Serbien Wie stark ist der Wille zur EU?
Sonntagmorgen, neun Uhr auf dem Vracar-Hügel in Belgrad. Der Gottesdienst in der kleinen Kirche zu Ehren des heiligen Sava ist gut besucht. Wie immer: Viele orthodoxe Serben sehen sich als Bewahrer des Vaterlands, kulturell eng verflochten mit dem orthodoxen Russland.
Srjan Nogo, Aktivist der rechtsnationalen Bürgerbewegung "Dveri", wirbt vehement für eine engere Anbindung Serbiens an großen slawischen Bruder.
"Russland hat ja diese Idee der euro-asiatischen Union, und wir Serben werden darüber nachdenken müssen. Und es gibt dieses Militärbündnis, das Russland propagiert. Das alles ist ja erst in den Anfängen. Aber ich bin sicher, dass ein Großteil der Serben dem positiv gegenübersteht."
Srdjan Nogo, Bürgerbewegung Dveri
Träume eines Nationalisten, der aber eine Minderheit repräsentiert: Nur ein Viertel der Serben gilt als pro-russisch, die breite Mehrheit will in die EU. Und dennoch ist eine politische Abneigung gegen den Westen weit verbreitet. Putin ist beliebt.
Die serbische Regierung probt schon länger den Spagat: Sie will der Europäischen Union beitreten, ohne die traditionell guten Beziehungen zu "Mütterchen Russland" gefährden. Im Büro von Ministerpräsident Aleksandar Vučic hängt demonstrativ die blaue EU-Fahne mit den gelben Sternen.
"Wir haben schon mit sehr harten ökonomischen Reformen begonnen. Wir tun wirklich unser Bestes, um den EU-Status zu erreichen. Und dann muss Deutschland über unseren Beitritt entscheiden, und die anderen EU-Staaten."
Aleksandar Vučic
Soll sich Serbien wirklich Richtung Westen orientieren? Video-Künstlerin Ana Adamovic vertritt eine Meinung, die in der serbischen Mittelschicht oft zu finden ist: Beitritt zur EU ja, aber bitte ohne die sozialen Härten eines überbordenden Kapitalismus.
"Unser Land grenzt ja an die EU und das Wertesystem dort ist hoffentlich noch nicht komplett ruiniert. Also ich würde sagen: Für Serbien ist die Europäische Union nicht der richtige, aber der einzige Weg."
Ana Adamovic
Seit letztem Jahr hat die serbische Regierung diesen Weg konsequent verfolgt: Im vergangenen Herbst wurden harsche ökonomische Reformen verkündet: Zehntausende Beschäftigte in Staatsbetrieben sollen entlassen, Renten und Gehälter im öffentlichen Dienst um zehn Prozent gestrichen werden. Schon jetzt muss die Mehrheit der Pensionäre mit weniger als 200 Euro im Monat auskommen.
"Wir als Rentner können uns hier kaum etwas leisten."
Rentner
"Ich bekomme gerade einmal 100 Euro Rente. Für mich ist alles zu teuer auf diesem Markt."
Rentner
"Nein, ich glaube nicht, dass es in der EU besser wird. Ich habe unter Tito gelebt, das waren gute Zeiten."
Rentner
"Ich verstehe nur wenig von Politik, aber wenn, dann vertraue ich den Russen."
Rentner
Ein fruchtbarer Boden für Moskau, das seit Monaten versucht, Serbien einen EU-Beitritt auszureden. Im Oktober vergangenen Jahres flog Wladimir Putin persönlich in Belgrad ein. Offiziell nur, um eine Militärparade zum 70. Jahrestag zur Befreiung durch die Rote Armee zu feiern. Doch im Hintergrund läuft die russische Propagandamaschinerie auf Hochtouren. Seit Februar sendet der russische Sender Radio Sputnik in Belgrad. Und über die Sputnik-Plattform im Internet werden tagtäglich eindeutige Botschaften verbreitet. An diesem Tag: Russland plane gemeinsame Militärmanöver mit Serbien. Für die serbische Regierung eine schwierige Situation: Sie sieht sich weiterhin als Brücke zwischen Ost und West. Doch es könnte der Tag kommen, an dem Belgrad noch eindeutiger Position beziehen muss. Für die eine oder die andere Seite.