Verbraucherschützer warnen Säuren und Basen – das Geschäft mit der Gesundheit
Sie sollen helfen, den Körper im Gleichgewicht zu halten: Produkte für den Säure-Basen-Haushalt. Doch Verbraucherschützer warnen, es gehe oft mehr ums Geschäft als um die Gesundheit. Wie sinnvoll sind Säure-Basen-Produkte wirklich?
Es gibt sie in allen möglichen Darreichungsformen: als Nahrungsergänzungsmittel, in Form von Pülverchen, Tabletten oder zum Aufgießen als Tee. Die Rede ist von Säure-Basen-Produkten.
Experten sehen das Angebot von Säure-Basen-Produkten kritisch
Säure-Basen-Produkte gibt es als Nahrungsergänzungsmittel, Pülverchen, Tabletten oder zum Aufgießen als Tee.
Die Hersteller sagen: Die Mittel sollen zu einem ausgewogenen Säure-Basen-Haushalt beitragen. Laut Lebensmittelverband Deutschland gehen mehr als drei Millionen Packungen pro Jahr über den Ladentisch. Doch viele Expertinnen und Experten sehen das Angebot kritisch.
"Der Einzige, der von diesen Präparaten wirklich profitiert, ist der Hersteller."
Daniela Krehl, Ernährungsexpertin, Verbraucherzentrale Bayern
Auch der Ernährungsmediziner Prof. Hans Hauner von der TU München sagt: Eine Übersäuerung kommt bei gesunden Menschen gar nicht vor.
"Dieses Thema Übersäuerung ist so ein typisches Märchen, das heute weit verbreitet ist. Der Körper ist selber vollständig in der Lage, den Säure-Basen-Haushalt im Gleichgewicht zu halten. Das ist wichtig für die Funktion der Zellen, und deshalb gibt es ein sehr effektives System, den PH-Wert stabil zu halten. Wenn man einmal mehr Säuren, mehr Basen konsumiert, wird das sofort ausgeglichen."
Prof. Dr. med. Hans Hauner, Ernährungsmediziner, Technische Universität München
Azidose bei Menschen mit schweren Vorerkrankungen
Menschen, deren Säure-Basen-Haushalt wirklich aus dem Gleichgewicht geraten ist, findet man zum Beispiel auf Dialyse- und auf Intensivstationen. Wenn schwere Vorerkrankungen vorliegen, kann es zu einer Azidose, kommen, weil der Körper überschüssige Säuren nicht mehr loswird, wie Prof. Ute Hoffmann vom Klinikum der Barmherzigen Brüder in Regensburg erklärt.
"Je nachdem, welche Störung vorliegt, spricht man von der stoffwechselbedingten Azidose oder von der atmungsbedingten Azidose."
Prof. Dr. med. Ute Hoffmann, Internistin, Klinikum der Barmherzigen Brüder, Regensburg
Vorsicht bei Erkrankungen der Nieren und der Lunge!
Es betrifft also einerseits Menschen mit schwersten pneumologischen Erkrankungen, die zu wenig CO2 über die Atmung ausstoßen. So kann der PH-Wert des Körpers aus dem Gleichgewicht kommen. Zum anderen treten Azidosen bei schwer nierenkranken Patienten auf. Die Diagnose erfolgt über eine Blutgasanalyse.
"Bei Dialyse-Patienten puffert man die Patienten mit Bicarbonat über die Dialysemaschine, also über das Blut selber. Menschen, die schon eine schwer eingeschränkte Nierenfunktion haben, aber noch nicht dialysepflichtig sind, nehmen Tabletten."
Prof. Dr. med. Ute Hoffmann, Internistin, Klinikum der Barmherzigen Brüder, Regensburg
Verbraucherschützer warnen vor Geschäftemacherei
Aber all das hat nichts mit den Säure-Basen-Produkten für gesunde Menschen aus Drogerien und Reformhäusern zu tun. Schon 2015 hat die Zeitschrift Ökotest eine Untersuchung von 32 solchen Produkten gemacht. Fünf bekamen gerade noch ein "mangelhaft", der Rest die schlechteste Note im Test: "ungenügend".
Liest man die Versprechen der Hersteller genau, merkt man dass sie fast immer sehr vage gehalten sind, etwa: "Die Inhaltsstoffe tragen zu einem normalen Säure-Basen-Stoffwechsel bei." Für die Verbraucherschützerin Daniela Krehl ist das nicht überzeugend.
Verband der Nahrungsergänzungsmittel-Industrie widerspricht
Gesundheit hat mehrere Hersteller und Verbände für Interviews angefragt. Der Verband der Nahrungs-Ergänzungsmittelhersteller und -distributoren NEM verweist auf eine Reihe von Publikationen, die einen Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln zur Regulation des Säure-Basen-Haushalts belegen sollen. Die EU-Gesetzgebung lasse zum Beispiel Werbeaussagen, die Zink als positiv für den Säure-Basenhaushalt darstellen, ausdrücklich zu.
"Die ernährungsphysiologische Unterstützung des Säure-Basen-Haushalts ist somit ernährungsmedizinisch sinnvoll und juristisch zulässig."
Dr. Thomas Büttner, Rechtsanwalt, NEM e.V, Laudert in Rheinland-Pfalz
Zumindest, was die ernährungsmedizinische Sinnhaftigkeit betrifft, sieht Prof. Hauner das komplett anders.
"Diese Präparate sind im Grunde reine Geschäftemacherei. Es gibt keinen Wirksamkeitsnachweis – und es ist auch klar: Es ist kein Effekt zu erwarten."
Prof. Dr. med. Hans Hauner, Ernährungsmediziner, Technische Universität München
Sein Rat: Man sollte sich lieber allgemein gesund und ausgewogen ernähren, statt zu Mittelchen mit wohlklingenden Namen und fraglichem Nutzen zu greifen.