"1806 – Die Nürnberg Saga" Ereignisse um Nürnbergs Schicksalsjahr
"1806 – Die Nürnberg Saga" beschäftigt sich natürlich mit dem Jahr, in dem die Reichstadt Nürnberg seine Unabhängigkeit verlor – aber auch mit den Ereignissen davor und danach. Eine Auswahl davon haben wir in einem Zeitstrahl zusammengefasst.
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1787
Das Ballon von Jean-Pierre Blanchard
13. November 1787
12. November 1787: Er fliegt!
Vor rund 50.000 begeisterten Zuschauern steigt der Wasserstoffballon des Franzosen Jean-Pierre Blanchard vom Judenbühl (am heutigen Stadtpark) aus in die Luft. Nach rund 50 Minuten endet die Fahrt glücklich im Knoblauchsland. Der Rat der Stadt hat für die herbeigeströmten Menschen extra den Beginn des Christkindlesmarktes vorverlegt. Ein grandioser Einfall und wirtschaftlich ein voller Erfolg! Aber auch das Ereignis des Ballonaufstiegs bedeutet einen willkommenen Ansehensgewinn für die alte Reichstadt.
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1792
1792
Aufruf zum Umsturz
Eines Nachts findet der Kaufmann Paul Wolfgang Merkel, Mitglied des Großen Rates der Stadt, ein handgeschriebenes Pamphlet auf der Straße, auf dem zum Umsturz aufgerufen wird.
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1793
Eine Seite aus einem von Bestelmeiers Katalogen
1793
Der erste bebilderte Spielwarenkatalog
Eine Weltneuheit: In Nürnberg erscheint der erste bebilderte Spielwarenkatalog. Der Händler Hienonymus Bestelmeier gibt darin 8.000 verschiedene Objekte an, die er verspricht, auf Lager zu haben. Vom Abakus bis zum Zauberkasten – alles, was Kinderherzen des ausgehenden 18. Jahrhunderts höher schlagen lässt. Ein früher Erfolg ist seine "english doll", eine Anziehfigur aus Pappe, die Mädchen mit unterschiedlichen Kleidern nach der neuesten Mode anziehen können. Eine Idee aus England, die Bestelmeier abgekupfert hat.
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1795
2. April 1795
2. April 1795: Der Eierkuchenaufstand
Getreide wird immer teuer, und damit auch das Mehl. Deswegen wollen die Bäcker zu Ostern heuer keine Eierkuchen – süße Milchbrötchen – kostenlos an die Nürnberger verteilen. Dabei ist das alter Brauch! Ein aufgebrachter Mob stürmt in der Nacht 26 Bäckereien, verwüstet und zerschlägt die Einrichtung und verprügelt die Bäcker, die sich weigern, Eierkuchen zu backen. Das vom Rat zur Niederschlagung des Aufruhrs kommandierte Stadtmilitär weigert sich auszurücken. Erst das unter dem Befehl der Kaufmannschaft stehende Bürgermilitär kann die Lage beruhigen – Friede, Freude, Eierkuchen?
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1796
Stadtansicht von Nürnberg um 1830
4. Juli 1796
4. Juli 1795: Die Preußen vor der Stadt
Preußische Truppen stehen vor der Stadt. Kanoniere stehen mit brennenden Lunten bereit, sollte sich ein Stadtsoldat zeigen. Der von Preußen bevollmächtigte Minister Hardenberg aus Ansbach will die militärische und politische Schwäche Nürnbergs ausnutzen und den alten Streit um die Hoheitsrechte des Nürnberger Gebietes für Preußen entscheiden. Tatsächlich bleibt den Nürnbergern nur, sich beim Kaiser zu beschweren. Die Stadt ist vom Umland abgeschnitten, Nahrung und Steuergelder fehlen, ebenso die Kunden für den Kleinhandel. Schwere Zeiten für die Reichsstadt.
