BR Fernsehen - EUROBLICK


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Schottland Die Insel der Rebellen

Die tägliche Fähre verbindet die schottische Insel Eigg mit dem Festland wie eine Lebensader. Der bärtige Charlie fährt das einzige Taxi auf der einzigen Straße der Insel.

Von: Thomas Aders

Stand: 25.06.2017 | Archiv

Insel Eigg | Bild: BR

Auf Personenbeförderungsgesetze und sonstige Vorschriften legt man auf dem eigenwilligen Eiland keinen großen Wert. Alle hier regen sich über den Brexit auf. Die Insulaner befürchten, zusammen mit Großbritannien die Europäische Union verlassen zu müssen.

"Gibt’s hier Jemanden im Wagen, der eine Meinung zum Brexit hat?"

Charlie

"Ich glaube, dass Viele nach der Entscheidung erst einmal gegoogelt haben, was Brexit überhaupt bedeutet. Sie hatten keine Ahnung!"

Ein Fahrgast

"Es gab nicht mal ein anständiges Papier dazu, keine Definition, was das für den Durchschnittsbürger auf der Straße bedeutet."

Charlie Galli, Taxifahrer auf Eigg

Maggie Fyffe

Eigg – eine Rebelleninsel: Vor 20 Jahren, zeigt Aktivistin Maggie Fyffe mit ihrem Inselarchiv, hatten die Inselbewohner den bisherigen Inselbesitzer zum Teufel gejagt. Sie fackelten den Rolls Royce des für sie hochnäsigen, unsozialen englischen Lords ab und sammelten Unmengen von Geld. Im Sommer 1997 war die Sensation perfekt: die Rebellen konnten ihre eigene Insel kaufen – für 1,5 Millionen Pfund. Der Lord war Geschichte.

"Der Grund, weshalb wir unsere Insel gekauft haben, war: wir wollten nicht, dass uns irgendjemand vorschreibt, was wir hier tun und lassen. Das war das Wichtigste für uns. Und jetzt leben wir hier, ziemlich sozial, ziemlich umweltbewusst. Die Liebe zu unserer Insel schweißt uns zusammen."

Maggie Fyffe, Inselaktivistin

Die Leute von Eigg haben sich unabhängig vom Festland gemacht. Zum Beispiel produziert das kleine Eiland selbst genügend Strom für alle Insulaner. Eigg ist seit der Unabhängigkeit immer attraktiver geworden, auch für Ausländer wie die Deutsche Katrin Bach.

"Das ist schon etwas ganz Besonderes, weil es zeigt, dass es möglich ist, den Strom selbst zu produzieren, den man braucht. Und es gibt auch dieses Bewusstsein der Leute: 'Okay, wir machen unseren Strom selbst! Und deshalb gibt es den auch nicht unbegrenzt.' Man muss ein bisschen gucken."

Katrin Bach, Zugezogene

Katrin Bach

Ohne die Zuschüsse der Europäischen Union droht nach dem Brexit der Traum vom freien, selbstbestimmten, ökologischen Leben auf Eigg zu zerplatzen. Nicht nur das Stromnetz wurde bislang aus Brüssel bezuschusst, sondern auch die Pier, der Gemeindesaal oder – die drei Landwirte.

Wie alle Regionen an den Grenzen Europas profitierte auch Eigg von den EU-Programmen für strukturschwache Gebiete.
Besuch bei dem Rinder- und Schafzüchter Alex Boden: Obwohl auf seinen Weiden in diesem Jahr 150 Lämmer geboren wurden, ist nach dem Brexit die Zukunftsfähigkeit seines Kleinunternehmens in Gefahr:

"Ich würde sagen, dass 40 Prozent meines Umsatzes aus europäischen Subventionen stammt. Ohne diese Unterstützung wäre es für uns unmöglich, weiter zu machen."

Alex Boden, Farmer

Einzige Chance wäre, dass London die Zahlungen künftig übernimmt.

"Aber die Regierung Großbritanniens hat keinerlei Interesse daran! Und wisst ihr warum? Weil Großbritannien im Gegensatz zur EU kein Programm hat, um strukturschwache Regionen zu fördern. Und das macht uns große Angst."

Camille Dressler, Inselaktivistin

Die zweite große Angst: die vollintegrierten EU-Ausländer müssen die Insel verlassen, wie es der harte Brexit der britischen Regierungschefin May bislang vorsieht. Das gilt zum Beispiel für die Französin Camille und die Deutsche Katrin Bach:

"Jetzt ist natürlich eine Riesen-Unsicherheit da. Man fühlt sich so, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen. Also, ich kann mir jetzt gar nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Das ist einfach einzigartig hier, und ich weiß nicht, wo ich sonst hinpassen würde. Na ja, vielleicht schaffen wir es mit unseren rebellischen Leuten ja doch noch, was rauszuhauen!"

Katrin Bach

Für die Vorzeige-Schotten ist Europa beileibe nicht nur eine Geldkuh, sondern Inbegriff von Weltoffenheit:

"Du musst schon ein sehr engstirniges Land sein, um Zuwanderer nicht willkommen zu heißen, um nicht das zu teilen, was du besitzt. Ich denke, dass England nur noch nach innen stiert. Wir Schotten dagegen umarmen Jeden, der hierher kommt, weil wir eine weltoffene Gesellschaft sind."

Charlie Galli, Taxifahrer

Dass Schottland unabhängig von England wird und in der EU bleiben kann, und dass dann alles bleibt wie es ist, wagt hier auf der Insel niemand mehr zu hoffen.


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