldmedaille.
Das Eisstadion sollte in den folgenden Jahren wesentlich vergrößert werden, weil Garmisch-Partenkirchen 1939 den Zuschlag für die V. Olympischen Winterspiele im Jahr 1940 erhalten hatte. Die Spiele wurden zurückgegeben, weil Deutschland den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte. -
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Winter-Olympia 1936: Die Schlussfeier
Erst bei der Schlussfeier wurden die Medaillen vergeben. So drängten sich ca. 130.000 Zuschauer im Stadion, die die Medaillenvergabe mitverfolgen wollten. Die erfolgreichste Nation war Norwegen, gefolgt von Deutschland und Schweden.
In den Augen der Nationalsozialisten waren die Spiele erfolgreich verlaufen. Die zuvor auf Druck des Auslands entfernten Schilder mit judenfeindlichen Parolen wurden wieder montiert. -
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Orangen aus Haifa für eine Heldentat
Am 25. April 1945 machte ein Zug mit 1.700 jüdischen Häftlingen am Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen Halt. Johann Mordstein, ein einfacher Arbeiter und der Wirt der Bahnhofskantine, wollte dem Elend der eingepferchten Häftlinge nicht tatenlos zusehen und versteckte zwei Männer in seinem Keller.
Fünf Jahre später erreichte ihn ein Paket aus Haifa, Israel. Der Inhalt: Eine Kiste Jaffa-Orangen als Dank für die Rettung.Quelle: Audioguide "Garmisch-Partenkirchen zur Zeit des Nationalsozialismus", Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen.
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Alliierte bombardieren den Bahnhof
Garmisch-Partenkirchen blieb bis kurz vor Kriegsende weitgehend verschont. Erst ab 1944 gab es vereinzelte Bombenangriffe. Das änderte sich in den letzten Monaten des Krieges.
Am 22. Februar 1945 trafen alliierte Bomben den Bahnhof der Marktgemeinde am Fuße der Zugspitze. Es gabe Tote und Verletzte.