Ungarn Regierungskritiker auf der Schwarzen Liste
Nach seinem Wahlsieg geht Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban gegen seine Kritiker vor. Regierungsgegner tauchten auf einer Liste mit 200 Namen auf, veröffentlicht von einer Orbàn-nahen Zeitung.
Ein Café als Büro-Ersatz: Márton Gulyás trifft sich hier mit anderen Bürgerrechtlern. Monatelang haben die Aktivisten im ungarischen Wahlkampf Treffen mit den Kandidaten der Oppositionsparteien organisiert.
"Sie hatten kaum eine Chance, ihre Ideen den Wählern zu präsentieren, denn die Staatsmedien, die öffentlich-rechtlichen Medien werden durch Fidesz kontrolliert, also durch die Regierungspartei."
Marton Gulyas, Bewegung Ein Land für alle
Die Rechtspopulisten haben in den vergangenen Jahren unabhängige Medien massiv bekämpft. Anfang April haben sie die Wahl erneut haushoch gewonnen mit einer Zweidrittelmehrheit.
"Doch erst jetzt kommt der Schock: Mir wird klar, dass dies jetzt eine sehr ernste Situation ist."
Marton Gulyas
Denn sein Name taucht plötzlich auf einer Liste mit Personen auf, die ihn und andere als Gegner der regierenden Rechtspopulisten brandmarkt, an jedem Kiosk erhältlich, veröffentlicht vom Fidesz-treuen Wochenmagazin Figyelö. Darunter viele Ungarn, die sich für Demokratie und Meinungsfreiheit engagieren wie Márton Gulyás. Der Vorwurf: Sie würden Geld von der Stiftung des US-Milliardärs und Menschenrechtsaktivisten George Soros erhalten. Er wurde von den Rechtspopulisten im Wahlkampf zum Hauptfeind erklärt und landesweit auf Plakaten verunglimpft, eine Kampagne mit antisemitischen Zügen, denn Soros stammt aus Budapest, aus einer ungarisch-jüdischen Familie. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs fördert er mit seiner Open-Society-Stiftung Demokratieprojekte im ehemals kommunistisch-geführten Osteuropa.
Für den rechtspopulistischen Ministerpräsidenten ist der Demokratie-Förderer Soros Feindbild Nummer eins:
"Die größte Gefahr ist, dass Millionen von Immigranten uns aus Richtung Süden bedrohen und, dass die Führer Europas gemeinsam mit einem Spekulanten die Grenzen nicht schützen, sondern Flüchtlinge herein lassen wollen."
Viktor Orban, Ministerpräsident Ungarn, 6. April 2018
Nach dem Kantersieg bei der ungarischen Parlamentswahl sprechen die Rechtspopulisten nun von Rache an ihren Gegnern wie Márton Gulyás.
Besuch bei der Orbàn-treuen Zeitschrift Figyelö, hier wurde die Namensliste veröffentlicht. Zsoltan Kissely ist politischer Autor.
"Sag mal, hast du noch eine Ausgabe mit der Soros-Liste?"
Zoltan Kiszelly, Autor Figyelö
"Ist die Ausgabe denn so gut verkauft worden?"
Reporter
"Ja, ja, die ist alle, die ist wirklich alle, diese Ausgabe."
Zoltan Kiszelly
Auflagenplus durch Denunziation. Eine einzige Ausgabe gibt es noch. Für Kissely ist die umstrittene Veröffentlichung kein Problem:
"Wir haben nichts anderes gemacht, als die von der Open Society Foundation unterstützten ungarischen Organisationen zusammen gezählt und ihre öffentlich zugänglichen Angaben von führenden Mitarbeitern in einer Liste zusammen gefasst, als Anstoß einer Diskussion."
Zoltan Kiszelly
Alles ganz normal also. Bei der Zeitung Figyelö ist die Welt in Gute und Böse aufgeteilt: wir gegen die anderen, und besonders gegen Organisationen, die sich um Flüchtlinge kümmern.
"Wir haben hier so eine Titelseite gemacht wie die Fahne des Islamischen Staates, dass sie diese Politik unterstützen."
Zoltan Kiszelly
Und so werden renommierte Menschenrechtler des Helsinki-Komitees zu IS-Terroristen gemacht, mit Erfolg: Die regierungsnahe Zeitschrift expandiert. Ganz anders hier: Redaktionskonferenz der konservativen Zeitung Magyar Nemzet, auch hier in einem Lokal, zwangsweise. Das Blatt ist eingestellt. Der Verleger hatte sich mit der regierenden Fidesz-Partei zerstritten.
Dabei hatten die Journalisten um Ex-Vizechefredakteur György Zsombor vor acht Jahren die Rechtspopulisten sogar unterstützt. Jetzt kommen auch konservative Medien unter die Räder.
"Die heutige Regierung ist nicht konservativ, wenn man den Begriff 'konservativ' ernst nimmt, also traditionelle Werte hoch hält. Wir glauben, dass das ein extrem korruptes und antidemokratisches System ist."
György Zsombor, Ex-Redakteur Magyar Nemzet
Die Anzeigen sind eingebrochen, weil viele Firmen nur noch regierungsfreundliche Medien unterstützen. Doch Zsombor will nicht aufgeben und mit einer kleinen Mannschaft eine neue Zeitung gründen.
Auch Márton Gulyás, der Mann von der Denunzationsliste, hofft auf einen Neuanfang:
"Wir sollten etwas ganz Neues beginnen, das nicht allein auf Anti-Orban-Ideen, nicht allein auf die Gegnerschaft zu dieser Regierungspolitik beruht, aber eine neue politische Idee entwickelt, die attraktiv genug für neue Mehrheiten ist."
Marton Gulyas, Bewegung Ein Land für alle
Irgendwann einmal – vorerst muss er aber vorsichtig sein mit weiteren öffentlichen Aktivitäten, seitdem sein Name auf der Denunziationsliste der Rechtspopulisten in Ungarn steht.