"jetzt red i" aus Erding Nach dem Pisa-Debakel - Was muss sich ändern an Bayerns Grundschulen?
Die letzte Pisa-Studie brachte für Deutschland eine bittere Erkenntnis: Im internationalen Bildungsvergleich ist Deutschland so schlecht wie nie. Der Freistaat hat nun reagiert - mit einer Pisa-Offensive. Aber davon sind nicht alle angetan.
Das Entsetzen war groß: Bei der jüngsten Pisa-Studie, die Ende letzten Jahres vorgestellt wurde, schnitten die 15jährigen deutschen Schüler so schlecht ab wie nie zuvor. Untersucht wurden die Bereiche Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen. Als Reaktion darauf baut Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) den Stundenplan in den Grundschulen jetzt um: Ab dem nächsten Schuljahr soll es für alle mehr Deutsch- und Matheunterricht geben. „Die Pisa-Offensive Bayern ermöglicht den Schülerinnen und Schülern erstklassige Startbedingungen“, so die Kultusministerin.
Sind Kunst und Werken zweitrangig?
Nicht alle sehen die Lehrplanänderung so positiv. Damit es mehr Deutsch- und Matheunterricht gibt, müssen andere Stunden gestrichen werden. Über diese Kürzungen entscheiden die jeweiligen Schulen zwar selbst. Streichen können aber sie nur beim Englischunterricht, in Musik, Werken oder Kunst. Die Kultusministerin hatte auch darüber nachgedacht, Religionsstunden einzusparen. Doch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) widersprach: „Bei Religion wird nicht gekürzt“.
An den Kürzungsplänen – besonders bei den kreativen Fächern - gibt es viel Kritik: "Wer die Musik so ins Abseits stellt, wird seiner politischen Verantwortung nicht gerecht und versündigt sich an der Zukunft unserer Kinder“, heißt es vom Deutschen Musikrat.
Viele Hausaufgaben für die Grundschulen
Doch auch unabhängig von der Pisa-Offensive gibt es viele Baustellen an Bayerns Grundschulen. Anfang Mai gibt es Übertrittszeugnisse. Trotz hoher Anforderungen wollen viele Eltern ihr Kind aufs Gymnasium schicken. Der Druck auf die Kinder ist enorm, kritisiert der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband. Auch der Lehrermangel sorgt seit Jahren für große Probleme. Schüler können nicht gefördert werden, wie es nötig wäre. Besonders für Integrations- und Inklusionsarbeit fehlt das nötige Personal. „Wenn wir nicht schnell umsteuern, verliert eine ganze Schülergeneration ihre Bildungschancen“, warnt deshalb die bayerische SPD-Bildungspolitikerin Simone Strohmayr.
Ist die PISA-Offensive der richtige Weg? Hilft es, bei den kreativen Fächern zu kürzen? Soll man die Schüler nach der 4. Klasse trennen oder ist es besser, wenn sie länger gemeinsam lernen? Was tun gegen den Lehrermangel? Was muss sich ändern an Bayerns Grundschulen?
"Auch wenn unser bayerisches Bildungssystem gut und stark ist: Wir können es uns nicht leisten, die Ergebnisse der PISA-Studie zu ignorieren, denn gute Bildung ist die Grundlage für starke Kinder und somit auch für Erfolg und Freude im Leben. Die Erkenntnisse, die wir aus der PISA-Studie ziehen, können aber nicht darin liegen, sich an den Bundesländern zu orientieren, die bei allen Bildungsstudien schlechter abschneiden als wir. Ich bin der festen Überzeugung: Lesen, Schreiben und Rechnen sind das Wichtigste, was unsere Kinder - auch als Grundlage für alle anderen Fächer - können müssen. Ich habe mich deshalb intensiv mit vielen Vertreterinnen und Vertretern der Schulfamilien und der Verbände über die nötigen Schritte ausgetauscht, denn gute Ideen entstehen im Dialog. Das Ergebnis ist unsere PISA-Offensive. Das sind sieben Bausteine, mit denen wir den Schulen mehr Flexibilität geben, um unsere Kinder fit zu machen für ihren weiteren Lebensweg."
Anna Stolz (FW), Kultusministerin Bayern
"Wir in Bayern brauchen die beste Bildung für unsere Kinder – durch genug hochmotivierte Lehrkräfte, kleine Klassen und gut ausgestattete Schulen. Dafür kämpfen wir als SPD. Was es definitiv nicht braucht, sind Kürzungen bei kreativen Fächern."
