Nach jetzt red i Der Windpark Altötting und seine Streitthemen
Nicht rentabel und gefährlich für den Waldboden? Bei der jetzt red i Sendung zum geplanten Windpark Altötting sind Fragen aufgekommen. Nicht alle sind eindeutig zu beantworten.
Wie wirtschaftlich ist der Windpark Altötting?
Brunhilde Husmann wohnt in Burgkirchen und zweifelte in der jetzt red i – Sendung am 14. Februar die Wirtschaftlichkeit der geplanten Windanlagen ab: „Dieser Windpark bringt lediglich 20 Prozent an Leistung, das heißt 80 Prozent Stillstand haben wir. Wir sind die windärmste Region in Gesamtbayern. Warum sollen wir einen Windpark hinstellen, der in seiner Existenz überhaupt nicht gerechtfertigt ist, wenn ich die Kosten-Nutzen-Rechnung aufsetzte, sind das – wenn der Windpark dann steht – keine fünf Prozent mehr, die für das Chemiedreieck zur Verfügung stehen.“
Im Internet wirbt die Betreiber-Firma Qair, dass mit dem Windpark rund 150.000 Haushalte mit sauberen Windstrom versorgt werden können bzw. es heißt, dass circa zehn Prozent des Energiebedarfs des örtlichen Chemiedreiecks gedeckt werden könne.
Bei jetzt red i antwortete die Geschäftsführerin von Qair-Deutschland Heike von der Heyden auf die Frage nach der Wirtschaftlichkeit: „Unser Ziel ist es, einen rentablen und wirtschaftlich erfolgreichen Park hier zu planen. Das ist einfach nicht richtig, dass er sich nicht rechnet der Park. Das ist eine Falschinformation.“
Prinzipiell ist klar: Nicht jedes Windrad erwirtschaftet zu jedem Zeitpunkt seine maximale Leistungsfähigkeit. Das ist von verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel der Windgeschwindigkeit, abhängig. Experten wie Anne Kress, Professorin an der Fachhochschule Vorarlberg, gehen davon aus, dass auch mit so genannten Schwachwindanlagen sinnvoll und wirtschaftlich Strom erzeugt werden könne. Die Effizienz von Windanlagen sei in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert worden. Dass Anlagen heute viel leistungsfähiger seien, sagt auch Hubertus Bardt. Er ist Energieexperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln.
Ab wann lohnt sich also eine Windkraftanlage? Laut Recherchen der Neuen Zürcher Zeitung beträgt die durchschnittliche Auslastung von Windrädern 24 Prozent. Diese Zahl wurde mithilfe eines Modells berechnet: Referenzdaten wurden aus der Simulation der stündlich produzierten Strommenge von 18.000 Onshore-Turbinen im Zeitraum 2011 bis 2020 erhoben. Berücksichtigt wurden ausschließlich vergleichbare Turbinentypen, mit der gleichen Turmhöhe und dem gleichen Rotordurchmesser an einem vergleichbaren Standort. Der Deutsche Bundestag veröffentlichte in einem Bericht vom September 2022 eine ähnliche Auslastungszahl: So lag die Auslastung aller bestehenden Windkraftenergieanlagen in Deutschland (an Land und auf See) im 1. Halbjahr 2022 bei 24,5 Prozent.
Ursachen für die geringe Prozentzahl sind laut den Recherchen der Zeitung unter anderem Abschaltungen wegen Netzüberlastung oder auch der Vogelschutz. Der mangelhafte Netzausbau nimmt beim Thema Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle ein. Laut einem Bericht von Bayern 1 konnten mehr als 4,8 Milliarden Kilowattstunden an erneuerbarem Strom in den ersten sechs Monaten 2022 nicht in die Stromnetze eingespeist werden, weil es Engpässe in den Leitungen gab. Das entspricht knapp fünf Terrawattstunden und damit etwa einem Prozent des gesamtdeutschen Jahresverbrauchs. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, eine Steigerung um 23 Prozent. Umso wichtiger, sagte Jürgen Quentin von der Fachagentur Windenergie an Land 2023 Bayern 1, ist der zügige Ausbau der Stromnetze: "Damit wir den Strom, den wir in Regionen, insbesondere in Norddeutschland, Nordniedersachsen, Schleswig-Holstein haben – da gibt es sehr, sehr viel Windstrom gerade jetzt in der Winterjahreshälfte, auch aus dieser Region rausbekommen. In den Süden, gerade nach Bayern. Weil die Leitungen fehlen, müssen stattdessen die Anlagen stillstehen."