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1796
Französische Soldaten marschieren durch Nürnberg
9. August 1796
9. August 1796: Die Franzosen kommen!
Frankreichs Rheinarmee zieht durch Franken. Nürnberg fürchtet, besetzt und ausgeplündert zu werden. Eine Delegation der Stadt trifft die Franzosen in ihrem Hauptquartier in Iphofen, bietet Geld, Ordnung und Manneszucht versprochen werden. General Jourdan hört sich das Angebot an, macht aber keine Zusage. Ab 2. August besetzen seine Truppen vierzehn Tage lang die Stadt und verursachen Kosten in Höhe von 1,5 Mio. Gulden. Die muss sich die klamme Stadt bei den eigenen Bürgern und Frankfurter Bankiers leihen. Die bald fälligen Zinszahlungen belasten die Stadtkasse enorm.
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1796
Karl August von Hardenberg (1750-1822)
2. September 1796
2. September 1796: Politischer Selbstmord
Wie sich vor zukünftigen Überfällen schützen? Die Nürnberger verfallen auf eine Idee, die politischem Selbstmord gleichkommt: Sie bieten Minister Hardenberg an, sich Preußen freiwillig zu unterstellen. Preußen hatte mit Frankreich 1795 den Separatfrieden von Basel geschlossen und damit die Unverletzlichkeit preußischen Territoriums garantiert. Auf eigene Verantwortung lässt Hardenberg daraufhin Truppen in Nürnberg einmarschieren – ohne Genehmigung seines Königs Friedrich Wilhelm II. Als der die Angliederung Nürnberg ablehnt, verlassen die Soldaten Nürnberg. Die Stadt steht wieder am Anfang.
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1800
Dezember 1800
18. Dezember 1800: Die Franzosen sind zurück
Beim Weiler Gleißhammer treffen in Sichtweite Nürnbergs österreichische und französische Truppen aufeinander. Die Franzosen obsiegen und ziehen in die Stadt ein. Dieses Mal benehmen sich die ungebetenen Gäste, es kommt sogar zu freundschaftlichen Umgang miteinander. Auch die Nürnberger Damenwelt ist vom sprichwörtlichen Charme der Franzosen angetan. Kupferstiche, die sich über den charmanten Umgang der Gäste mit den Damen der Stadt lustig machen, finden reißenden Absatz. Die Kirchenbücher verzeichnen nach neun Monaten eine Reihe unehelicher Geburten – Kuckuckskinder nicht eingeschlossen.
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1806
Maximilian I. Joseph, bayerischer König von Napoleons Gnaden
1806
1. Januar 1806: Trommeln in der Ferne
In München wird unter Trompetenschall und Trommelwirbel das Königreich Bayern ausgerufen. Nach dem vernichtenden Sieg über Österreich und Russland ist Napoleon Herr Europas. Er diktiert die politische Agenda. Er erhebt Kurfürsten, Herzöge und Markgrafen zu Königen und Großherzögen und legt damit die Axt an die Wurzeln des Heiligen Römischen Reiches. Auch der Kurfürst von Bayern wird König. Daneben verheiratet Napoleon seine Verwandtschaft quer durch alte regierende Familien, um seinen eigenen Aufstieg absichern. Bayern erhält die Zusage für Gebietsgewinne, darunter auch Nürnberg.
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1806
Napoleon Bonaparte
13. Juni 1806
13. Juni 1806: Die Rheinbundakte
In Paris wird die Rheinbundakte unterschrieben. Fast alle deutschen Fürsten, darunter auch die bayerischen, treten diesem Bündnis unter dem Protektorat Napoleons bei. Die Rheinbundstaaten müssen Truppen für Napoleons Kriege stellen, Bayern allein 30.000 Mann.
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1806
Reichskrone und Reichsapfel des Heiligen Römischen Reiches
6. August 1806
6. August 1806: Das Ende des Reiches
Kaiser Franz II. legt die Kaiserkrone nieder, das Heilige Römische Reich ist beendet. Im Jahr zuvor hatte er sich den Titel des Kaisers von Österreich zugelegt. Keine Macht rührt auch nur einen Säbel, um das 800 Jahre alte Staatsgebilde vor dem Untergang zu bewahren. Im Gegenteil: Der Rheinbundes hatte de facto das Ende des Reiches besiegelt, Kaiser Franz kommt mit seiner Abdankung einem Ultimatum Napoleons nach. Nürnberg ist jetzt eine Reichstadt ohne Reich. Das Ende seiner Freiheit ist bereits besiegelt. Doch sollte es noch einige Wochen dauern, bis Bayern von Nürnberg Besitz ergreift.
