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Rumänien Die NATO zu Gast

Das kleine Städtchen Cincu, vormals Großschenk, im rumänischen Siebenbürgen bietet eigentlich genügend Postkartenmotive, um etwa naturverbundene Urlauber hierher zu locken. Eigentlich, denn mit der Ruhe in Cincu ist das so eine Sache.

Von: Michael Mandlik

Stand: 25.06.2017 | Archiv

NATO-Manöver | Bild: BR

Cincu liegt am Rand eines der größten Truppenübungsplätze Europas. Das war schon in den Zeiten des Kalten Krieges und unter Diktator Ceausescu so. Und heute? Heute trainieren hier die Soldaten der NATO.

Diesmal ist es die multinationale Brigade für Schnelleinsätze, auch als "Feuerwehr" der NATO bezeichnet. 5000 Soldaten aus zehn NATO-Ländern sollen in einer Übung namens "Noble Jump" einen halben Monat lang deutlich signalisieren, dass eventuelle Invasoren – von woher auch immer – hier in Rumänien nichts verloren haben.

"Schnell" ist hier wörtlich gemeint genauso wie "umfangreich". Über Tage dominierten auf den Hauptverkehrsstraßen Rumäniens lange Militärkonvois das Bild – mit Zielrichtung Cincu. Für die Anwohner eigentlich nichts Ungewöhnliches. Dennoch irritiert manche die gefühlt zunehmende Präsenz fremder Truppen im eigenen Land. So wie Doina, die hier in ihrer Imbissbude in Dedulesti seit 28 Jahren ihre Spezialität, genannt Mici, verkauft:

"Ich finde das nicht so gut. Ich weiß auch nicht, ob so was gut geht. Es kommen doch nicht mal die Rumänen gut miteinander aus. Wie sollten uns dann Ausländer helfen können? Ehrlich gesagt, ich habe Angst, Angst vor einem Krieg. Ich weiß, wie das damals war und wie man alle in die Gefangenschaft verschleppt hatte. Ich habe Angst um die jungen Menschen, dass sie einmal so etwas erwarten könnte. Gott behüte uns davor."

Doina Androne, Imbissbudenbesitzerin

Nicu Popescu

Auch an den Blumenverkäufern im Bukarester Stadtteil Popesti donnerten über Tage hinweg hunderte Militärfahrzeuge vorbei. Die meisten der Verkäufer hier sind ehemalige Fabrikarbeiter, die sich in den Wirren nach dem Sturz des Ceausescu-Regimes einen neuen Lebensunterhalt suchen mussten. Die einen begrüßen die Präsenz der NATO-Truppen als Zeichen der Zugehörigkeit Rumäniens zum Westen.

"Meiner Meinung nach ist das hier gut, gut für die Sicherheit unseres Landes, für die Sicherheit Europas. Ich halte das für richtig."

Nicu Popescu, Verkäufer

Florina Ciobanu ist da anderer Meinung. Wie schon ihre Großmutter und ihre Mutter lebt auch sie hier am Rand der Stadt ausschließlich vom Blumenverkauf. Ein Geschäft, das passabel läuft, wenn die Zeiten gut, sprich wenn sie friedlich sind. Die zunehmende Truppenpräsenz empfindet Florina als bedrohlich:

"Ich fürchte, dass Rumänien im Bündnis mit diesen Truppen als Kanonenfutter benützt wird. Wir leben hier in einem friedlichen Land und ich bin dagegen, dass wir in einen Krieg hineingezogen werden, denn ich bin grundsätzlich gegen Krieg."

Florina Ciobanu, Blumenverkäuferin

Die Aufgabe der schnellen Eingreiftruppe der NATO ist, einen in das Land eines Bündnispartners plötzlich eingesickerten Feind umgehend wieder zurück zu drängen. Seit der sogenannten hybriden Kriegführung in der Ostukraine wie auch im Zusammenhang mit der Annexion der Krim durch Russland ist dieses militärische Vorgehen jedoch ungleich schwieriger geworden. Wer Feind ist und wer nicht, das ist nicht mehr so leicht zu erkennen, wenn gezielte Propaganda etwa in den sozialen Medien die Gesellschaft eines Landes bereits gespalten hat.

Für die 74-jährige Maria und ihre Freundin, die 84-jährige Petria, waren solche Dinge eigentlich noch nie verständlich. Nahezu ihr ganzes Leben haben sie in ihrem Dörfchen Vallea Lumina zugebracht und immer hat es nur für das Nötigste zum Leben gereicht. Heute müssen sie mit 30 Euro Sozialrente pro Monat auskommen und mit dem Wenigen, was sie auf dem kleinen Hof für sich erwirtschaften können. Was das Militär also da draußen macht, das hat mit ihrer Welt nichts zu tun. Angst macht es Ihnen trotzdem:

"Da kommt nichts Gutes auf uns zu. Mir ist das alles viel zu verworren. Jetzt wird in allen Sprachen gesprochen von Soldaten aus vielen fremden Ländern. Rumänien weiß nicht mehr, wie es sich da zu Recht finden soll."

Petria Mursa, Rentnerin

So wird Petria wohl auch nicht verstehen, was sich demnächst vor ihrer Haustüre abspielen wird. Denn nach dem NATO-Manöver "Noble Jump" mit 5000 beteiligten Soldaten startet schon im Juli das nächste – dann unter US-amerikanischer Führung und mit 40.000 Soldaten.


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