Die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Anlagen hängt also von vielen Faktoren ab, die nicht nur mit dem eigentlichen Betrieb etwas zu tun haben. Wie der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Wolfram Axthelm dem MDR 2023 erklärte, sei der Trend jedoch eindeutig.
"Wir haben heute in Deutschland 30.000 Windkraftanlagen an Land stehen. Die haben eine durchschnittliche Leistung von 1,8 Megawatt pro Anlage. Die neuen Anlagen, die gerade gebaut werden, haben eine Leistung von 5,3 Megawatt. Und mit diesem Sprung in der Anlagentechnologie zu einer höheren installierten Leistung pro Anlage ist verbunden, dass man bei viel niedrigeren Windgeschwindigkeiten als noch vor 15 Jahren heute Strom produzieren kann."
Klar ist: der Süden Deutschlands ist bei weitem nicht so windreich wie der Norden. Dort beträgt die mittlere Jahresauslastung rund 2.600 Stunden, im Süden sind es 2.100. Prof. Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und Energiesysteme in Regensburg ergänzt in seinem Buch „So retten wir das Klima“: „In der Praxis gibt es Anlagen südlich von München, die bis zu 2.500 Stunden Auslastung aufweisen und je nach Standort ähnlich gute Erträge einfahren wie im Westen oder Osten Deutschlands. Sie übertreffen die prognostizierten Gewinne deutlich und sind damit voll wirtschaftlich.“
Fazit: Ob eine Windkraftanlage wirtschaftlich betrieben wird oder nicht, muss individuell nach Standort und den jeweiligen Bedingungen beurteilt werden. Dabei ist die reine Auslastung gemessen an prozentualen Jahresstunden nicht der allein ausschlaggebende Faktor. Experten gehen davon aus, dass auch in eher windschwachen Gebieten Windkraftanlagen wirtschaftlich betrieben werden können. Auch im Süden Bayerns, wo insgesamt weniger Wind weht, könne mit sogenannten Schwachwindanlagen sinnvoll und wirtschaftlich Strom erzeugt werden, sagt Anne Kress. Wie viel Energiebedarfs des Chemiedreiecks gedeckt werden können, hängt zum einen davon ab, ob beziehungsweise wie viele Windanlagen am Ende gebaut werden. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Industrie in den kommenden Jahren mehr Strom benötigt als heute.
Könnten die Windräder im Windpark Altötting Teile des Waldbodens austrocknen?
Zur Frage, ob Windparks im Wald den Boden austrocknen, gebe es “nicht viel wissenschaftliche Forschung”, sagt Pierre Ibisch. Er ist Waldökologe und Dozent an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. In Deutschland gebe es zu dieser gezielten Fragestellung noch keine Studien. Diese Frage speziell für den Windpark in Altötting zu beantworten, ist deshalb schwierig. Andere Aspekte wiederum, die oft in Zusammenhang mit einer möglichen Austrocknung des Waldes genannt werden, können einfacher beantwortet werden.
