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Großbritannien Stillstand beim Brexit

Hier hat man die Ruhe weg, könnte man meinen: In Downing Street bewegt sich nicht viel: Deadlock – Stillstand. Nur die Uhr gen Brexit – sie tickt unverdrossen weiter. Noch neun Monate bis sich das Vereinigte Königreich vom Festland löst.

Von: Julie Kurz

Stand: 01.07.2018 | Archiv

Straßenschild Downing Street | Bild: BR

Doch eines wird immer unklarer: Wohin treibt die Insel nach dem Austritt?

"Wir wissen es immer noch nicht! Die Regierung entscheidet sich nicht und ist zudem gespalten. Die EU-Gegner und Befürworter im Kabinett haben sich seit dem Referendum vor zwei Jahren kein Stück bewegt."

Henry Newman, Think Tank Open Europe

Theresa May

Woche um Woche tagt das Brexit-Kabinett, was hier zu Lande passender Weise "War Cabinet", Kriegskabinett, genannt wird. Rauskommt mehr Chaos und mehr Streit: der Finanzminister gegen den Außenminister, der Außenminister gegen – genau – die Premierministerin. Und so haut Boris kürzlich bei einem privaten Dinner mal wieder einen raus:

"Wenn Trump den Brexit verhandeln würde, gäbe es womöglich alle Arten des Zusammenbruchs und des Chaos. Alle würden denken, er sei verrückt geworden. Aber tatsächlich kann man so etwas erreichen."

Boris Johnson, Außenminister

Boris Johnson

Boris Johnson als Parteifreund - reicht eigentlich als Problem, würde man meinen. Doch er ist wahrlich nicht Mays einziges. Eigentlich wollte sie längst ein signifikantes Positionspapier zum Brexit veröffentlichen. Doch man ahnt es: Deadlock – Stillstand!

Dabei hatte Theresa May ja mal sowas wie einen Plan, zumindest einen groben: raus aus dem Binnenmarkt und raus aus der Zollunion. Doch die irische Grenze wird zunehmend zur Quadratur des Kreises: Sie wird die EU-Außengrenze, soll aber zur Friedenssicherung unsichtbar bleiben:

"Das Problem ist einfach nicht zu lösen. Entweder bleibt das gesamte Königreich sehr eng verbunden mit der EU, damit es keine physische Grenze gibt. Oder Nordirland wird anders behandelt als der Rest des Königreichs. Nur dann gäbe es eine Grenze zwischen Nordirland und Großbritannien."

Sam Lowe, Think Tank Center for European Reform

In Dover würde man schon auch gerne mal wissen, was denn nun eigentlich wird. Das drohende Unheil: Stundenlange Warteschlangen, wenn Großbritannien die Zollunion verlässt. Laster vom Kontinent müssten dann kontrolliert werden, mehr als zwei Millionen jedes Jahr! Hätte, könnte, wäre – so lange nichts entschieden ist. Wieder: Deadlock – Stillstand!

"Wir haben immer noch nicht genügend Klarheit, um ein Kontrollsystem zu entwickeln. Und es müsste ja auch noch ein System sein, das in Dover aber auch auf der anderen Seite des Kanals, in Dunkerque und Calais, funktioniert."

Richard Christian, Hafen von Dover

Aber vielleicht kommt ja auch alles ganz anders: im Parlament findet seit Monaten ein dramatisches Tauziehen statt zwischen Oberhaus und Unterhaus, zwischen Brexit-Befürwortern und -Gegnern. Das Brexit-Gesetz will einfach nicht durch beide Kammern. Genau: Deadlock! Unter anderem wird gestritten, wer über den Brexit am Ende die Macht hat: Mays Minderheitsregierung oder das Parlament.

"Bei einer Minderheitsregierung, was sehr ungewöhnlich für Großbritannien ist, passiert genau das, was wir gerade sehen: Die Macht der Premierministerin bewegt sich weg, zuerst hin zum Kabinett, aber dann auch zum Parlament. Und das Parlament wird immer wichtiger."

Henry Newman

Anna Soubry

Und überparteilich beginnen sich die Brexit-Gegner im Parlament immer mehr zu organisieren: sie wollen eine Abschwächung des Brexit, am liebsten ein erneutes Referendum über den Deal mit Brüssel:

"Es reicht nicht, sich hinter uns zu verstecken und zu glauben, wir werden es schon richten. Als Abgeordneter haben Sie die Pflicht, endlich das richtige zu tun. Sie müssen mutig sein, und sich von den Angriffen nicht einschüchtern lassen!"

Anna Soubry, Tory-Abgeordneter

Sie trotzten den Anfeindungen der rechten Brexit-Presse, die die EU-Befürworter diffamieren. Die Fronten verhärtet wie zu Referendumszeiten, vielleicht schlimmer. Die Regierung verhandelt irgendwie mit beiden Seiten, nur nicht mit dem Verhandlungspartner Brüssel. Da herrscht absoluter Deadlock – Stillstand.

"Wir können nicht nur mit uns selbst verhandeln und über Optionen diskutieren, die die EU längst vom Tisch gewischt hatte. Irgendwann müssen wir auch mal darüber sprechen, was realistische Chancen hat."

Sam Lowe

London versucht es in Brüssel mit Verzögerungstaktik. Wenn man keine Lösung bei der irischen Grenze findet, würde man gerne noch ein wenig länger in der Zollunion verbleiben. Die Brexit-Fans toben schon: Die EU sei wie das besungene "Hotel California": "you can check out" – Du kannst jederzeit auschecken, "but you can never leave".


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