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1806
15. September 1806
15. September 1806: Das Ende der Freiheit
Es ist der Tag der Übergabe Nürnbergs an Bayern. Auf dem Neuen Bau, heute Maxplatz, sind bayerische und französische Truppen aufmarschiert. Schaulustige drängen sich in dichten Reihen, um der feierlichen Zeremonie beizuwohnen. Der französische Kommissar Fririon verliest die Übergabeurkunde. In banger Erwartung einer ungewissen Zukunft strömt das Volk auseinander. Eine viel erzählte Anekdote will wissen, dass Paul Wolfgang Merkels Frau Margarethe angesichts der neuen Lage ihre Kinder in den Arm nahm und ausrief: "Ab heute seid ihr Fürstenknechte!"
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1806
17. September 1806
17. September 1806: Erfolgloses Einschmeicheln
Im Hause des Patriziers Holzschuher gibt das Nürnberger Patriziat ein Festbankett zu Ehren des neuen bayerischen Generalkommissars Graf Thürheim. Damit soll nicht nur ein Zeichen der Loyalität gesetzt werden. Auch erhoffen sich die alten Herren der Stadt, ihre Sonderstellung in irgendeiner Form beibehalten zu können. Ein Wunsch, der sich nicht erfüllen wird.
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1806
November 1806
November 1806: Der Ausverkauf beginnt
Bayern bringt fast den gesamten Besitz der ehemaligen Reichstadt unter den Hammer. Kostbarstes Kulturgut, aber auch kupferne Dachrinnen – einfach alles von Wert. Das Überangebot verdirbt die Preise, Kostbarkeiten werden zum Wühltischtarif verkauft. Viele Nürnberger Bürger bieten mit, auch der Kaufmann Paul Wolfgang Merkel beteiligt sich, teils über Strohmänner. So kann er den kostbaren Tafelaufsatz des Wenzel Jamnitzer aus Ratsbesitz ersteigern und so vor einem ungewissen Schicksal retten. Dass dieser nunmehr im Amsterdamer Rijksmuseum zu bewundern ist, ist freilich eine andere Geschichte.
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1809
10. April 1809
10. April 1806: Kurzer Aufstand gegen die neuen Herren
Ein österreichisches Freikorps zieht in Richtung Nürnberg. Aufrufe des bayerischen Generalkommissars Graf Thürheim, sich den anrückenden Feinden entgegenzuwerfen, bleiben ungehört. Statt dessen werden die Österreicher von den Nürnbergern stürmisch begrüßt. Der verhasste bayerische Polizeidirektor Wurm wird inhaftiert. Bald darauf wird er, Thürheim und einige Bürger der Stadt von den Österreichern als Geiseln genommen. Sie werden nach Bamberg verschleppt, jedoch einige Tage später wieder freigelassen, weil sich das Freikorps wieder nach Böhmen zurückziehen muss.
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1812
März 1812
März 1812: Mit der Grande Armée in den Krieg
Das bayerische Kontingent von insgesamt 33.000 Mann sammelt sich bei Nürnberg, um mit Napoleons Grande Armée zum Russlandfeldzug aufzubrechen. Karl von Tucher dient als Unterleutnant im 1. Linienregiment und marschiert mit in Richtung Osten.
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1812
15. September 1812
15. September 1812: Einer unter Tausenden
Jobst und Susanna von Tucher erhalten die Nachricht, dass ihr ältester Sohn in der Schlacht von Polozk gefallen ist. Die wenigsten der in Russland gebliebenen bayerischen Soldaten sterben im Kampf. Die meisten erliegen Hunger, Kälte oder Seuchen. Fast 30.000 bayerische Soldaten verlieren auf diesem Feldzug ihr leben. Einer der wenigen Überlebenden ist der Sergeant Josef Deifl vom Regiment Preysing, Nr. 5, das in Nürnberg stationiert ist. Jahre später schreibt er auf, was er in Russland erlebt hat.