In der Sendung wurde beispielsweise angesprochen, dass Windräder beim Drehen der Rotoren warme Luft nach oben und kalte Luft nach unten wirbeln. Dieser Effekt trete aber vor allem bei klaren Nächten auf, sagte Stefan Emeis, emeritierter Professor für Meteorologie am Karlsruher Institut für Technologie. Der Grund: Die Luftschichten seien dann stabil verteilt. Unten sammele sich kalte Luft und oben warme. Wenn es windet, durchmischt ein Windrad diese Luftmasse. Die Luft in Bodennähe wird dann wärmer, die Luft in höheren Schichten kälter. Für den Effekt müsse sich aber die untere Lufttemperatur von der oberen stabil unterscheiden. Tagsüber bei Sonne und nachts, wenn es regne oder es bewölkt sei, trete der Effekt der Wärme-Umverteilung deshalb nicht ein. Kann der Boden durch diese Wärme-Umverteilung also austrocknen? “Dass der wärmere Wind den Boden unter dem Wald austrocknet, ist nicht erwiesen und macht auch keinen Sinn, weil die Windkraftanlagen dafür viel zu hohe Nabenhöhen haben”, sagt Michael Sterner. Er ist Professor für Energiespeicher und Energiesystem an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg. Sterner sagt, dass die Luftverwirbelungen sich horizontal hinter dem Windrad wieder ausgleichen – das sehe man in entsprechenden Simulationen. Die Verwirbelungen der Luft gingen also nicht vertikal herunter auf den Waldboden. Dass sich durch die Luftverwirbelungen der Boden austrockne, sei für ihn deshalb “definitiv ein Mythos”. Trotzdem halte er einen “Effekt auf das Mikroklima” für “möglich”. Unter Mikroklima versteht man das Klima der bodennahen Luftschicht. “Aber alles, was der Mensch in die Umwelt stellt, hat einen Einfluss auf das Mikroklima”, ergänzt Sterner.
Tatsächlich zeigen Studien, dass die Oberflächentemperatur innerhalb von Windparks oder in der Nähe von Windparks ansteigen kann. In einer 2022 veröffentlichten Studie haben Forscher anhand von Satellitendaten die Oberflächentemperatur und Vegetation in 319 Windparks in den USA untersucht. Tagsüber konnten die Forscher keinen signifikanten Einfluss auf die Oberflächentemperatur feststellen. Nachts aber stieg bei 61 Prozent der Windräder die Oberflächentemperatur über ein Jahr betrachtet um durchschnittlich 0,36 Grad Celsius. Bei Windparks, die auf Grün- und Ackerland errichtet wurden, waren die Erwärmungseffekte größer als bei Windparks in Wäldern. Die Auswirkungen auf die Vegetation dagegen waren bei Windparks in Wäldern stärker.
Eine im Januar 2023 veröffentlichte Studie untersuchte die Bodenfeuchtigkeit vor und nach dem Bau von Windparks auf Grasflächen in China. Hier stellten die Wissenschaftler fest, dass die Bodenfeuchtigkeit bei den untersuchten Windparks innerhalb eines Jahres um 4,4 Prozent abgenommen hat. Das bedeute aber nicht, dass der Boden in diesen Windparks zwangsläufig trocken und dürr sei, sagte Patrick von Jeetze vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung Correctiv dazu. Um zu bewerten, ob es problematisch ist, dass die Bodenfeuchtigkeit um 4,4 Prozent abnahm, seien die Standortfaktoren entscheidend, zum Beispiel die dortigen bodenphysikalischen und klimatischen Bedingungen. Laut Correctiv wurde bei dieser Studie außerdem nicht die Ursache untersucht, warum die Bodenfeuchtigkeit abgenommen hat. Inwiefern das mit den Windrädern zusammenhänge, lasse sich also aus der Studie nicht beantworten.
Wenn der Mensch in Ökosysteme wie Wälder eingreift, indem er dort Windräder installiert und entsprechende Wege baut, kann das jedenfalls das Mikroklima beeinflussen. Waldökologe Pierre Ibisch hat über Jahre untersucht, wie sich die Oberflächentemperatur in Wäldern verändert, wenn der Mensch den Wald aufschneidet, also Flächen rodet, zum Beispiel für den Bau von Autobahnen, aber auch für Windräder und die dafür notwendigen Wege. Mit Satellitenbilder und speziellen Infrarotmessungen haben er und sein Team die durchschnittliche Oberflächentemperatur von Wäldern angeschaut und einen Effekt der Aufheizung beobachtet. Sobald ein Teil eines Waldes gerodet, also aufgeschnitten wird, entstehen Löcher. Und durch diese Löcher kommt mehr Sonne herein, je weiter der Wald geöffnet ist. In diesen Löchern “steigen die Höchsttemperaturen” dadurch an heißen Tagen, sagt Ibisch. Da, wo die Löcher sind, entstünden an heißen Tagen “Hitzeinseln”, deren Oberflächentemperatur höher sei. Dieser Aufheizungseffekt sei deutlich sichtbar, sagt Ibisch. “Man kann im Grunde die Temperaturunterschiede sehen, ab dem Moment, wo die Windräder in den Wald gebaut wurden.” Dort, wo Wälder an Flächen grenzen, die sich stark aufheizen, komme es, an den Rändern vermehrt zur Schädigung oder zum Absterben ganzer Bäume, so Ibisch. Wichtig ist Ibisch aber zu betonen, dass der Aufheizungseffekt kein Problem sei, das nur Windräder verursachen. Autobahnen, die durch Wälder gingen und dadurch Schneisen und Löcher in den Wald schneiden, hätten zum Beispiel den gleichen Effekt.
