BR Fernsehen - Film & Serie


0

Im Angesicht des Verbrechens Interview mit Autor Rolf Basedow

Stand: 09.12.2011 | Archiv

Filmszene aus "Im Angesicht des Verbrechens" | Bild: ARD/Julia von Vietinghoff

Berlin, die Drehscheibe zwischen Ost und West auch für die Kriminellen. Ist Ihr Drehbuch pure Fiktion oder wollten Sie die Vorlage zu einer authentischen Milieuschilderung durch Regisseur Dominik Graf schreiben?

Basedow: Die Geschichten sind nicht pure Fiktion. Die Serie basiert auf vielen Erzählungen, die ich bei meinen Recherchen aus erster Hand erfahren habe, und fußt zusätzlich auf dem, was ich selber gesehen habe und was ich besonders aus russischen Filmen gelernt habe.

Lottner (Ronald Zehrfeld, li.) und Gorsky (Max Riemelt) beim Observieren in der Russendisco.

Die Serie konzentriert sich nur auf einen bestimmten Ausschnitt der kriminellen Tätigkeit und polizeilicher Ermittlungsarbeit. Diesen habe ich versucht, sehr genau zu beschreiben. Aber im Buch wie in der Inszenierung wird der vordergründige Realismus mit Action, Poesie, Märchenhaftem, Komödiantischem, Leichtigkeit und Glücksmomenten durchmischt.

Wie sind Sie an die Informationen aus dem Milieu gekommen? Nur am Computer das Thema Russenmafia zu googeln, wird nicht gereicht haben?

Basedow: Ich habe klassisch recherchiert. Viele Gespräche mit Banditen und Polizisten geführt, Reisen in den Osten gemacht und mich umgesehen und gehört, war soweit es ging nahe bei den Menschen, in den Familien, bei den Festen.

Gab es Momente, in denen Sie bei Ihren Recherchen ein leichtes Angstgefühl beschlich?

Spediteur Lenz (Bernd Stegemann) hat sich Jelena (Alina Levshin) für die lange Zugfahrt in die Ukraine mitgenommen.

Basedow: Als ich mit drei Banditen allein durch einen Wald irgendwo im Osten spazierte. Ich kam aber unbeschadet und klüger wieder heraus. Mir wurde dabei erzählt, welche Bäume welche Krankheiten heilen können. Und eine Autorität hat mir lange aus seiner Jugend in Moldawien erzählt. Manchmal sind diese Banditen außen wie Geschosse und innen wie Blumen.

Gut organisierte russische Gangster, vietnamesische Zigarettenhändler, eine multiethnische Brigade fürs Grobe. Der deutsche Kriminelle tritt nur in der Person Lenz als schmieriger Beschaffer einer legalen Fassade auf. Haben die Deutschen im kriminellen Milieu in Berlin abgedankt?

Basedow: In Deutschland gab es nach dem Krieg wohl weitgehend keine organisierte Kriminalität wie in den 20ern mit den Ringvereinen.

Regisseur Dominik Graf (li.) bei den Dreharbeiten

Also gab es zwangsläufig so gut wie keine Gegenwehr gegen ethnisch organisierte Banden und die Polizei war auch auf so was nicht vorbereitet. Aber ich bin kein Experte für Kriminalität. Ich bin ein Geschichtenerzähler und zeige die Dinge möglichst vielschichtig und ohne zu urteilen, versuche vor allem das Denken, Fühlen, Sprechen, Verhalten der Charaktere genau zu treffen. Es geht mir im Wesentlichen immer um den Menschen, der seine Arbeit macht und auf der Suche nach dem Glück ist.

Die jungen Polizisten, besonders Gorsky und Lottner, sind so was wie ein neuer Typus von Polizisten, oder?

Basedow: Sie haben Spaß am Leben, übernehmen Verantwortung, verstehen was von ihrer Arbeit, sind begeistert und besessen und glauben an die Zukunft. Sie sind keine Neurosenträger, die sozial vereinsamt, überfordert, liebesunfähig und therapiereif sind.

Gorsky und Lottner kommen an ihr Ziel. Sie werden Ermittler im LKA und müssen nicht mehr als Abschnittspolizisten versuchen, den tagtäglichen Wahnsinn in einer Stadt wie Berlin zu regulieren. Können Sie sich eine Fortsetzung der Serie vorstellen?

Marek Gorsky und Anja Kirchner (Carmen Birk) bei einem Einsatz

Basedow: Wir hatten das immer im Sinn, als wir dieses Panorama entwickelten. Ich dachte, es könnte sein wie bei der Nibelungensage. Der zweite Teil wäre dann Krimhilds Rache. Stella will ihren Mann rächen und Gorsky und Lottner spüren neue kriminelle Strukturen auf, bei denen auch Organisationen der gesellschaftlichen Mitte beteiligt sind. Das Feld ist groß, alles verändert sich ständig, die Kriminalität, die Menschen, das Leben.


0