Europa Die Flüchtlingswelle
Es ist eine Herausforderung für ganz Europa, für die ganze Europäische Union: Die Flüchtlinge kommen, aus Syrien, aus Afghanistan, aus Afrika und aus den Balkanstaaten.
Es ist eine Herausforderung für ganz Europa, für die ganze Europäische Union: Die Flüchtlinge kommen, aus Syrien, aus Afghanistan, aus Afrika und aus den Balkanstaaten.
Offiziell suchen rund 650.000 Menschen in Ländern der Europäischen Union Asyl. Damit stellt sich eine Frage: Wohin gehen die Flüchtlinge? Die allermeisten von ihnen gehen nach Deutschland über die österreichische Grenze, weil ein Teil der Familie schon hier lebt oder weil es dem Land wirtschaftlich gut geht. Geschätzte 450.000 sind derzeit bereits im Land.
"Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das. Und wir müssen dafür sorgen, dass wir jetzt erst mal unsere humanitären Verantwortung gerecht werden und denen, die ein Recht auf humanitären Schutz haben, dieses Recht gewähren und sie dann auch gut integrieren."
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Große Ungleichheit bei der Verteilung
Die meisten kommen nach Deutschland, weit dahinter Schweden mit 60.000, danach gleich zwei Ankunftsländer: Ungarn und Italien: 50.000 und 48.000. Zwischen 37.000 und 30.000 liegen dann erst Frankreich und Großbritannien – und schließlich wieder die Länder entlang der Flüchtlingsroute: Österreich 25.000 und Griechenland 30.000. Die restlichen Länder nehmen bislang so gut wie keine Flüchtlinge auf.
Besser einschätzen lassen sich diese Zahlen, wenn Sie auf die Einwohnerzahlen umgerechnet werden: Spitzenreiter ist danach Schweden mit zuletzt offiziell 6,1 Asylbewerbern pro 1000 Einwohnern. An zweiter Stelle steht schon Deutschland mit 5,5 Bewerbern pro 1000 Einwohner. Tendenz steigend.
Und Italien? Von denen, die dort ankommen und im Land bleiben wollen, sind es pro 1000 Einwohner umgerechnet nur 0,8 Flüchtlinge, also rund 48.000 insgesamt. Im Vergleich dazu hat Deutschland mit 5,5 Flüchtlingen fast das Siebenfache aufgenommen. Und dennoch weist der italienische Ministerpräsident darauf hin, dass derzeit die Flüchtlinge seine Haushaltsbilanz ins Wanken bringen. Liegt Italien also noch in der Mitte der Aufnahmeländer, so liegen die Zahlen am unteren Ende der Skala fast bei Null: Rumänien mit nur 0,03 Flüchtlingen auf 1000 Einwohner, Kroatien mit 0,02 und Portugal: Ganze 0,007 Flüchtlingen pro 1000 Einwohner.
Begrenzte Willkommenskultur
Schweden und Deutschland führen also die Liste an. Sie sind die derzeit einzigen Länder, die die Flüchtlinge ausdrücklich willkommen heißen. Die meisten anderen Länder gehen in die andere Richtung: Sie wollen eine "Festung Europa". Die Tore Europas sollen geschlossen bleiben, so wenige Flüchtlinge wie möglich sollen auf den Kontinent kommen.
So ist die Haltung vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban: Und andere Regierungen in Osteuropa sehen es ähnlich: Denn abgelegen von üblichen Flüchtlingsrouten wurden dort derzeit die wenigsten Asylanträge gestellt.
Tschechien zählt derzeit 550 Asylanträge, die Slowakei 160, das große Polen 2470. Und noch weniger im Baltikum: Estland hat 130 Asylbewerber, Lettland 225 und Litauen ganze 90. Zur Erinnerung: In Deutschland sind es geschätzt 450.000 Flüchtlinge.
Und Frankreich? Auch dies liegt weit hinter den Erwartungen zurück. François Hollande fürchtet den Front National: Er soll keine Argumente bekommen. Hollands Angst ist nicht unbegründet: 55 Prozent der Franzosen sehen nach Umfragen in den Deutschen kein Vorbild im Umgang mit den Flüchtlingen.
So sind es in ganz Europa nur Deutschland und Schweden, die Flüchtlinge in großen Zahlen aufnehmen. Und selbst in Schweden wankt die Regierung: Mit der Flüchtlingswelle wachsen auch die Umfragewerte der Rechtspopulisten: Auf 25 Prozent werden die Schwedendemokraten bereits geschätzt.
Europas Antwort
In Brüssel stellt sich nun die Frage: "Was tut Europa?" Jean-Claude Juncker hatte seine Antwort darauf, letzte Woche Mittwoch. Sein Vorschlag: Anhand von Wirtschaftskraft, Einwohnerzahl, Arbeitslosenquote und der Zahl der bisher aufgenommenen Flüchtlinge soll jedes EU-Land eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen.
Bisher sind das allerdings nur 160.000, die schon seit Monaten in Auffanglagern in Griechenland, Italien und Ungarn verweilen. Diese Länder würden so entlastet – und Deutschland müsste nach Junckers Verteilungsschlüssel mehr als 40.000 bei sich aufnehmen. Die kämen zu den bestehenden 450.000 Flüchtlingszahlen noch hinzu.
In Deutschland bezweifeln viele, dass die Zahl von 800.000 Flüchtlingen bis Jahresende überhaupt reichen wird. Mal sind die Grenzen offen, mal wieder geschlossen. Wankt auch die Bundesregierung in ihrem Kurs?
Fakt ist: Im Moment weiß wohl keiner, wie es weiter gehen soll.
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Ken, Sonntag, 20.September 2015, 18:11 Uhr
1. Da fehlt doch was?
Ist eigentlich Bulgarien noch in der EU ? Warum wird von dort nichts gemeldet? In ihrem Beitrag tauchte davon nichts auf. Und was ist mit der Türkei? Warum wurde darüber nichts erwähnt? Weil es dort eventuell 24 Flüchtlinge pro 1000 Einwohner gibt ? Wo vor haben wir angst ?
Antwort von Nils Kopp, Montag, 21.September, 12:03 Uhr
Lieber Ken, in Bulgarien sind immerhin knapp 15.000 Asylbewerber gemeldet, das sind ca. 1,1 auf 1000 Einwohner und damit immerhin noch mehr als Italien. Die Türkei ist selbstverständlich als Nachbarland eines Kriegsgebietes in einem deutlich höheren Ausmaß von Flüchtlinge betroffen. Da sind es ca. 1,5 Millionen (Deutschland nach Schätzung derzeit 450.000), das wären ca. 19 Flüchtlinge auf 1000 Einwohner (Deutschland: 5,5).