Simone Strohmayr, bildungspolitische Sprecherin der SPD im Landtag
Mit den Händen arbeiten, Kreativität und Selbstentfaltung sind ein Muss in der Grundschule. Deshalb: Keine Kürzung bei kreativen Fächern!“
Über diese und andere Fragen diskutieren bei „jetzt red i“ Bürgerinnen und Bürger live u.a. mit Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) und Simone Strohmayr (SPD), bildungspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion. Ihre Meinung ist gefragt...
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Kommentieren
Franziska Schmidt, Mittwoch, 24.April 2024, 22:09 Uhr
42. Entlastung der Lehrer*innen
Es gibt viele Baustellen, die durch den Lehrermangel noch drastisch verstärkt werden. Es ist klar, dass nicht einfach so mehr Fachpersonal aus dem Boden gestampft werden kann. Was ich aber nicht verstehe ist, weshalb viele Schulen auch mit Verwaltungspersonal so schlecht aufgestellt werden. Warum muss jede*r Klassenleitung eigens Listen zu Datenschutz, Geldkram, Impfstand, uvm. führen? Warum müssen Lehrerinnen selbst Papier zum Kopierer tragen und bestellen, Listen über Buntpapier führen? Warum gibt es niemanden, der zum Medienzentrum fährt? Warum kann nicht jemand anders die Zeugnisse mit dem Schulsigel versehen? Warum werden so wenig Sekretär*innenstunden anberaumt? Weil den Sekretärinnen für ihren Kernjob kaum ausreichend Zeit bleibt. Bitte, stellt mehr Verwaltungspersonal ein. Wir brauchen schnell mehr Personal im Sekretariat. Wir brauchen auch IT-Spezialisten, die zuständig sind für Probleme in diesem Bereich und nicht eine arme Lehrerin, die sich dazu hat breitschlagen lassen.
Eva Weiss, Mittwoch, 24.April 2024, 21:25 Uhr
41. Selbstwirksamkeit
Der Rechtsruck besorgt viele von uns. Die Demokratie ist gefährdet. Es wird höchste Zeit Demokratie an der Schule zu zeigen und vorzuleben. Dsfür müssen Kinder und Jugendliche in der Schule dringend mehr gestalten und mitbestimmen können. Selbstwirksamkeit gehört ins Zentrum. Im Moment wollen wir meiner Meinung nach noch viel zu sehr, dass unsere Kinder in der Gesellschaft funktionieren und darum sollen sie auch im System Schule funktionieren. Wir brauchen aber Menschen die Verändern und Visionen haben und ins Handeln kommen.
Michaela Mayer , Mittwoch, 24.April 2024, 21:18 Uhr
40. Traurige Entwicklung
Leider ist die Kultusministerien Frau Anna Stolz nicht überzeugend, so wie es dargestellt wird läuft ja eh alles im grünen Bereich.
Es sieht nicht so aus als würde sich in der nächten Zeit für die Kinder, Eltern und Lehrkräften ändern würde.
Ich bin auch enttäuscht von der Diskussionsfürhrung, denn Bildung in der Schule ist in meinen Augen definitiv zu kurz gekommen.
Holger Melchior, Mittwoch, 24.April 2024, 21:15 Uhr
39. Eltern
In der Diskussion wird viel zu wenig über die Verantwortung der Eltern gesprochen. Werdende Eltern sollten wissen, das Erziehung Mühe ist und sie nicht alles an staatliche Institutionen delegieren können. Kinder heißt für Eltern auch verzichten. Dann klapptˋs auch mit den Kindern.
Unbekannt, Mittwoch, 24.April 2024, 21:09 Uhr
38.
Es gibt einige Schulalternativen, die tolle Aspekte haben, wie Z. B koknitive Fächer in der ersten Stunde-kreative Stunden im Anschluss.weniger Digitalisierung,... Auch hier kommen Kinder mit höheren Abschlüssen aus der Schule und sind "ausgeglichener". Man könnte von anderen Erfolgen etwas übernehmen.
Andere Länder sind Vorreiter, man kennt deren Konzepte für ihre Erfolge. Aber Deutschland muss anscheinend sein eigenes Erfolgskonzept erfinden-auf Kosten der Kinder