Das Leiden von Jesus Christus Kalvarienberge
"Wszystkim. Wszystkim, naprawde wszystkim". Zu Deutsch: "Alles, alles, wirklich alles" ist für mich der christliche Glaube. Sagt die junge Polin. Und strahlt. Bei der Live-Inszenierung des Leiden Christi auf dem Kalvarienberg von Bydgoszcz, Polen. Fast 2000 Kalvarienberge gibt es in Europa.
Was sind Kalvarienberge? Zunächst nur drei Kreuze, mit Jesus und den beiden "Schächern" dran, irgendwo auf einer Anhöhe. Beim Wandern hat man sie bestimmt schon einmal gesehen. Wirklich wahrgenommen? Manchmal sind nicht mal noch die Kreuze übrig, nur ein Name. Wie bei Immenstadt im Allgäu, beim "Allgäu-Triathlon" schwitzen die Athleten die steile "Kalvarienberg"-Anhöhe empor. Echtes Leiden? Nichts gegen das Leiden von Jesus Christus, dargestellt auf Kalvarienbergen.
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Kalvarienberge - eine katholische Angelegenheit
Auf dem Kalvarienberg von Bydgoszcz wurden im Zweiten Weltkrieg 5000 Polen von Gestapo und Volksdeutschen erschossen.
Typisch für Kalvarienberge: Es gibt sie nur in katholischem Gebiet, eine Art religiöse "Duftmarke" früherer Herrscher, im Unterschied etwa zu "evangelischen" Roland-Statuen. Kalvarienberge sind meist am Ende eines Kreuzwegs. Jeder Kalvarienberg hat sein eigenes - künstlerisches - Gesicht. Und: Seine eigene Geschichte. Vom schlichten Holzkreuz, an dem die Witterung nagt, bis zu den prachtvollen "Sacri Monti" in Norditalien. Etwa in Varallo, Bibelszenen aus mehr als 4000 lebensgroßen Figuren. Die ältesten Kalvarienberge sind aus Stein, zu finden in der Bretagne. Und: Orte des Grauens, wie der Kalvarienberg von Bydgoszcz, 150 Kilometer südlich von Danzig. 5.000 Polen wurden hier von den Nazis erschossen. Auch deshalb inszenieren eben dort Studenten das Leiden Christi. Jesus erlöst durch sein Leiden die Menschen von den Sünden. Ein schöner Gedanke. In der Bibel wird der Hügel bei Jerusalem, auf dem Jesus gekreuzigt wurde, "Golgotha" genannt. Die "Schädelstätte". "Calvaria" ist das lateinische Wort für "Schädel": Kalvarienberge.
Kalvarienberge in Polen, Italien, der Bretagne und Bayern
In Polen bibbern mehrere hundert Studenten verschiedener Universitäten von Bydgoszcz in der Vorfrühlingskälte. Die rund 10.000 Besucher des "Mysterium" vom Leiden Christi noch nicht gerechnet. Zwei der neun italienischen "Sacri Monti" werden besucht. Der aus unzähligen Kapellen zusammengesetzte "Sacro Monte di Varallo", in den Bergen nördlich von Mailand. Unweit davon, über dem Bergsee "Lago di Orta", thront der "Sacro Monte di Orta". Die "Calvaires" sind eine Touristenattraktion in der Bretagne. Fein gearbeitet aus Stein, bibelhistorische Monumente geradezu, teils mehr als 500 Jahre alt. Pars pro toto ein Besuch in Guimiliau, Tronoen, Melrand, Saint Uzec. Kalvarienberge in Bayern: Klosterlechfeld, von Bürgern vor dem Verfall gerettet; Wenigmünchen, kleiner Ort, prachtvoller Kalvarienberg; Thurndorf, Besuch bei einer Andacht, echter Glaube; Aiterbach bei Allershausen, ausdrucksstark, weil einfach gestaltet; Füssen, Lebenswerk eines örtlichen Pfarrers. Bad Tölz, einzigartig, intensiv, herrlich gelegen. Dort Besuch beim Kinderkreuzweg, in der Karwoche.
Exkurse nach Sankt Florian in München-Riem, wo der künstlerisch wohl am modernsten gestaltete Kreuzweg in ganz Bayern ist und zur "Mayer'schen Hofkunstanstalt" in München, wo schon seit sehr vielen Jahrzehnten sakrale Kunst für die ganze Welt gemacht wird, runden den Film ab. Und noch ein "Zuckerl" obendrauf: "Heilige Gräber", jedes Jahr eigens für die letztlich ja wenigen Kartage aufgebaut. Die weltweit meisten gibt es in Österreich, das schönste "Heilige Grab" in Tirol steht in Patsch, bei Innsbruck. Es wird im Film recht ausführlich vorgestellt. "Liturgie live", wie Pfarrer Gapp im Interview sagt. Mit stolzer Stimme. "I am from Austria", wir kennen und lieben das ja.