Davidstern und Edelweiß Erinnerungskultur auf dem Friesenberghaus im Zillertal
Das Friesenberghaus im Zillertal wurde 1928 vom „jüdisch-liberalen Deutschen Alpenverein Berlin“ gebaut, der sich aus Protest gegen den Ausschluss jüdischer Bergsteiger aus dem Deutschen und Österreichischen Alpenverein gegründet hatte. Heute ist es eine "Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte gegen Intoleranz und Hass".
Die Berliner Bergsteiger hatten schon immer eine ganz besondere Beziehung zum Zillertal. Auf die klassische Sommerfrische für gut betuchte Berliner folgten alpine Pioniertaten und Erstbesteigungen - und seit 1879 wurde der Zillertaler Hauptkamm mit Wegen und Hütten erschossen. Eine von ihnen ist das knapp 2500 Meter hochgelegene Friesenberghaus überm Schlegeisgrund.
Gebaut wurde es 1928 vom „jüdisch-liberalen Deutschen Alpenverein Berlin“, der sich aus Protest gegen den Ausschluss jüdischer Bergsteiger aus dem Deutschen und Österreichischen Alpenverein gegründet hatte. Bis zur Enteignung durch die Nazis wurde das Friesenberghaus zum Rückzugsort für jüdische Bergsteiger, die durch den „Arier-Paragraphen“ auf anderen Hütten nicht mehr erwünscht waren. Heute ist das Friesenberghaus wieder im Besitz der Sektion Berlin und eine "Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte gegen Intoleranz und Hass".
Auf dem Gedenkstein vor dem Friesenberghaus erinnert das in einen Judenstern integrierte Edelweiß an ein dunkles Kapitel der Alpingeschichte: an den Ausschluss jüdischer Bergsteiger aus dem Alpenverein zwischen 1921 und 1945.
„Über 1.000 Meter beginnt das Dritte Reich“ hatte damals der Wortführer des alpinen Antisemitismus, der österreichische Bergsteiger Eduard Pichl, getönt – und wer glaubt, der Antisemitismus sei Schnee von gestern, der irrt. Ende Juli 2010 zog eine Gruppe junger Männer auf dem Berliner Höhenweg von Hütte zu Hütte und hinterließ im Hüttenbuch sogar den Spruch „Juden raus aus dem Alpenverein“. Ebenso beschämend und unglaublich wie die Tatsache, dass sich antisemitische Klischees bis heute halten. Auch jüngere Zillertaler Bergführer erzählen, dass es im Friesenberghaus einst vergoldete Wasserhähne und Perserteppiche gegeben haben soll – blanker Unsinn, auch wenn das 1928 erbaute Haus für damalige Verhältnisse topmodern und jedes Zimmer sogar mit fließend Kalt- und Warmwasser ausgestattet war.
Tatsache aber ist, dass es 1928 in der Nähe des Friesenberghauses zu einem Unglück kam, das schnell als jüdischer Vatermord deklariert wurde - die Affäre Halsmann. Der jüdische Zahnarzt Murdoch Halsmann aus Riga war auf dem Weg zwischen der Dominikushütte und dem Breitlahner tödlich abgestürzt, sein Sohn Philipp Halsmann wurde trotz unklarer Beweislage des Mordes bezichtigt – für den aufkeimenden Nationalsozialismus ein „gefundenes Fressen“, in der Tatortskizze wurde die Fundstelle der Leiche sogar mit einem Hakenkreuz markiert.
Der Halsmann-Prozess in Innsbruck hat damals für großes Aufsehen gesorgt, da sich sogar Thomas Mann und Albert Einstein für den angeblichen Mörder eingesetzt haben. Wegen Totschlags wurde Philipp Halsmann dann zu vier Jahren Haft verurteilt, begnadigt und nach der Emigration in die USA zu einem berühmten Fotografen. Der Grazer Schriftsteller Martin Pollack hat das Geschehen in seinem dokumentarischen Roman „Anklage Vatermord“ nachgezeichnet.
Der 1892 in Wien geborene Joseph Braunstein war nicht nur ein begnadeter Violinist und renommierter Musikhistoriker, sondern auch Schriftwart des Friesenberghauses. 1940 gelang ihm auf den letzten Drücker die Emigration nach New York. Der Name Joseph Braunstein findet sich auch auf den Stühlen im Friesenberghaus. Jeder Stuhl ist einem Mitglied des Deutschen Alpenvereins Berlin gewidmet sowie den Sektionen, die sich damals gegen den Ausschluss jüdischer Alpinisten und den alpinen Antisemitismus zur Wehr gesetzt haben wie zum Beispiel die Sektionen Aachen und Frankfurt. Klaus Kundt, der ehemalige Vorsitzende der Sektion Berlin, hat nicht nur die lange Zeit überfällige Antisemitismus-Debatte im Alpenverein mitinitiiert, er hat im Friesenberghaus auch ein kleines Museum zu diesem Thema eingerichtet.
Nach der Enteignung und der militärischen Nutzung durch die Nationalsozialisten wurde das Friesenberghaus gegen Kriegsende geplündert, 1968 dann wieder in die Obhut der Sektion Berlin gegeben. Doch erst im vergangenen Jahrzehnt hat man seine Bedeutung als zeitgeschichtliches Juwel erkannt und gewürdigt. Davon zeugt der große Gedenkstein vor der Hütte. Die Bronzeplakette verbindet das Pentagramm mit dem AV-Edelweiß.
Seit 2003 ist das Friesenberghaus eine „Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte gegen Hass und Intoleranz unter Bergsteigern“. Wer das Haus besucht, kommt an der Vergangenheit nicht vorbei und soll zum Nachdenken angeregt werden. Klaus Kundt aber ist wichtig, dass es hier nicht nur um den Antisemitismus von einst geht, sondern generell um die Ausgrenzung bestimmter Gruppen aus der Gesellschaft und um die aktuell wieder zunehmende Fremdenfeindlichkeit.
Darüber hinaus aber muss man auf dem Friesenberghaus auch die wunderbare Aussicht genießen und vom Dunkel der Geschichte ins Licht und auf die umliegenden Gipfel und Gletscher blicken: auf Schwarzenstein, Hornspitzen, Turnerkamp, Großen Greiner, Breitnock und Hochfeiler.
Info
Wenn Sie das Friesenberghaus besuchen möchten, müssen Sie noch etwas warten: Die Sommersaison beginnt am 20. Juni.
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