Der Aufheizungseffekt könne sich auch auf die Bodenfeuchtigkeit auswirken, so Ibisch. Mehr Hitzeeinstrahlung bedeute, dass die Pflanzen mehr Wasser bräuchten, gleichzeitig gehe aber mehr Wasser verloren. Denn je heißer die Luft, desto mehr Wasser könne sie aufnehmen. Dadurch werde dem Boden Feuchtigkeit entzogen, sagt Ibisch. Hinzu komme, dass der Boden unter Wegen und Straßen weniger Feuchtigkeit speichern könne. Wichtig aber ist: Ibisch und sein Team haben nur die Oberflächentemperatur von Wäldern mit Einschnitten durch beispielsweise den Bau von Windrädern gemessen, nicht aber die Bodenfeuchtigkeit. Welche Auswirkungen der Aufheizungseffekt speziell für die Bodenfeuchtigkeit in Wäldern mit Windrädern hat, haben Ibisch und seine Kollegen also nicht untersucht. “Das sind nur Schlussfolgerungen aus den Oberflächentemperaturen und der Literatur, die sich mit dem Phänomen beschäftigt”, betont Ibisch.
Qair schreibt auf ihrer Website zum geplanten Windpark in Altötting, dass „die Baumaßnahmen besonders umweltverträglich durchgeführt werden“ könnten. Das Unternehmen begründet dies damit, dass das Gebiet mit Forstwegen schon gut erschlossen sei. Außerdem werden bei der Frage, wo die Windräder installiert werden, auch baumfreie Flächen und Kalamitätsflächen berücksichtigt. Dadurch müssten verhältnismäßig wenig Bäume gefällt werden. Im Schnitt könne man die Rodungsfläche je Windkraftanlage um 26 Prozent reduzieren.
Allgemein gilt, dass die Fläche, die für eine Windkraftanlage gerodet wird, an anderer Stelle normalerweise ausgeglichen werden muss. Für eine Windkraftanlage müsse im Schnitt eine Fläche von etwa 0,5 Hektar gerodet werden, sagt Energieforscher Stephan Bosch von der Universität Augsburg. “Diese Fläche bleibt dann während des ganzen Betriebs der Anlage baumfrei”, ergänzt er. Zur Kompensation müsse diese Fläche wieder “mindestens im Verhältnis eins zu eins” an anderer Stelle aufgeforstet werden. Außerdem, so Bosch, gebe es eine weitere Fläche, die eine ähnliche Größe zu den 0,5 Hektar habe, die nur während der Installation gerodet und danach wieder aufgeforstet werde.
Fazit: Um die Frage , ob Windräder im Wald in direkter Nähe Teile des Bodens im Altöttinger und Burghauser Forst austrocknen könnten, beantworten zu können, gibt es nicht ausreichend und vergleichbare Studien, die genau diese Frage in anderen Windparks in Wäldern untersuchten. Fest steht aber: Öffnet der Mensch den Wald, zum Beispiel für Windräder, greift er in das Ökosystem ein. Das kann das Mikroklima des Waldes beeinflussen. Ob und wie stark sich das auf die Feuchtigkeit vom Waldboden in der Nähe von Windrädern auswirken kann, ist nicht genügend erforscht und dürfte außerdem auch noch von den jeweiligen bodenphysikalischen und klimatischen Bedingungen des jeweiligen Windpark-Standorts abhängen.