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Frankreich Jäger im Fadenkreuz

Mehr als 1,2 Millionen Franzosen besitzen offiziell einen Jagdschein. Die Zahl der Jäger dürfte aber wesentlich höher sein. Jagen ist in Frankreich sehr beliebt. Das Problem: immer wieder passieren dramatische Jagdunfälle.

Von: Susanna Dörhage

Stand: 03.02.2019 | Archiv

Jäger am Strand | Bild: BR

Sieben Uhr morgens, eisige Kälte in der Somme-Bucht in Nordfrankreich: Logan und sein Freund David sind schon dabei, Lockvögel zu positionieren: eine Vorbereitung für die Jagd auf Wildenten.

Logan und David

Logan ist leidenschaftlicher Jäger. Schon als Kind ist er zur Jagd gegangen, mit seiner Mutter und seinem Großvater. Ferienreisen konnten sie sich nur selten leisten. Die Jagd am benachbarten Strand war für ihn das Größte, viel schöner als Verreisen.

"Das Tolle ist das Gefühl von Freiheit und die Verbundenheit mit der Natur. Man muss ja ein bisschen verrückt sein, um hierher zu kommen, egal ob es regnet oder hagelt. Aber das ist wie angeboren, das steckt uns im Leib. Das ist unsere Leidenschaft, also leben wir sie aus, einhundert Prozent."

Logan Laurent, Jäger

"Beinahe das Pferd durchgegangen"

Das Jagen ist in Frankreich Volkssport: Mehr als eine Million Jäger genießen hier große Freiheiten. Jagen dürfen sie so gut wie überall und zur Jagdsaison auch an allen Wochentagen. Jagdunfälle, auch tödliche, gehören dazu.

"Mir ist es schon passiert, dass ich auf meinem Pferd geritten bin, und die haben geschossen. Die Kugeln sind direkt neben mir in den Graben eingeschlagen. Fast wäre mir das Pferd durchgegangen."

Frau am Strand

Im Oktober hatte ein britischer Mountain-Biker in den Alpen weniger Glück. Er wurde von einem Jäger erschossen. Seitdem wird die Forderung immer lauter, die Rechte der Jäger einzuschränken. Rund ein Dutzend Tote und zahlreiche Verletzte gib es jedes Jahr.

Doch Logan wehrt sich gegen Jagdverbote. Als Vorsitzender des örtlichen Jagdvereins sorge er für Recht und Ordnung, erzählt er. Zusätzliche nationale Regeln brauche man nicht.

"Die Jagd ist mit der Region hier verbunden, und wir vor Ort wissen doch was richtig ist. Für uns ist das nicht in Ordnung, wenn da plötzlich irgendwelche Technokraten kommen und uns Lektionen erteilen wollen. Wir respektieren doch die anderen Nutzer des Strandes. Schaut mal da hinten, da fischt jemand Krabben. Wir kommen uns nicht in die Quere. Hier ist für alle Platz."

Logan Laurent

Marc Giraud

Von dem Aufruhr nach dem Unfall des Briten profitieren Frankreichs Tierschützer. Sie versuchen nun, die Jagd stark einzugrenzen: 220.000 Unterschriften haben sie gesammelt, um den Sonntag zum jagdfreien Tag zu erklären.

"Der Sonntag ist der Tag, an dem die Familien Ausflüge machen. In England ist das Jagen am Sonntag schon seit 1831 verboten. Da sehen Sie mal, wie weit wir hinterherhinken. Aber bei uns in Frankreich gibt es eine mächtige Jägerlobby und die diktiert ihre Regeln. Das fängt in den Gemeinderäten an und geht hoch bis zum Präsidenten. Manche Jäger haben seine Handy-Nummer und sie duzen ihn, wir aber nicht. Das ist völlig undemokratisch."

Marc Giraud, Tierschutzverein Faune Sauvage

Thierry Coste

Der einflussreichste französische Jäger ist wohl er: Thierry Coste, politischer Sprecher des französischen Jägerverbandes. Coste ist regelmäßig in Kontakt mit Präsident Macron, denn für Politiker ist Coste ein mächtiger Mann, der weiß, wie die Franzosen auf dem Lande denken. Die Jagd ist für sie ein Nationalgut.

"Früher war die Jagd ein Privileg der Adeligen, aber die Franzosen haben sich während der Revolution das Jagdrecht erkämpft. Deshalb dürfen seit der französischen Revolution Alle jagen. Die Jagd ist bei uns kein Sport für Reiche. Da geht es demokratisch zu. Das Jagen ist Sache des Volkes."

Thierry Coste, Jagdlobbyist

Coste hat Präsident Macron geraten, den Jagdschein zu verbilligen. Deshalb hätten die Jäger in der Gelbwesten-Krise zum Präsidenten gehalten. So laufe das in Frankreich, erzählt Coste:

"Für die Jagd haben wir auch so weithin sichtbare orange-gelbe Westen. Da hätten wir uns leicht zu den Gelbwesten gesellen können. Aber solche Jägerwesten waren bei den Protesten nur ganz wenige zu sehen."

Thierry Coste, Jagdlobbyist

Logan versteht die ganze Aufregung um die Jagd nicht. Er sieht sich selbst nicht als Gefahr, sondern eher als Naturschützer, der nur überzählige Tiere tötet:

"Unsere Gegner wollen uns einfach nicht verstehen. Ich vermute, dass diese Leute sonst auch nicht sehr angenehm sind. Das ist die reine Intoleranz."

Logan Laurent, Jäger

Logan und David sind sich bewusst, dass sie trotz der Unfälle am längeren Hebel sitzen. Die Jagd habe, so sagen sie, in Frankreich noch gute Tage vor sich.


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