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Serbien und Bosnien Warten auf ein Visum

Markt in der westserbischen Kleinstadt Loznica. Wie überall in Serbien ist die Lage hier schwierig: Viele kommen nur mit Gelegenheitsarbeiten über die Runden.

Von: Arndt Wittenberg

Stand: 10.12.2017 | Archiv

Die deutsche Botschaft in Sarajewo | Bild: BR

Mirjana Manojlovic

Auch Mirjana Manojlovic ist seit Jahren ohne festen Job. Eigentlich ist die 44-Jährige gelernte Krankenschwester, doch eine bezahlte Anstellung hat sie nicht gefunden. Jetzt will sie auswandern, nach Deutschland. Eine Arbeitsagentur hat ihr einen Job als Altenpflegerin vermittelt. Das Leben in Serbien habe keine Perspektive, sagt Mirjana: zu viel Filz und Korruption.

"Allein aus Loznica kenne ich zehn Krankenschwestern, die nach Deutschland ausgewandert sind. Hier braucht man Beziehungen; nur Anhänger der Regierungspartei bekommen die Jobs. Für eine Anstellung muss man Geld bezahlen. Eine Krankenschwester muss hier 5000 Euro hinblättern, um eine Stelle zu bekommen."

Mirjana Manojlovic

Wann Mirjana ihre neue Arbeit in Deutschland antreten kann, weiß sie nicht, denn dafür braucht sie ein Visum von der deutschen Botschaft in Belgrad. Und das kann noch Monate dauern. Bis dahin heißt es: Warten, Deutsch lernen und Abschied nehmen von Freunden und der Familie, die erst später nachziehen wird.

"Mein Mann und meine Tochter lernen auch schon Deutsch. Aber erst einmal muss ich alleine gehen, mindestens für ein halbes Jahr. Das ist nicht leicht."

Mirjana Manojlovic

Also nichts wie weg. Auf der anderen Seite des Grenzflusses Drina, in Bosnien, ist die wirtschaftliche Lage noch schlechter. Die jungen Menschen verlassen in Scharen das Land. In den Dörfern bleiben meist nur die Alten zurück.

Srdjan Novicic

Auch Srdjan Novicic sitzt schon auf gepackten Koffern. Dabei hat der 32-Jährige eine feste Arbeit, in einem Krankenhaus als gut ausgebildeter OP-Pfleger. Doch sein Gehalt von 400 Euro monatlich reicht gerade mal zum Überleben. Für seine kleine Familie sieht er hier keine Zukunft:

"Die Schule ist weit weg; es gibt keine anderen Kinder mehr hier. Wer immer eine Chance hatte, das Dorf zu verlassen, ist gegangen. Alle suchen ein besseres Leben. Es ist zwar schön hier, aber wir müssen gehen."

Srdjan Novicic

Auch Srdjan wird als Altenpfleger in Deutschland arbeiten. Jeden Abend blättert er ungeduldig in seinem neuen Arbeitsvertrag. Bereits vor viereinhalb Monaten hat er einen Termin für ein Visum bei der deutschen Botschaft in Sarajevo beantragt, bislang ohne Erfolg.

"Ich hätte schon Anfang November mit der Arbeit anfangen können, aber ich habe kein Visum. Und niemand kann mir sagen, wann ich einen Termin bei der deutschen Botschaft in Sarajevo bekomme."

Srdjan Novicic

Keine Perspektive, keine Hoffnung: Seitdem Deutschland die Arbeitsaufnahme für Menschen aus dem Westbalkan erleichtert hat, wandern zehntausende bosnische Arbeitskräfte ab. In der Deutschen Botschaft in Sarajevo stapeln sich tausende Anträge auf Arbeitsvisa. Das Auswärtige Amt hat zwar das Personal aufgestockt, doch das reicht offensichtlich nicht: Antragsteller müssen teilweise über ein Jahr auf einen der begehrten Termine warten.

Rund um die Botschaft haben sich private Agenturen niedergelassen, die Hilfe bei der Beantragung der Visa anbieten. Manche werben auch mit angeblichen Kontakten zur Botschaft; gegen Geld, so das Versprechen, könne man die Terminvergabe beschleunigen. Der deutschen Botschaft ist das ein Dorn im Auge; sie warnt vor unseriösen Agenturen. Seit vergangenem Jahr hat sie extra ein Onlinesystem eingerichtet, das die Terminvergabe vereinheitlichen und frei von Manipulationen machen soll.

Nikola Petrovic

Transparente Verfahren bei der Visavergabe? Dieser Mann hat andere Erfahrungen gemacht. Wir treffen Nikola Petrovic, der in Köln eine Arbeitsvermittlung für Pflegekräfte aus dem Westbalkan betreibt. Petrovic zeigt uns einen Chatverkehr, in dem sich eine ausreisewillige bosnische Krankenschwester nach einem kurzfristigen Termin in der deutschen Botschaft in Sarajevo erkundigt. In nur einer Woche könne er einen Termin organisieren, so der Kontaktmann – Preis: 2500 Euro. Sind solche Manipulationen überhaupt möglich? In Serbien hat Petrovic konkrete Fälle dokumentiert:

"In Belgrad ist die Situation so, dass wir Kandidaten hatten, die an Agenturen, die vor Ort ansässig sind, zwischen 150 und 500 Euro gezahlt haben, und dann schneller an Visumstermine in der deutschen Botschaft herankamen. Das sind nachweisbare und dokumentierte Fälle, und da liegt die Vermutung nahe, dass da irgendjemand mit jemanden aus der Botschaft zusammenarbeitet."

Nikola Petrovic

Das Auswärtige Amt antwortet auf unsere Anfrage nur schriftlich: Die Terminvergabesysteme der Botschaften in Belgrad und Sarajevo würden strengstens kontrolliert und eine Manipulation sei praktisch nicht möglich.

Zurück ins ostbosnische Dorf Kitovnice: Srdjan Novicic hat keine Kontakte bemüht, um schneller an einen Botschaftstermin zu kommen. Er wird noch Monate warten müssen. Bis dahin bleibt ihm nur: Deutsch lernen und die Hoffnung bewahren, dass sein deutscher Arbeitgeber nicht die Geduld verliert.


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