BR-München Fremdsprachen als Fitnessprogramm
Man nehme: Täglich zehn neue Vokabeln, eine leichte Lektüre, und einen englischen Aufsatz. Das ist das Geheimrezept für geistige Fitness von Ursula Rudolph. Die 93-Jährige arbeitet immer noch als Englischlehrerin.
"Ja, man ist nie zu alt. Man kann immer noch lernen, wenn man überhaupt noch geistig da ist, ja. Und es wird immer unterschätzt. Ich habe Schüler gehabt, die dachten, sie werden es nie mehr lernen. Aber mit der Zeit ja, und wenn das ein bisschen lobt."
Ursula Rudolph, Englischlehrerin
"I have prepared something for you to guess. And you will rack your brain, I think. Rack your brain…- Ich habe etwas vorbereitet. Ihr werdet euch anstrengen müssen…"
Ursula Rudolph
Hier das englische Wort "wa(i)st(e)": Es bedeutet sowohl "Taille" bedeuten als auch "Abfall". "Vor 20 Jahren hatte ich so was mal", sagt eine Schülerin: “Twenty years ago, I think, I had this.”
"And waste heißt 'verwüsten'. Dann 'der Abfall'. Und 'verschwenden': Don’t waste your time! Your time is so short, life. Don’t waste it – be happy!"
Ursula Rudolph
Genieße Dein Leben! Sei glücklich! Das ist und bleibt ihr Lebensmotto. Trotz allem, was sie erlebt hat: Aufgewachsen im Sudetenland, umgezogen nach Dresden, ausgebildet zur Schauspielerin, den Krieg überstanden, neu gestartet in München. Glückliche Tage mit ihrem Mann auf der Bühne erlebt, zwei Kinder bekommen.
Mit 50 Jahren entschied sie sich, noch einmal etwas ganz anderes zu machen. Die Schauspielengagements wurden knapp, so machte sie das Examen als Lehrerin für Deutsch und Englisch.
"Es gibt ja so Tausende Vokabeln. Und manchmal bedeutet eine Vokabel zehn Ausdrücke, oft ganz das Gegenteil. Das ist seltsam, ja. Da bringen mir meine Schüler vom Internet, oder, was es alles heißt, so viele Vokabeln, ja. Das ist interessant, ja. Und wiederholen muss man immer, jeder Mensch."
Ursula Rudolph
Mittlerweile lassen ihre Kräfte etwas nach: Arthrose im Knie und Rückenschmerzen nach Wirbelbrüchen machen es ihr schwer, doch im Kopf hält sie sich fit.
Ihre Leidenschaft für’s Unterrichten wird auch an der Münchner Volkshochschule sehr geschätzt. Mehr als 50 Jahre schon arbeitet sie hier als Englischlehrerin.
"Frau Rudolph ist die älteste Dozentin bei uns an der Münchner Volkshochschule. Sie ist damit auch ein tolles Beispiel dafür, dass Lernen bis ins hohe Alter möglich ist. Auch ein tolles Beispiel für unsere Teilnehmer natürlich, für unsere Seniorenkurse, was ja auch sehr viele Teilnehmer nutzen."
Tina Kagemann, Fachgebietsleiterin Sprachen, Münchner Volkshochschule
Manche ihrer Schüler kommen schon seit Jahrzehnten zu Ursula Rudolph. Ihre älteste Schülerin ist mittlerweile 104 Jahre alt. So sind Freundschaften entstanden. Ihr Fachwissen wird geschätzt.
"Wie ich älter wurde, habe ich begriffen, dass ich durch das Englisch meine Freundschaften pflegen kann und auch jetzt noch schöne Reisen machen und mich überall irgendwie durchschlagen kann und verständigen kann. Für mich ist das eine ganz große Bereicherung."
Schülerin
"Das Schöne an der Frau Rudolph ist, dass sie sehr nachsichtig ist, und mir immer die leichten Aufgaben gibt. Und wenn ich mal hängen bleib, dann verbessert sie mich gleich. Und das macht es mir leicht, eben dort einzusteigen."
Schüler
"Wir haben ja eine Lehrerin, die trotz Kaffeeklatsch zu uns sagt: 'Wir müssen auch was tun!' Also, so ist das ja nicht."
Schülerin
Vor kurzem ist Ursula Rudolph in ein Münchner Seniorenheim umgezogen. Darauf haben ihre Töchter bestanden, nachdem sie eine Operation am Rücken hatte. Auch im neuen Zuhause macht die 93-Jährige täglich Gymnastik, und hat sogar schon Bekannte gefunden, die auch gerne Englischunterricht bei ihr hätten.