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Schweiz "Diktatoren-App" gegen dunkle Geschäfte

Auf der Suche nach dem ganz besonderen Flugzeug: Jérémy Denton ist Planespotter. Ihn interessieren nicht die Passagiermaschinen, sondern Regierungsflugzeuge, Privatjets. Der Genfer Flughafen: ein Planespotter-Paradies.

Von: Wolfgang Wanner

Stand: 14.05.2017 | Archiv

Jeremy Denton beim Fotografieren | Bild: BR

"Wir haben Glück: das ist hier ein internationaler Ort mit vielen Organisationen. Und es ist auch ein Finanzplatz, zu dem viele Geschäftsleute kommen. Man kann sogar Präsidenten, Minister sehen."

Jeremy Denton, Planespotter

Jeremy Denton

Seit 12 Jahren sind Flugzeuge seine Leidenschaft, über 8000 hat er bereits fotografiert. Stolz ist er vor allem auf Fotos von Fliegern aus autoritären Regimen, denn die kann Denton selbst in Genf nur selten fotografieren. Zum Beispiel das Flugzeug, das von der Präsidentenfamilie aus dem westafrikanischen Äquatorialguinea benutzt wird. Es gilt als eines der korruptesten Länder.

"Dieses Foto ist außergewöhnlich, weil das ein Flugzeug ist, das eigentlich gar nicht nach Genf kommen darf, weil es auf der europäischen schwarzen Liste steht. Aber da der Präsident von Äquatorialguinea an Bord war, bekam er eine diplomatische Ausnahmegenehmigung von der Schweiz."

Jeremy Denton, Planespotter

Francois Pilet

Sein Foto – ein wichtiger Beleg für den Schweizer Journalisten Francois Pilet. Der möchte Licht ins Dunkel bringen – Transparenz in die diskrete Welt der Diktatoren.

"Oft denken die Diktatoren, wenn sie mit Privatflugzeugen reisen, bleibt es geheim, und letztlich profitieren sie von dieser Verborgenheit, um ihre Geschäfte hier in Genf zu erledigen."

Francois Pilet, Journalist

Das will Pilet verhindern, mit einer von ihm mitentwickelten Software. Diese kann Starts und Landungen von Diktatoren in Genf transparent machen: Jedes Flugzeug sendet registrierte Signale. Diese landen automatisch als Meldung auf Twitter, sobald ein Flieger aus einem autoritären Staat in Genf gelandet oder abgeflogen ist – quasi Planespotting für Fortgeschrittene.

Bei seinen Recherchen hat Pilet herausgefunden, wer immer wieder mit diesem Flugzeug aus Äquatorialguinea nach Genf kam, nämlich Präsidentensohn Teodorin Obiang. Was der wohl so oft in Genf macht?

"Wenn ein Diktator wie Teodorin Obiang zwei Mal im Monat nach Genf kommt, dann kann das keine diplomatische Beziehung sei. Das ist nicht möglich. Für die Beziehung zwischen Äquatorialguinea, der Schweiz und der UNO ist das nicht nötig. Das geschieht aus rein persönlichem Interesse."

Francois Pilet, Journalist

Auch die Schweizer Ermittler machten die häufigen Landungen von Obiang hellhörig: sie beschlagnahmten elf seiner Luxusautos am Genfer Flughafen. Diese sollten wohl außer Landes gebracht werden, denn gegen Obiang wird wegen Geldwäsche ermittelt.

Genf – offenbar ein lohnendes Einsatzgebiet für Pilets Diktator-App. Denn Autokraten aus aller Welt landen hier. Manch einer macht Geschäfte unter dem diplomatischen Deckmantel, ist sich Pilet sicher. Mehrere Hundert Millionen US-Dollar Schwarzgeld sind derzeit in der Schweiz eingefroren - erste Erfolge Schweizer Behörden. Allerdings:

"Genf ist und bleibt ein wichtiger Ort für Geldwäsche und für Korruption."

Francois Pilet, Journalist

Transparente Reisebewegungen – ein wichtiger Mosaikstein im Kampf gegen Geldwäsche. Die App aus Genf ist sogar Ermittlern in den USA aufgefallen.

"Wir haben kürzlich von einer coolen App erfahren, vom Flughafen in Genf. Den Vize-Präsidenten von Äquatorialguinea haben wir wegen Korruption auf dem Schirm. Sein Flugzeug landete letzte Woche in Genf, war dort für mindestens eine Stunde. Das wissen wir dank der App, die jemand erfunden hat."

Leslie Caldwell, Assistant Attorney General of Criminal Division, US-Justiz-Department

Francois Pilet will seine App möglichst bald auch an anderen Flughäfen einsetzen, denn Diktatoren sollen nicht mehr im Geheimen landen können.
Darüber wären Planespotter wie Jeremy Denton nur mäßig begeistert.

"Das Problem ist, dass langfristig diese Präsidenten, diese üblen Leute, nicht mehr kommen. Sie werden woanders landen und wir werden hier weniger seltene Flugzeuge haben, die man auch nicht ohne weiteres an anderen Flughäfen sehen kann."

Jeremy Denton, Planespotter

Am Flughafen Genf scheinen solche Sorgen ziemlich unbegründet, denn Flugzeuge autoritärer Regime sind schließlich bislang immer wieder gekommen.


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