Europa Muntjaks verboten
Das sind chinesische Muntjaks, kleine Zwerghirsche, gerade einmal einen halben Meter groß. Und sie sind so gefährlich, dass der Leipziger Zoodirektor sie neuerdings nur unter strengen Auflagen halten darf. Zu streng, findet er und brachte eine andere Lösung ins Spiel.
"Deshalb haben wir überlegt: Was ist mit den Tieren zu tun? Und ich habe am Rande einer Veranstaltung geäußert: Im schlimmsten Fall müssen wir auch darüber nachdenken, diese Tiere zu schlachten."
Jörg Junhold, Direktor Zoo Leipzig
Anders die Presse. "Zoo muss Mini-Hirsche töten". Und schuld ist: Die EU. Was hat denn die EU bloß gegen diese Bambis?
"Sie wurden als eine möglichweise Invasive Art identifiziert. Und gegen Invasive Arten müssen wir etwas unternehmen, denn sie können großen Schaden anrichten, sowohl ökonomisch als auch ökologisch: bis zu 12 Milliarden Euro im Jahr."
Enrico Brivio, EU-Kommission
Invasiv sind auch Waschbären, Schildkröte, Schmuckschildkröten, Grauhörnchen, Eichhörnchen oder das Grauhörnchen. Eingeschleppt aus Amerika verdrängt es die heimischen roten Eichhörnchen. Und immer fängt es mit ein paar einzelnen Tieren an, die in die freie Wildbahn geraten.
In England waren es mal elf Muntjaks. Mittlerweile haben sie sich flächendeckend ausgebreitet:
"Ohne die Muntjaks würden wir hier zwischen lauter kleinen Bäumen stehen. Die größten vermutlich in etwa so hoch. Aber, wie Sie sehen können, sehen sie hier nichts wegen der Muntjaks."
Danny Heptinstall, Bird Life Europe and Central Asia
Danny Haptinstall ist Experte für Invasive Arten beim europäischen Naturschutzbund. Im Garten seines Büros in England kommen die Muntjaks fast bis ans Haus. Den unteren Teil der Hecke haben sie weggeknabbert.
"Viele Vögel und andere Tiere leben hier unten in diesen Hecken. Und wenn die Muntjaks alles wegfressen, zerstören sie diese Brut- und Futterplätze. Letztendlich hätten die Pflanzen auch Vögeln und Insekten als Nahrung gedient. Vögel wiederum leben von Insekten. Es hat einen Einfluss auf die gesamte Nahrungskette."
Danny Heptinstall
Schäden sind überall. Die scheuen Mutjaks selbst bekommt man selten zu sehen. Doch wir haben Glück: ein wildes Muntjak.
Hat die EU-Kommission also Recht, wenn sie die Muntjaks generell verbietet, sogar in Zoos?
Hat sie nicht, findet Zoodirektor Junhold in Leipzig:
"Der Zoo ist ein abgegrenztes Gebiet, wo also unsere Tiere im Bestand entsprechend gemanaged werden, akribisch Buch geführt wird, wo auch kein Tier ausbrechen kann. Und diesen Bestand kann man nicht Eins zu Eins vergleichen mit dem, was in freier Wildbahn passiert. In freier Wildbahn gibt es eine Gefahr, aber die Zoos spielen da de facto keine Rolle."
Jörg Junhold
Trotzdem gilt die EU-Verordnung auch für Zoos. Sie müssen die Muntjaks besonders ausbruchssicher halten, die Tiere dürfen sich nicht fortpflanzen und sollen so über die Jahre selbst aus Zoos verschwinden. Denn nicht einmal Zoos können hundertprozentige Sicherheit bieten.
"Wir müssen nur nach Japan schauen, wo das Muntjak ebenfalls ein Problem ist. Da ist es in den 80er Jahren aus einem Zoo ausgebrochen und verursacht mittlerweile in ganz Japan große Schäden, genau wie in Großbritannien."
Danny Heptinstall
Aber müssen die Zoos, wie die Presse behauptet, wirklich schlachten? Nein:
"Sie können ihre Tiere behalten. Die Zoos sind zwar von der Verordnung betroffen, aber nur teilweise. Wenn sie sicherstellen, dass die Tiere nicht ausbrechen können, dürfen sie sie halten bis zu ihrem natürlichen Tod."
Enrico Brivio
Also wird es noch zehn oder 15 Jahren dauern, bis das letzte Muntjak aus einem Zoo verschwindet. In der EU wird es dann wahrscheinlich gar keine Muntjaks mehr geben. Wer trotzdem eines sehen will, muss dafür nach England fahren. Aber England ist dann ja auch nicht mehr in der EU.